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Hate Speech: So gehen Betroffene gegen Hass im Internet vor

Hate Speech

So gehen Betroffene gegen Hass im Internet vor

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    Anzeigen und melden: Das sind die richtigen Antworten auf Hass und Hetze im Netz.
    Anzeigen und melden: Das sind die richtigen Antworten auf Hass und Hetze im Netz. Foto: Fabian Sommer, dpa (Symbolbild)

    Das Internet kann ein grausamer Ort sein. Immer mehr Menschen sind dort üblen Beleidigungen, Diskriminierung und Bedrohung ausgesetzt oder beobachten, wie andere Nutzerinnen und Nutzer Opfer von digitaler Gewalt werden. Wir geben einen Überblick darüber, was Hassrede ist, wie Betroffene dagegen vorgehen und wie Außenstehende helfen können.

    Was ist "Hate Speech" und wer ist davon betroffen?

    "Hate Speech ist gezielter Hass im Internet", sagt Tajana Graovac, Projektleiterin der Organisation No Hate Speech Movement in Berlin, einer Initiative, die sich intensiv mit dem Thema Hassrede auseinandersetzt. Diese Form der digitalen Gewalt beinhaltet jegliche Form von Abwertung, seien es nun verachtende Kommentare, beleidigende Nachrichten oder bloßstellende Bilder.

    "Hate Speech kann jeden Menschen treffen", sagt Graovac. Doch auffallend ist, dass vor allem Menschen, die öffentlich eine starke Meinung vertreten – zum Beispiel Aktivisten und Politikerinnen – sowie Minderheiten davon betroffen sind. "Opfer sind oft Gruppen, die auch in der analogen Welt aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Religion Diskriminierung erfahren", sagt Graovac.

    Was macht dieser gezielte Hass psychisch mit Betroffenen?

    Psychische Gewalterfahrungen lösen das Gleiche aus wie physische, sagt Claudia Otte von der Beratungsstelle HateAid in Berlin. "Betroffene haben Angst, fühlen sich machtlos und alleingelassen." Das kann unter anderem zu schwerwiegenden psychischen Erkrankungen führen. Und je länger sie diesen Hasskommentaren und Beleidigungen ausgesetzt sind, desto schlimmer.

    Was ist überhaupt erlaubt im Netz?

    "Online gilt das Gleiche wie offline", sagt Graovac. Volksverhetzung ist strafbar, also ist das auch im Internet verboten. Ungefragt Bilder von anderen zu verwenden, ist ein Verstoß gegen das Urheberrecht – analog wie digital. Genau das Gleiche gilt für Verleumdung, Beleidigung und Bedrohung. "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum", sagt Graovac.

    Was können Betroffene gegen Hassrede im Internet tun?

    Wichtig ist, sich nicht zu einer schnellen Gegenreaktion und einer gemeinen Antwort hinreißen zu lassen, empfiehlt Otte. "Erst einmal durchatmen und mit vertrauten Personen darüber sprechen."

    Grundsätzlich gilt: Lieber einmal zu viel anzeigen als einmal zu wenig, sagt Graovac. Und damit man beleidigende Nachrichten zur Anzeige bringen kann, braucht es Beweise. "Nur ein Screenshot von dem Kommentar oder der Nachricht bringt meist nichts." Auch alles, was zuvor und danach gepostet oder kommentiert wurde, sollte gespeichert werden, damit Ermittler das Geschriebene in einen Kontext setzen können. Auch Screenshots vom Profil und die URL zum Account des Verfassers oder der Verfasserin sind wichtig. Sie können dabei helfen, den Täter oder die Täterin zu identifizieren.

    Zudem gibt es die Möglichkeit, Kommentare beim Plattformbetreiber zu melden. Diese sind dann verpflichtet, rechtswidrige Posts innerhalb der nächsten 24 Stunden zu löschen. "Auch wenn das unserer Erfahrung nach nicht immer zuverlässig klappt", sagt Otte. Es empfiehlt sich, zuerst eine Anzeige zu erstatten und den Beitrag danach zu melden, sagt Graovac. So bleibt der Post als Beweismittel bestehen.

    Passiv zu bleiben ist laut der Projektleiterin keine gute Idee. Anzeigen sensibilisieren die Polizei und die Justiz. "Je mehr Menschen solche Fälle anzeigen, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt das Thema." Auch den Account zu löschen und sich zurückzuziehen, findet Graovac nicht sinnvoll. "Damit erreichen die Hater das, was sie wollen."

    Wie können Außenstehende helfen?

    Wenn sie sehen, dass jemand im Netz vorgeführt und verleumdet wird, können Außenstehende gezielt Gegenrede betreiben und die Betroffenen verteidigen, sagt Otte. Mit sachlichen Argumenten ist es möglich, die Emotionalität aus dem sogenannten Shitstorm zu bringen und die sogenannten Hater vielleicht zum Verstummen zu bringen. Wer das nicht möchte, kann der betroffenen Person eine Privatnachricht schreiben und sie dadurch unterstützen.

    Welche Menschen verbreiten Hass im Internet und aus welchen Gründen?

    "Die Gründe können ganz unterschiedlich sein", sagt Graovac. Es gibt Menschen, die einfach Unruhe stiften wollen, sogenannte Trolle. Dann gibt es Fälle von Shitstorms, in denen die Betroffenen nur die Projektionsfläche der Frustration des Haters sind, sagt Otte. Hinzu kommen diejenigen, die politisch motiviert handeln und andere Meinungen stumm schalten wollen.

    Im Internet sind die Täter enthemmt, weil sie häufig anonym sind und keinem anderen Menschen gegenübersitzen, sagt die Beraterin. "Dadurch wird der Bereich im Gehirn, der für Empathie und Einfühlungsvermögen zuständig ist, nicht angeregt." Sonst gibt es aber keine Daten dazu, wer ein typischer Hater ist. Es sind sowohl Männer als auch Frauen, aus allen Altersgruppen und allen Bildungsschichten.

    Wie viele Anzeigen von Hassrede im Netz führen zu einem Urteil?

    Dazu gibt es keine genauen Zahlen, sagt Graovac. Erst seit 2017 wird Hass im Netz in der Kriminalstatistik der Polizei erfasst. Ihrer Meinung nach müsste es Strukturen geben, die die Anzeige von Shitstorms einfacher machen. "An Gesetzen mangelt es nicht", sagt die Projektleiterin. "Die Personaldecke ist zu dünn." Es bräuchte geschultes Personal bei Polizei und Justiz, die das Problem von Hetze im Netz ernster nehmen. In diesen Branchen gebe es noch immer Menschen, die das Internet als Randphänomen abtun. "Das darf nicht sein." Denn das Internet ist längst fester Bestandteil unseres Alltags.

    Wie kann man Hate Speech vorbeugen?

    Auf Aktivitäten im Netz zu verzichten, ist laut Graovac keine Option. Wichtig sei aber, sich weniger angreifbar zu machen, sagt Betroffenenberaterin Otte. "User müssen sich immer bewusst sein, was sie von sich preisgeben."

    Laut Otte ist es sinnvoll, sich selbst regelmäßig zu googeln und zu schauen, ob sensible Inhalte wie die Adresse oder die Telefonnummer auftauchen, um rechtzeitig dagegen vorgehen zu können. In sogenannten Sozialen Netzwerken sollten Nutzer sparsam mit Standorten und der Angabe ihres Arbeitgebers sein. Denn diese lassen Rückschlüsse auf den Wohnort zu. Zusätzlich sollte die IT-Sicherheit immer auf dem neuesten Stand sein, mit sicheren Passwörtern und aktuellem Software-Update. So ist auch die Gefahr kleiner, dass sich Hacker am Account zu schaffen machen.

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