In der Innenstadt von Hanau spielten sich am Mittwochmorgen dramatische Szenen ab. Zunächst wurde ein lebloser Junge gefunden. "Der Alarm ging bei uns um 7.23 Uhr ein", sagte ein Polizeisprecher zu t-online: "Der Junge lag in der Römerstraße in der Innenstadt, ganz in der Nähe vom Marktplatz, unter einem Hochhausbalkon." Zuvor hatte ein Fußgänger den Jungen entdeckt.
Hanau: Polizei finden Leiche von Mädchen in einem Hochaus
Als sich die Polizei auf die Suche nach Hinweisen machte, fand sie die Leiche eines Mädchens auf dem Balkon einer Wohnung. Sie lag im neunten Stock und ist die sieben Jahre alte Schwester des elf Jahre alten Jungen. Der schwer verletzte Junge starb im Krankenhaus. Die beiden Kinder lebten in der Wohnung, zu der der Balkon gehört, auf dem das Mädchen gefunden wurde.
Polizei geht von Verbrechen aus - und fahndet nach Vater
Die Polizei geht nun von Mord aus, Tatverdächtigter ist der Vater der toten Kinder, von dem bisher immer noch jede Spur fehlt. Wo sich die Mutter der Kinder zum Tatzeitpunkt aufhielt, teilte die Polizei nicht mit. Die Mordkommission war vor Ort, auch die Tatortgruppe des Landeskriminalamtes wurde hinzugezogen. Einige Polizisten suchten in Gebüschen rund um das Hochhaus nach Hinweisen und Spuren. Ein eventuell wichtiges Detail fiel auch einer Nachbarin auf. Sie bemerkte, dass am Tag zuvor noch ein schwarzes Sicherungsnetz am Balkon gespannt war, das nun nur noch schlaff an der Brüstung hing. Auch eine Drohne wurde eingesetzt, um die Tat zu rekonstruieren.
Insgesamt verfügt das in die Jahre gekommene Wohnhaus in der Innenstadt über elf Stockwerke, es beherbergt auch eine Arztpraxis sowie ein Geschäft und ein Café. In der Nähe liegt der Marktplatz, auf dem mittwochs und samstags der Wochenmarkt stattfindet. Die Polizei bittet Passanten oder Anwohner, die etwas Ungewöhnliches um den Tatort herum beobachtet haben, um Hinweise; auch auf den Tatverdächtigen.
Hanauer Jugendamt wusste von Problemen in der Familie
Schon Monate vor der Tat lagen dem Hanauer Jugendamt Hinweise auf familiäre Probleme vor, wie die Stadt am Donnerstag mitteilte. Demnach war die Familie zum Jahreswechsel 2021/22 nach Hanau zugezogen. Mitte Januar seien die Probleme dem Jugendamt dann bekannt geworden. Sofort nach dieser Information sei das Jugendamt auf die Familie zugegangen und habe Angebote unterbreitet, darunter die sozialpädagogische Familienhilfe. Dabei habe es sich insbesondere um Unterstützung bei Behördengängen und im Familienalltag gehandelt. "Das Angebot wurde durch die Familie angenommen", erklärte die Stadt.
Neben einem beauftragten Fachträger habe auch der Kommunale Soziale Dienst (KSD) in Kontakt mit allen Familienmitgliedern gestanden. "Bei diesen Kontakten waren keine Hinweise auf Gewalt erkennbar", erklärte die Stadt. Anfang dieser Woche habe der KSD dann vom beauftragten Träger die Rückmeldung erhalten, "dass sich das familiäre Verhältnis wohl verschlechtert habe". Im KSD sei deshalb entschieden worden, erneut das Gespräch zu suchen und einzugreifen.
Hanau: Bürgermeister Kaminsky und Ministerpräsident Wüst bestürzt
Auch Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) meldete sich bei der Zeitung bereits zu Wort: "Wir sind erschüttert. Es ist ein Schock, der wieder durch die Stadt geht. Wir müssen die weiteren Ermittlungen der Polizei jetzt abwarten. Leider spricht viel für ein Familiendrama. Ich kannte die Familie nicht persönlich, aber was wir wissen ist, dass sie schon seit einigen Monaten sozialpädagogische Unterstützung bekommen hat."
In der 100.000-Einwohner-Stadt im Rhein-Main-Gebiet hatte am 19. Februar 2020 ein 43-Jähriger in einem Terrorakt neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Die Tat gilt seither als Mahnung für rechte Gewalt, sie ereignete sich nicht weit von dem Hochhaus entfernt.