Es ist ein Klischee mit einem wahren Kern: Britinnen und Briten lieben Rituale und Symbole, ob es der Prunk und Pomp des Königshauses ist oder altertümlich wirkende Zeremonien im Parlament. Vieles wird auf der Insel Jahr für Jahr aufs Neue zelebriert. Ein Festtag, der tief im kollektiven Gedächtnis verankert ist, ist die sogenannte Bonfire-Nacht ("Feuerwerknacht") am 5. November.
An diesem Tag des Jahres 1605 wollte der damals 36-jährige Katholik Guy Fawkes gemeinsam mit einer Gruppe Komplizen das Parlamentsgebäude in London mit insgesamt 36 Fässern Schwarzpulver in die Luft sprengen – und so James I. töten. Durch einen mysteriösen Brief gewarnt, konnte der Anschlag auf den König vereitelt werden. Und es entstand ein Festtag mit Fackelumzügen und Feuerwerken.
Sogar der Tower of London wurde bereits mit Spinnweben und Skeletten geschmückt
Nun also wird wieder der bekannte Kinderspruch "Vergesst den 5. November nicht. Schießpulver, Verrat und Verschwörung" in England zu hören sein. Menschen werden wieder mit einer ausgestopften Guy-Fawkes-Puppe durch die Straßen ziehen, bevor diese symbolisch auf einem Scheiterhaufen landet. In Gedenken an die damaligen Ereignisse untersucht die königliche Leibwache vor der jährlichen Parlamentseröffnung durch den regierenden Monarchen auch heutzutage noch das Kellergewölbe nach Schießpulver.
Getrübt wird die Vorfreude englischer Traditionalisten an der bevorstehenden Bonfire-Nacht allerdings durch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen und Sparmaßnahmen der Gemeinden hinsichtlich der Feuerwerke. Doch ihnen missfällt noch etwas anderes: Die Bonfire-Nacht wird immer mehr von einem anderen Fest in den Schatten gestellt. Die Rede ist von Halloween, das auf der Insel zunehmend populär wird. In der Hauptstadt London etwa blicken zu Halloween aus Schaufenstern Hexen auf Passanten, und auch der Tower of London wurde bereits mit Spinnweben und Skeletten geschmückt.
Während Halloween vor allem in Irland seinen Ursprung hat und dort gefeiert wird, war das in England lange Zeit anders. In seiner modernen Form – mit den geschnitzten Kürbissen und dem Trick-or-Treat ("Süßes oder Saures") genannten Sammeln von Süßigkeiten an Haustüren – ist Halloween insbesondere in den Augen der älteren Generation ein Beispiel für eine wachsende Amerikanisierung. Jüngere dagegen wollen das Fest feiern, ganz gleich wie authentisch britisch es ist oder nicht.
Jeder Londoner gibt in diesem Jahr umgerechnet rund 57 Euro für das Halloween-Fest aus
Bei aller Kritik: Wirtschaftlich gesehen lohnt sich das Gruselfest. Denn während die Verbraucher auf der Insel angesichts der Lebenshaltungskosten-Krise und steigender Preise ihre Weihnachtsausgaben dieses Jahr reduzieren wollen, planen die nach 1980 geborenen Briten mehr Geld für Halloween ein.
Studien legen nahe, dass die Ausgaben für das Fest 2023 erstmals die Marke von einer Milliarde Pfund (umgerechnet rund 1,2 Milliarden Euro) überschreiten könnten – mehr als jemals zuvor. Zum Vergleich: 2013 gaben erwachsene Briten insgesamt rund 230 Millionen Pfund (umgerechnet 260 Millionen Euro) für Kostüme, Süßigkeiten, Filme, Kürbisse, Beleuchtung und andere Dekorationsartikel aus. Londonerinnen und Londoner möchten Erhebungen zufolge in diesem Jahr sogar durchschnittlich umgerechnet rund 57 Euro in das Halloween-Fest und was dazu gehört investieren – und damit mehr als alle anderen Briten.