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Interview: Schauspieler Florian Martens: "Ich wollte nicht ein Leben lang Kipperfahrer bleiben"

Interview

Schauspieler Florian Martens: "Ich wollte nicht ein Leben lang Kipperfahrer bleiben"

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    Florian Martens als Otto Garber, hier im Einsatz mit Stefanie Stappenbeck (als Linett Wachow) bei "Ein starkes Team".
    Florian Martens als Otto Garber, hier im Einsatz mit Stefanie Stappenbeck (als Linett Wachow) bei "Ein starkes Team". Foto: Katrin Knoke/ZDF/dpa

    Hallo Herr Martens, seit März 1994, also seit fast 30 Jahren, verkörpern Sie in der ZDF-Krimireihe "Ein starkes Team" den stark berlinernden Kriminalhauptkommissar Otto Garber. Wissen Sie eigentlich, wenn Sie aufwachen, immer, ob da Garber oder Martens aus dem Bett steigt?
    Florian Martens: Na ja, in erster Linie ist der Garber eine Figur und ich bin Schauspieler. Darum weiß ich schon, wer da aus dem Bett steigt. Ich bin nach wie vor ich! Die ersten 15 Jahre war Garber auch nur eine von vier, fünf, sechs verschiedenen Rollen, die ich damals pro Jahr gespielt habe. Im Laufe der Jahre ist das ein bisschen weniger geworden. Da war ich auch dann für die Autorenfilmer nicht mehr so interessant, weil ich ein Fernsehgesicht mit einer gewissen Prominenz wurde. Aber keiner konnte damals wissen, dass das so ein Dauerbrenner wird. Früher haben meine frühere Partnerin (Maja Maranow/d. Red.) und ich ja auch viel mit Dieter Wedel gedreht, und da wir der Arbeit mit ihm immer Priorität einräumten, haben wir oft Pausen mit dem "Starken Team" eingelegt. Heute ist Garber natürlich schon dominant, eine Figur, die auch mich am meisten prägt.

    Macht das noch Spaß nach all den Jahren?
    Martens: Auf jeden Fall. Sonst würde ich es nicht mehr machen. Das ist wie nach Hause kommen. Allerdings haben wir uns immer sofort bemerkbar gemacht, wenn wir das Gefühl hatten, dass die Drehbücher nachlassen. Zwischendrin waren auch mal schwächere Drehbücher dabei. Aber irgendwie haben wir das immer hinbekommen. Wir entscheiden ja von Film zu Film, ob wir weitermachen. Und bisher haben wir das immer gemacht.

    Garbers schwarze Wollmütze ist zu seinem Markenzeichen geworden. Tragen Sie privat auch solche Mützen?
    Martens: Na klar. Zwar nicht durchgehend im ganzen Jahr wie der Garber. Da ich ja eine Glatze habe, würde ich im Winter aber ohne Mütze auf meinem Deoroller frieren. Und da trage ich dann nichts Buntes, Modisches, sondern bin ganz pragmatisch und verwende die schwarze Wollmütze. Mir stehen zwar auch Hüte, aber mit Hut sehe ich aus wie ein Schauspieler. Und das will ich vermeiden.

    Warum soll man Sie nicht als solchen erkennen? Viele Schauspieler machen das genau andersherum, sie versuchen sich so zu kleiden, dass jeder sieht: Hier kommt ein Schauspieler. Besonders auffällige Schals sind da beliebt.
    Martens: Genauso ist es. Aber bei mir ist es genau umgekehrt. Bloß nicht! Ich gehe auch nie in die Maske, um mich schminken zu lassen. Auch da würde man schnell aussehen wie ein Schauspieler. Aber ich bin ja kein Tagesschau-Sprecher, sondern ein Polizist bei der Arbeit und dabei meistens im Stress. Was soll ich da mit Rouge und Puder!

    Jucken die Mützen eigentlich, wenn man sie länger trägt?
    Martens: Nee! Ich kann zwar eigentlich keine Wolle auf der Haut tragen, aber ganz oben und ganz unten, also mit Mützen und mit Socken, habe ich damit keine Probleme. Sonst muss es Baumwolle sein.

    Die Super-Illu hat Sie auch den Quotengaranten aus Ostberlin genannt. Ist das ein Kompliment für einen Schauspieler?
    Martens: Ja und nein. Die Quote ist natürlich nicht alles. Andererseits bekomme ich schon viel Feedback und habe natürlich eine Menge Fans. Die Leute wollen ihren Otto sehen. Das freut mich schon. Diese Figur ist mir wirklich auf den Leib geschrieben worden. Und hätten wir keine gute Quote, würde es die Sendung wahrscheinlich gar nicht mehr geben. Manchmal nervt es mich aber, dass bei den Öffentlich-Rechtlichen mit derselben Intensität nach der Quote geschielt wird wie bei Privaten. Das wäre meiner Meinung nach nicht notwendig. Dass die Quote so starken Einfluss auf das Programm hat, sehe ich eher kritisch.

    Vor zwölf Jahren schon bekamen Sie für die Rolle des Otto Garber den Bayerischen Fernsehpreis. Die Jury lobte Ihre „faszinierende Intensität, geradezu selbstverständliche Glaubwürdigkeit und gleichbleibende schauspielerische Brillanz“. Woher kommt die?
    Marten: Schön, das habe ich auch noch im Ohr (lacht). Na, wenn die Jury das sagt … Aber im Ernst, über den Bayerischen Fernsehpreis habe ich mich besonders gefreut, weil ich damit gar nicht gerechnet habe: Das ist ja eine Berliner Geschichte und ich bin ein Urberliner und dann auch noch Ostberliner – das hat ja nichts mit Bayern zu tun. Aber das war schon ein richtig schöner Tag damals, ich hatte auch meine Tochter dabei und die war noch nie in München. An dem Tag passte am Ende einfach alles.

    Dabei wollten Sie ja beruflich nicht gleich Schauspieler werden, sondern hätten als Kind den Beruf des Jockeys vorgezogen. Schon früh hatten Sie ein Faible für Rennpferde. Warum kam es dann doch anders?
    Martens: Ich wollte tatsächlich Berufsreiter werden und bin auch zehn Jahre Rennpferde als Arbeitsreiter in einem Rennstall geritten. Aber ich hatte einfach nicht die körperlichen Voraussetzungen und konnte nie das Gewicht halten. Ich bin fast 1,80 Meter groß und hatte fast 65 Kilo. Als ich dann aber aus der Armee zurückkam, wog ich fast 80 Kilo. Ich konnte zwar wieder etwas abnehmen und bin noch fünf Jahre weitergeritten, aber am Ende machte es keinen Sinn mehr.

    Dann kam es ganz anders. Sie machten nämlich eine Lehre als Baumaschinist in Brandenburg und waren fünf Jahre als Bagger- und Planierraupenfahrer auf Montage - und sind mit 25 Jahren relativ spät in den Beruf eingestiegen. Wie kam es dazu?
    Martens: Ich hatte ja kein Abitur. Das war im Osten damals nicht so obligatorisch wie heutzutage. Und ich brauchte auch gar keins, weil ich ja etwas mit Pferden machen wollte. Dann habe ich mich auf allen großen Gestüten der DDR als Pferdewirt beworben, aber ich wurde überall abgelehnt, obwohl ich gut reiten konnte. Denn in Staatsbürgerkunde hatte ich die schlechtesten Noten, die man sich vorstellen kann. Da hatte ich irgendwann die Schnauze voll und sagte: Da mache ich gar nichts mehr!

    Und dann?
    Martens: Dann bekam meine Mutter Panik. Denn nichts zu tun, das ging in der DDR nicht. Da war das ein Straftatbestand. Der hieß Asozialität, der war im Gesetzbuch verankert. So hat meine Mutter etwas für mich gesucht und ich bin Baumaschinist bei der Bauunion geworden. Ich hatte eine umfangreiche Ausbildung, fuhr Bagger, Schwerlastzüge, Planierraupen und so was. Das habe ich dann auf Montage ein paar Jahre gemacht. Wenn ich da nicht irgendwann die Reißleine gezogen hätte, wäre ich versackt.

    Inwiefern?
    Martens: Das hat zwar auch Spaß gemacht, aber ich war im Oderbruch stationiert und da gab es für meine Kollegen abends nach der Zwölfstundenschicht nur zwei Themen: Saufen und Weiber. Da hat man sich zugelötet und am nächsten Morgen ging es wieder auf Schicht. Ich wollte wieder zurück nach Berlin. Dahin habe ich mich dann als Betonfahrer versetzen lassen. Weil ich aber Scheiße gebaut habe, bin ich rausgeflogen. Dann habe ich einen Zwölf-Tonnen-Kipper aus Russland gefahren. Da war ich der King auf der Straße. Aber auch das ging nicht gut.

    Dann hat Sie die Muse geküsst.
    Martens: Ich wollte einfach nicht ein Leben lang Kipperfahrer bleiben. Weil ich aus einer Schauspielerfamilie stamme, habe ich mich einfach mal bei der Ernst-Busch-Schule, der bekanntesten Schauspielschule in der DDR, beworben. Und siehe da, die haben mich auf Anhieb genommen.

    Spannende Vita. Sie haben aber heute immer noch eine enge Beziehung zu Rennpferden und gehen oft auf die Rennbahn? Was fasziniert Sie am Pferdesport?
    Martens: Ich bin ein kleiner Rennpferde-Besitzer und feiere gerade mein erfolgreichstes Jahr. Meine "Möwe" hat in diesem Jahr bereits ihr fünftes Rennen gewonnen. Meine andere Stute hat über drei Jahre auch schon sieben Siege erreicht. Die "Möwe" könnte eines der erfolgreichsten Pferde des Jahres werden. Ich selbst setze mich auf kein Pferd mehr (lacht). Ich wiege inzwischen über 90 Kilo, das wäre für beide Seiten gefährlich.

    Wetten Sie?
    Martens: Natürlich, leidenschaftlich!

    Und unterm Strich – mehr gewonnen oder verloren?
    Martens: Ich habe als Schüler schon angefangen, Toto zu spielen, um nebenbei ein bisschen Geld zu verdienen. Da habe ich aus Spaß gewettet. Über 50 Jahre liege ich sicher im Minus. Ich bin aber nicht suchtgefährdet. Und ich habe meine Wetten immer dem Verdienst angepasst.

    Und sind die Pferde ein Zuverdienst?
    Martens: Wenn ein Jahr plus-minus-null aufgeht, ist das ein Erfolg. Denn ein Pferd muss rund 20.000 Euro pro Jahr reingaloppieren, damit sozusagen die Kosten gedeckt sind. Die "Möwe" hat in diesem Jahr schon 35.000 Euro gewonnen. Durch sie bin ich erstmals deutlich im Plus. Es ist ein teures, aber sehr schönes Hobby. Unsereiner träumt davon, dass man auch mal ein Kracherpferd zieht, das mal das Derby oder sogar den "Prix de l’Arc de Triomphe" in Paris gewinnt, das größte Pferderennen der Welt. Das ist ein bisschen so wie Lotto spielen. Jeder hofft, dass er mal den Jackpot knackt, auch wenn die Chancen eins zu 140 Millionen sind. Beim Pferderennen sind die Chancen sogar besser.

    Mal etwas ganz anderes, Privates. Was viele nicht wissen, Sie haben eine sehr prominente Halbschwester, Susanne Uhlen, die ebenfalls Schauspielerin ist. Sind Sie in Kontakt?
    Martens: Wir sind in Kontakt, aber nur sporadisch. Das bedeutet nicht, dass wir Probleme miteinander haben – im Gegenteil. Wir freuen uns, wenn wir uns auf Filmpreisverleihungen oder so etwas treffen, auch wenn wir da beide immer seltener hingehen. Aber wenigstens zu unseren Geburtstagen rufen wir uns an. Susanne hat ja offiziell aufgehört zu arbeiten, um sich dem Tierschutz zu widmen, und lebt mit ihrem Mann in Köln. Aber ich werde ja immer wieder zu Quizshows eingeladen. Da soll ich immer einen Partner oder eine Partnerin mit Bezug mitbringen und dann habe ich mal bei meiner Schwester angefragt. Da sind wir bei Kai Pflaume zum ersten Mal gemeinsam im Fernsehen aufgetreten.

    Wenn wir schon beim Thema Familie sind. In einem Interview haben Sie gesagt, Sie seien ein Freund von Fernbeziehungen, aber kein Freund des Heiratens. Warum mögen Sie sich nicht ewig binden?
    Martens (lacht: Wenn ich jedes Mal geheiratet hätte, wäre ich auch schon mindestens zehnmal geschieden. Zu DDR-Zeiten wäre das kein Ding gewesen, aber hier ist es eine kostspielige Angelegenheit. Aber im Grunde denke ich mir: Wichtig ist es, dass man sich gut versteht. Ich brauche da keinen Trauschein oder einen Ring am Finger. Denn ich trage sowieso keinen Schmuck.

    Sie selbst leben in Berlin - und in der Nähe auf dem Land, in Brandenburg am Krüpelsee. Was mögen Sie mehr – den heißen Hauch der Metropole oder die Kühle am See?
    Martens: Beides. Je älter ich werde, Letzteres. Aber das Schöne ist, ich kann den Krüpelsee aus jeder Ecke Berlins in etwa einer halben Stunde erreichen. Ob ich nun vom Hackeschen Markt komme oder aus Pankow. Wenn mir danach ist, setze ich mich ins Auto, guck auf meinen See und höre nur mehr Stille. Vielleicht zwitschern ein paar Vögel und die Fische springen, aber das war es. Ich liebe diese Unterschiede, diese Gegensätze. Ja länger ich nicht auf dem Land war, umso mehr freue ich mich darauf. Aber eigentlich bin ich ein Stadtmensch. Ich bin in Berlin-Mitte geboren und habe da auch fast 20 Jahre in den Hackeschen Höfen gelebt. Ich mochte diesen Trubel sehr, aber im Alter zieht man nicht mehr so oft um die Häuser. Auch wenn ich noch nicht alt genug bin, um am See zu leben.

    Zur Person: Florian Martens kam am 27. Dezember 1958 in Ost-Berlin zur Welt. 1986 gab er sein Filmdebüt im Fernsehen der DDR. Seit März 1994 verkörpert er in der ZDF-Krimireihe „Ein starkes Team“ Kommissar Otto Garber.

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