Herr van der Horst, zusammen mit Fabian Köster führen Sie am 28. Dezember durch den satirischen Jahresrückblick im ZDF. Was waren denn für Sie die Höhepunkte des vergangenen Jahres? Christian Lindners Tragikomödie, der bis zum Schluss nie an einen Ausstieg der Koalition gedacht hat? Oder doch die Trump-Show ins Amerika?
Lutz van der Horst: Es ist ja tatsächlich so, dass wir Satiriker ein Luxusproblem haben. Man weiß ja gar nicht mehr, wo man anfangen soll. Es ist ein Wahnsinn, wir könnten inzwischen jeden Tag eine heute-show machen. Im Januar haben wir wieder ein Special. Da hatten wir eigentlich relativ seichte Themen im Auge. Aber dann kam der Ampelbruch und damit hatten wir eine völlig neue Lage. Jetzt ist es knifflig, weil wir sehen müssen, was noch bis Ende Januar passiert.
Und was waren Ihre persönlichen Höhepunkte?
van der Horst: Ich war ja noch nie so oft mit einem heute-show-Ausschnitt in den Medien wie diesmal mit Friedrich Merz. (Anm. d. Red: Beim Versuch, den CDU-Parteichef zu interviewen, scheitert van der Horst zuerst an den Bodyguards und schließlich an Merz‘ Frau Charlotte) Es hat mich überrascht, wie prominent das Thema gespielt wurde. Als es zu dem Vorfall gekommen ist, habe ich nämlich erst gar nicht realisiert, dass das Charlotte Merz war und bin ziemlich erschrocken. Erst als wir das Material sichteten, wurde klar, was wir da haben, ist ja pures Gold. Vielen Dank an dieser Stelle nochmals an Frau Merz!
Welche Noten bekommen Merz, Habeck und Scholz oder auch Annalena Baerbock aus satirischer Sicht?
van der Horst: Alle bekommen eine Zehn von Zehn. Ich bin sehr zufrieden mit all ihren Vorlagen. Wenn ich es mir aber aussuchen dürfte, würde ich aber sagen, lieber wieder etwas mehr Ruhe in der Welt als gute Themen für uns.
Wer hat aus der politischen Klasse nicht performt?
van der Horst: Das kann ich gar nicht sagen. Denn seit diesem Jahrzehnt bekommt man ja gefühlt jeden Tag eine neue Horrornachricht und alles geht schief. Ich persönlich möchte einfach mal wieder aufstehen und im Radio eine gute Nachricht hören. Ich kann mich nicht erinnern, wann das das letzte Mal der Fall war.
Würde Sie die Botschaft „Friedrich Merz ist neuer Bundeskanzler“ pushen?
van der Horst (lacht): Nein, wirklich nicht! Ich fände es tausendmal schöner, wenn die aktuellen Kriege beendet würden. Und ich bin jetzt mal optimistisch und werfe die Prognose in die Welt: Ab 1. Januar wird alles schlagartig besser!
Ihr Wort in Gottes Ohr. Aber sie sagen es ja, Kriege bestimmen aktuell das Weltgeschehen, haben die auch eine komische Seite oder sind die für Satiriker tabu?
van der Horst: Der Krieg selbst ist für Satire nicht geeignet, weil er schrecklich ist und Menschen dabei sterben. Man muss versuchen, ihn anders anzupacken, beispielsweise über die Perspektive, wie Politiker mit dem Krieg umgehen. Trotzdem ist Krieg immer ein schwieriges Thema, und zu guter Satire gehört auch ausreichend Sensibilität, dass man spürt, was man machen kann und was geschmacklos ist. Andererseits sollte man den Krieg schon satirisch beleuchten, denn Humor hilft dabei, so ein schweres Thema zu verarbeiten.
Hat sich Satire in den letzten Jahren verändert?
van der Horst: Auf jeden Fall ist Satire wichtiger geworden. Als ich vor 15 Jahren bei der heute-show angefangen habe, wussten wir oft gar nicht, was wir drehen sollten, weil so wenig passierte. Das kann man heute nicht mehr behaupten. Die Themen liegen auf der Straße. An den Quoten sieht man, dass die Leute auch das Bedürfnis haben, Satire zu schauen.
Zu Ihnen privat. Welches Gefühl ist es, den Familiennamen zu tragen, der dem früheren Bayerischen Ministerpräsident als Vorname dient?
van der Horst (lacht): Das erfüllt mich natürlich mit Stolz. Und das ist jetzt Satire! Es ist ja interessant, dass Horst bei mir zuhause ein Schimpfwort ist.
Wurden Sie schon einmal als „Vollhorst“ beschimpft?
van der Horst: Ja, das höre ich häufiger. Denn es gibt zu meinen Beiträgen ja auch negative Kommentare und da bietet sich diese Beleidigung geradezu an. Interessanterweise ist auch Lutz ein Schimpfwort. Insofern habe ich das gut getroffen. An dieser Stelle: Vielen Dank an meine Eltern!
Sie arbeiteten am Beginn Ihrer Karriere beim Radio und dann als Texter fürs Fernsehen. Wollten Sie schon immer auch vor die Kamera?
van der Horst: Ja, das war ein Trick, um es vor die Kamera zu schaffen. Ich konnte doch nicht einfach zum ZDF gehen und sagen: Hallo, ich bin der Lutz: Gebt mir eine Show! Da ich nicht über Vitamin B verfügte, bot sich an, sich von unten nach oben zu arbeiten. Da war Radio genau richtig. Dann kam Fernsehen – und da gelang es mir, mich vor die Kamera zu mogeln.
Im Dezember 2001 war es so weit. In der ProSieben-Show TV total traten sie in einem rosa Hasenkostüm als „Blasehase“ auf. Ist Ihnen das heute peinlich?
van der Horst: Mir war das nie peinlich, meiner Mutter schon. Denn mir war klar, dass ich klein anfangen musste. Und solange ich etwas selbst lustig fand, war es auch in Ordnung für mich, auch wenn es vielleicht peinlich ist. Zumal ich das Gefühl mag, wenn sich der Zuschauer zuhause etwas fremdschämt.
Seit Ende 2009 sind Sie als satirischer Außenreporter, gerne auch mit Fabian Köster, im Auftrag der heute-show im ZDF unterwegs, für die Sie auch als Autor arbeiten. Warum funktionieren Sie als Doppel so gut?
van der Horst: Das ist eine interessante Frage, weil ich ja 20 Jahre älter bin. Es hat aber von Anfang an gut funktioniert und wir treffen uns wohl in der Mitte. Das mag daran liegen, dass Fabian wahnsinnig erwachsen ist und ich sehr kindlich. Und wir haben den gleichen Sinn für Humor.
Wie darf man Ihre tägliche Arbeit vorstellen? Sie sitzen in einem Café und kringeln sich über abgefahrene Ideen?
van der Horst: Das Schwierige an den Job ist, dass es keinen typischen Alltag gibt. Das hat den Vorteil, dass es spannend ist, allerdings hat man keinen routinierten Tagesablauf. Das kann auch schlauchen. Durch meine vielen Einspieler bin ich in vielen deutschen Städten unterwegs und kenne fast jede Kleinstadt. Aber typisch ist nichts.
Können Sie sich einen Nine-to-Five-Job vorstellen?
van der Horst: Nicht mehr. Ich habe das früher zwar schon genossen, weil ich auch gerne im Team arbeite. Aber wie bei einem Tier, das lange Auslauf hatte, dürfte es schwer sein, mich wieder in einen Käfig zu sperren.
Zusammen mit Ilka Bessin bringen Sie den Podcast „Uns fragt ja keiner!“ raus. Darin tauschen Sie sich jede Woche über Ihre Erlebnisse aus und beantworten Fragen, die anderen Prominenten bereits gestellt worden sind, Ihnen aber eben noch nicht. Aber Podcast macht ja heute fast jeder. Warum sollte man sich gerade Ihren anhören? Sie haben also jetzt die Möglichkeit, kurz Werbung zu machen!
van der Horst (lacht): Ich merk schon, das ist der Werbeblock! Im Ernst, der Podcast ist ein gutes Gegengewicht zu meinen sonstigen Themen. Da reden wir über die leichten Dinge des Lebens. Das tut gut, denn man kann sich ja nicht nur 24 Stunden mit all dem anderen Getöse zudröhnen. Denn dann würde man durchdrehen. Da hilft dieser Podcast. Offenbar nicht nur uns, sondern auch den Hörerinnen und Hörern. Wir bekommen wahnsinnig viel Post von Fans, die sich für die kleine Auszeit vom Alltag bedanken.
Sie haben Germanistik und Anglistik studiert. Wird man da an der Uni professionell auf eine satirische Karriere vorbereitet?
van der Horst (lacht)t: Interessanterweise wurde ich weder auf der Uni noch sonst wo auf meine heutige Tätigkeit vorbereitet. Es gab nie den Moment, an dem jemand gesagt hätte: ,Komm, ich bring´ dir mal was bei.‘ Ich habe früh angefangen, wie wild Videos zu drehen. Das habe ich mir selbst beigebracht. Und Humor kann man wohl auch nicht erlernen. Denn nur Handwerk würde nicht ausreichen. Das befriedigt mich auch ein wenig, denn ich habe schon ab und zu die KI befragt, sie soll mir ein paar Witze schreiben.
Und?
van der Horst: Die waren superscheiße!
Das macht Hoffnung! Eine Frage habe ich noch: Sie sind im Rahmen eines Sendungsbeitrags vor Jahren mal Sozialdemokrat geworden. Dann, wie es heißt, seien Sie aber wieder ausgetreten. Warum eigentlich?
van der Horst: Weil ich glaube, dass man als Satiriker den Eindruck erwecken soll, einigermaßen objektiv zu sein. Außerdem war mir der Mitgliedsbeitrag von fünf Euro pro Monat einfach zu teuer (er lacht).
Gehören Sie aktuell einer Partei an?
van der Horst: Nein. Das wäre ein falsches Signal!
Zur Person: Lutz van der Horst, 49, wurde als Außenreporter der ZDF-„Heute Show“ bekannt. Mit Fabian Köster präsentiert er am 28. Dezember um 23.25 Uhr im ZDF die stärksten Satire-Reportagen des Jahres.
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