Essen wir eigentlich Holzspäne, wenn wir genüsslich unseren Erdbeerjoghurt löffeln? Hartnäckig hält sich dieses Gerücht seit Jahren. Allein die Vorstellung ist jedenfalls alles andere als schmackhaft.
Wir erklären in diesem Artikel ein für alle Mal, was dran ist am Holzspäne-Joghurt-Gerücht, wie es soweit kommen konnte und welche Rolle überhaupt Aroma-Stoffe im Joghurt spielen, wie sie gewonnen werden und warum das nicht weiter schlimm ist.
Holzspäne im Joghurt: Kaum Früchte im Joghurt
Zunächst vielleicht eine kleine Schocknachricht für alle Joghurt-Liebhaber: Es könnte gut möglich sein, dass es sich bei den Stückchen Ihres Mango-, Kiwi- oder eben Erdbeerjoghurts nicht um die glänzende Frucht auf der Verpackung handelt.
Der Grund: Dafür, dass ein Fruchtjoghurt tatsächlich intensiv nach Früchten schmeckt, bräuchte man eine Menge davon. Die Verwendung der Früchte zur Aromagewinnung sei einfach nicht nachhaltig, so der Deutsche Verband der Aromenindustrie, da sie nur einen sehr geringen Gehalt an Aroma-Stoffen aufweisen.
Bei einer Stichprobe der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz enthielt ein typischer 150-Gramm-Becher durchschnittlich 15,4 Gramm Frucht, was ungefähr einer Erdbeere entspricht. Wenn Sie also Glück haben und nicht zum billigsten Produkt greifen, befindet sich gerade einmal eine einzige Frucht in Ihrem Joghurt.
Holzspäne im Joghurt: Hersteller greifen stattdessen zu Aroma-Stoffen
Das Problem sind natürlich die Kosten für die Lebensmittelindustrie, die nur zu gerne der Nachfrage nach billigem Joghurt nachkommt. Einen weiteren, ganz praktischen Grund erklärt Ernährungsexpertin Silke Noll gegenüber der Verbraucherzentrale Bayern: "Es gibt einfach nicht genügend Erdbeeren auf unserer Welt, um die Vorliebe für Erdbeeren der Weltbevölkerung zu decken."
In der Folge schauen sich die Hersteller nach alternativen, günstigeren und zugleich effizienteren Geschmacks-Aromen um. "Erdbeer-Aroma kann man entweder komplett künstlich erzeugen, also aus dem Chemielabor - oder man versucht es aus natürlichen Aroma-Stoffen herzustellen", so Noll.
Holzspäne im Erdbeerjoghurt: Stimmt der Mythos also doch?
Um die Frage gleich vorwegzunehmen, und Sie zu beruhigen: Nein, bei den Stückchen im Joghurt handelt es sich nicht um Holzspäne, auch nicht um im Chemie-Labor aufgeweichte und geschmacklich angepasste.
Die Wahrheit ist allerdings, dass man tatsächlich aus Holz gewisse Aromen extrahieren kann. Das typische Erdbeer-Aroma gibt es aber nicht als einzelnes Aroma, erklärt Noll: "Um es herzustellen, braucht man sehr viele verschiedene einzelne Aroma-Stoffe - unter anderem eben auch Vanillin."
Und Vanillin, das auch als Hauptbestandteil der Königin der Gewürze, der Vanilleschote, gilt, kann man tatsächlich aus Holz, genauer aus dem Holzgerüststoff Lignin, gewinnen. Das Gerücht von Holzpänen im Joghurt fußt also auf einer völlig überzogenen und daher falschen Annahme, die allerdings doch ein Fünkchen Wahrheit in sich trägt. Denn gewisse Anteile von Holz können tatsächlich zur Herstellung von Fruchtjoghurts herangezogen werden.
Erdbeerjoghurt mit Holzspänen: "Natürliches Aroma" als Alternative?
Auch wenn auf Ihrem Lieblingsjoghurt "natürliches Aroma" draufsteht, handelt es sich nicht um Aromen, die von der Frucht selbst stammen. "Wenn auf meinem Erdbeerjoghurt 'natürliches Aroma' draufsteht - was meistens der Fall ist - bedeutet das, dass die Aromen zu 95 Prozent aus natürlichen Rohstoffen gewonnen werden", so Noll.
Zu natürlichen Rohstoffen zählen Tiere, aber eben auch Pflanzen, wie das aus Holz geronnene Aroma Vanillin. Verwunderlich und neu ist diese Vorgehensweise dagegen nicht. Denn seit Jahrhunderten nutzt der Mensch Holz zur Herstellung von Aromen wie bei Zimt oder etwa Sandelholz, wie aromenverband.de schreibt.
Übrigens: Die beste Alternative für den Erdbeerjoghurt aus dem Supermarktregal ist der selbstgemachte Erdbeerjoghurt aus Naturjoghurt und hinzugetanen Früchten. Dafür verraten wir Ihnen, wo Sie dieses Jahr Erdbeeren in der Region pflücken können.