Der Anblick lässt auch die Polizisten, die von Urlaubern alarmiert wurden, schaudern. Von dem Menschenkörper, der an diesem Märzmorgen an Mallorcas berühmter Playa de Palma angespült wurde, ist nur noch ein Skelett mit ein paar Hautresten übrig. Ein Zeichen, dass die Wasserleiche schon Wochen im Meer trieb.
Nahezu jede Woche machen Touristen einen schrecklichen Fund auf Mallorca
Mit weiß-blauen Absperrbändern werden Neugierige auf Abstand gehalten. Kripobeamte und ein Gerichtsmediziner sind eingetroffen und begutachten die sterblichen Überreste, die im Sand liegen. Dann wird die Leiche in einem schwarzen Sack abtransportiert. Sie soll im gerichtsmedizinischen Institut in Palma genauer untersucht werden.
Erste Ermittlungen deuten darauf hin, dass es sich um einen afrikanischen Migranten handelt, der zusammen mit anderen versucht hatte, mit einem Boot europäisches Territorium zu erreichen. Nach Polizeiangaben ist es bereits der 15. Tote, der seit Januar auf Mallorca und den benachbarten Ferieninseln Ibiza, Formentera und Menorca angeschwemmt wurde. Nahezu jede Woche machen Touristen derzeit einen Gruselfund an den Küsten des Urlaubsparadieses. Manchmal sind es sogar nur verweste Leichenteile, die entdeckt werden. So fanden Spaziergänger am Strand Can Pastilla, der sich ebenfalls in der Bucht der Inselhauptstadt Palma befindet, Reste eines menschlichen Beins. Zuvor war nicht weit entfernt ein Körper geborgen worden, dem Gliedmaßen fehlten.
In den Osterferien werden auf Mallorca über eine Million Urlauber erwartet
Die Polizei befürchtet, dass dies nicht die letzten makabren Funde sein werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch in den kommenden Wochen, in der Zeit der Osterferien, weitere Tote an den Stränden auftauchen werden. Im April werden mehr als eine Million Urlauber auf Mallorca und den Nachbarinseln erwartet – nahezu die Hälfte aus dem deutschsprachigen Raum.
Inzwischen bestätigte ein Sprecher der Sicherheitsbehörden, „dass die 15 Toten mit dem Kentern von Flüchtlingsbooten in Verbindung stehen könnten”. Das sei ein Spiegelbild der humanitären Migrationstragödie, die sich vor der Küste der Inseln abspiele, sagt Alfonso Rodríguez, Repräsentant der spanischen Regierung auf den Inseln. „Es handelt sich um Menschen, die vor einer verzweifelten Lage fliehen und auf der Suche nach einer besseren Zukunft ihr Leben aufs Spiel setzen.”
Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Mallorca kommen, steigt
Seit vergangenem Jahr steigt die Zahl der Migranten und Flüchtlinge, die von Afrikas Küste aus versuchen, mit wackeligen Booten Mallorca und die Nachbarinseln zu erreichen. Im vergangenen Jahr kamen dort insgesamt 350 Boote mit nahezu 6000 Menschen an. Das waren mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. In den stürmischen und wellenreichen Wintermonaten Januar, Februar und März des laufenden Jahres kamen bereits annähernd 1000 Migranten auf den Inseln an. Die Baleareninseln sind inzwischen nach den Kanaren Spaniens zweitgrößter Migrationsbrennpunkt.
Mit der Zahl der in Algerien ablegenden Boote wächst auf dem etwa 300 Kilometer langen Seeweg nach Mallorca die Zahl der tödlichen Tragödien. Im vergangenen Jahr sollen unbestätigten Berichten zufolge Hunderte von Migranten vor den Ferieninseln ertrunken sein. Auch in 2025 werden schon wieder mehrere Boote, die Kurs auf Mallorca genommen hatten, vermisst – sie versanken vermutlich mitsamt ihren Insassen im Meer.
Früher wurde die Route Richtung Mallorca vor allem von Migranten aus Algerien genutzt. Doch inzwischen kommen immer mehr Menschen aus den Armuts- und Krisenländern unterhalb der Sahara auf den Balearen an. Doch auch, wenn der Migrationsdruck auf Mallorca steigt: Die europäische Grenzschutzagentur Frontex weist darauf hin, dass die Gesamtzahl der Migranten und Flüchtlinge, die übers Mittelmeer nach Südeuropa kommen, sinkt. Im Jahr 2024 registrierte Frontex bereits einen Rückgang von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In 2025 setzt sich laut Frontex diese positive Abwärtstendenz an Europas Südgrenzen fort. Dies sei, heißt es, eine Folge der besseren Zusammenarbeit mit den afrikanischen Transit- und Herkunftsländern.
In Mallorca gibt es kein größeres Aufnahmelager
Eine andere Sache ist, dass die Menschenhändler mit den Sicherheitsbehörden ein Katz- und Maus-Spiel betreibem, immer neue Schlupflöcher entdeckt und die Fluchtrouten übers Meer entsprechend ändert. Derzeit sind die Schlepper auf der Route nach Mallorca besonders aktiv. Möglicherweise auch deswegen, weil es auf Mallorca keine größeren Aufnahmelager gibt: Die meisten Ankommenden bekommen nach der behördlichen Registrierung etwas Geld in die Hand gedrückt und dürfen ungehindert mit der Fähre aufs europäische Festland reisen.
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