Herr Schmidt, in der Serie „Tschappel“, die nächstes Jahr bei ZDFneo zu sehen ist, haben Sie einen Gastauftritt als schwäbischer Dorfarzt. Wie haben Sie die Rolle angelegt?
HARALD SCHMIDT: Es beginnt mit einer sehr subtilen Szene, was anderes hätte ich künstlerisch abgelehnt. Ich begutachte die Hoden eines verunfallten jungen Mannes, und mein erster Satz ist: „Kühlen, kühlen, kühlen!“ Dann gibt es Entwarnung von meiner Seite, die Hoden sind voll funktionsfähig, und ich sage: „Viel Spaß damit.“
Das steht auch so im Drehbuch?
SCHMIDT: Aber natürlich, das Grauenhafteste ist es doch, wenn Schauspieler am Drehort anfangen über den Text zu diskutieren, wenn sie zum Regisseur sagen: „Das sagt meine Figur doch nicht, das find ich blöd.“ Die allerdümmsten Schauspieler wollen am Drehort den Text so ändern, dass sie sympathischer wirken. Dieses Mitgequatsche am Drehbuch ist eine Unsitte. Da bin ich ein totaler Verteidiger der Autoren.
Halten sich echte Profis eher ans Drehbuch als unbekannte Schauspieler?
SCHMIDT: Absolut. Und was mich betrifft gilt: Ich bin ja faul. Jedes Diskutieren am Set kostet ja wertvolle Zeit, in der ich schon ein Bier in der Kneipe nebenan trinken könnte. Ich halte mich da ganz an den großen Robert Mitchum, der gesagt hat: „Schauspielern heißt, lern deinen Text, stoß nicht an die Möbel und mach den Kollegen keinen Schatten.“ So einfach ist das. Und wenn mir der Regisseur sagt: „Stell dich mit dem Gesicht zur Wand und sage nichts“, dann mach ich das.
Schauen die jungen Kollegen und Kolleginnen zu Ihnen auf?
SCHMIDT: Nö, die kennen mich gar nicht, das ist ja das Tolle. Die kommen rein, dann hängt erst mal einer den Mantel auf mir ab, der nächste schiebt mich einfach weg. Aber wenn man so lange dabei ist wie ich, hat man eben schon alles erlebt.
Wie halten Sie sich fit?
SCHMIDT: Kein Sport, deshalb habe ich noch die eigenen Gelenke. Dazu gibt es sechs bis acht Tassen Kaffee pro Tag, dreimal Fleisch die Woche und nahezu jeden Abend Alkohol. Ich trinke so ein halbes Fläschchen Wein pro Abend, also neuesten medizinischen Erkenntnissen zufolge schon eine klinisch bedenkliche Menge. Das muss erwähnt werden, sonst heißt es: Harald Schmidt treibt Menschen in den Tod. Nach aktuellem Wissensstand gilt ja: Täglich Alkohol geht gar nicht.
Haben Sie eigentlich das Comeback von Stefan Raab verfolgt?
SCHMIDT: Nein, weil ich zu der Zeit mit meinem Kollegen und Freund Bernd Gnann praktisch jeden Abend auf irgendeiner Bühne stand und das Fernsehen eigentlich nur als Nachrichtenübermittler wahrgenommen habe – es gab für mich nur „heute-journal“ und „Tagesthemen“, mehr nicht.
Auch keinen „Tatort“?
SCHMIDT: Nein, denn das ist ja das Dümmste, was es gibt. Wenn im „Tatort“ ein Kindergarten überfallen wird und naive Familienmitglieder zittern schon, sage ich: „Macht euch keine Sorgen, im Ersten wird um 21.20 Uhr kein Kind mehr umgebracht.“ Es ist beim „Tatort“ alles so voraussehbar. Ich freu mich für die Kolleginnen und Kollegen, die da mitspielen, wobei ich mich, ehrlich gesagt, frage, wie man von einer „Tatort“-Gage leben kann.
Sie waren vor Jahren ja selber mal im Gespräch für eine Rolle beim „Tatort“ aus dem Schwarzwald.
SCHMIDT: Ich war sogar bei der Pressekonferenz, und da fiel mir plötzlich auf: Jetzt ist mein Spaß auch schon zu Ende. Meine Rolle als Polizeichef wäre gewesen, im Schwarzwald durchs nasse Laub zu schlurfen und irgendwo zu sagen: „Gibt’s schon Neues von der Spusi?“ Ich bin dann zurückgetreten, bevor ich überhaupt angefangen habe, aber ich glaube sowieso, ich hätte da nur gestört. Die sind ja sehr erfolgreich.
Und haben Sie nun eine Meinung zur Rückkehr von Stefan Raab?
SCHMIDT: Nein, weil ich sonst nur den Algorithmus füttere. Wenn ich in einem Interview sage, der und der gefällt mir nicht, oder der und der ist gut, dann haut das ja nur deren Präsenz bei Google nach vorne. Schluss damit, ich spreche überhaupt nicht mehr über Kollegen, sondern nur noch über mich.
Also gut: Können Sie sich denn vorstellen, wie der Kollege Raab mit einer Show ins Fernsehen zurückzukehren?
SCHMIDT: Nein, weil das Fernsehen für mich von wenigen Ausnahmen wie „Traumschiff“ oder „Tschappel“ abgesehen uninteressant geworden ist. Ich reise viel lieber, als in irgendwelchen Studiokulissen rumzustehen.
Zur Person
Harald Schmidt, 1957 in Neu-Ulm geboren, wurde mit der nach ihm benannten Late-Night-Show berühmt, die von 1995 bis 2014 bei verschiedenen Sendern lief. Der wegen seines sarkastischen Humors „Dirty Harry“ genannte Entertainer ist seitdem unter anderem im ZDF-„Traumschiff“ zu sehen. Die gerade unweit von Ravensburg abgedrehte achtteilige Comedyserie „Tschappel“ läuft nächstes Jahr auf ZDFneo. In ihr geht es um die Sorgen und Nöte Heranwachsender auf dem oberschwäbischen Land.
Traumschiff statt Tatort, besser kann Herr Schmidt sein künstlerisches Niveau nicht beschreiben.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden