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Großbritannien: Tabu gebrochen? Prinz Charles spricht über Krieg in der Ukraine

Großbritannien

Tabu gebrochen? Prinz Charles spricht über Krieg in der Ukraine

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    Prinz Charles – Queen-Sohn und Thronfolger – kürzlich während eines Empfangs.
    Prinz Charles – Queen-Sohn und Thronfolger – kürzlich während eines Empfangs. Foto: Wilson, dpa (Archiv)

    Als sich Prinz Charles an diesem wolkenverhangenen Dienstag zum Weltgeschehen äußert, tut er das nicht in der Hauptstadt London, sondern in Southend-on-Sea, einem beschaulichen Küstenstädtchen im Osten Englands. Der Ort erlangte traurige Berühmtheit, weil dort der konservative Abgeordnete David Amess im vergangenen Oktober während einer Bürgersprechstunde ermordet wurde.

    In dieser Woche jedoch gibt es etwas zu feiern: Southend erhält das Stadtrecht. Ein bedeutendes Ereignis, wenn auch nicht für ganz Großbritannien. Für Aufsehen im Rest des Landes und darüber hinaus sorgt Thronfolger Charles dennoch. Denn in seiner feierlichen Rede zieht er Parallelen zwischen dem Verbrechen, das sich in der Küstenstadt ereignete, und den Geschehnissen in der Ukraine. Dort herrscht Krieg, seit der russische Präsident Wladimir Putin seine Truppen einmarschieren ließ.

    In Großbritannien wird debattiert: Dürfen sich Royals zum politischen Zeitgeschehen äußern?

    Prinz Charles jedenfalls spricht in beiden Fällen von „Angriffen auf die Demokratie, auf eine offene Gesellschaft, auf die Freiheit selbst“. Der 73-Jährige hat damit eine Debatte befeuert, die er schon vor Jahren lostrat – indem er unter anderem Briefe an den früheren Premierminister Tony Blair schrieb. In ihnen beklagte er sich über die Ausrüstung der Armee im Irakkrieg. Die Debatte lautet: Dürfen sich Royals auf diese Weise, so deutlich und konkret, zum politischen Zeitgeschehen äußern oder nicht?

    Eigentlich sollen sich Monarchen nicht in die Politik einmischen. So heißt es auf der Homepage des Buckingham-Palastes zur Rolle der Königin in der Regierung: Als Staatsoberhaupt müsse sie sich „in politischen Angelegenheiten strikt neutral verhalten“. Stattdessen fülle sie „wichtige zeremonielle und formelle Rollen in Bezug auf die Regierung des Vereinigten Königreichs“ aus. In anderen Worten: Die Queen ist ausschließlich zum Repräsentieren da – mehr nicht. Und das gilt, einer jahrhundertelangen Tradition folgend, nicht nur für Elizabeth II., sondern auch für den Rest der königlichen Familie, Prinz Charles natürlich eingeschlossen.

    Vor diesem Hintergrund ergibt es sogar Sinn, dass die Royals dazu aufgerufen werden, nicht zu wählen. Ein Umstand, über den sich Charles-Sohn Harry, der heute nach familiären Streitigkeiten nicht mehr als Royal bezeichnet werden möchte, vor Jahren beklagte.

    Harry und Meghan stehen hinter den Menschen in der Ukraine.
    Harry und Meghan stehen hinter den Menschen in der Ukraine. Foto: Seth Wenig, AP/dpa

    All das bedeutet gleichwohl nicht, dass die königliche Familie keinen Einfluss nehmen könnte. Bereits im Jahr 1867 argumentierte der britische Gelehrte Walter Bagehot, dass der Monarch Möglichkeiten habe, die wichtiger seien als zu wählen. Er habe „das Recht, konsultiert zu werden, das Recht zu ermutigen, das Recht zu warnen“, schrieb er.

    Möglichkeiten, von denen die Queen seit nunmehr 70 Jahren Gebrauch machen kann, wenn sie beispielsweise jeden Mittwoch den jeweiligen Premierminister oder die Premierministerin zu einer Audienz empfängt. Und an denen sie auch in der vergangenen Woche festhielt, als sie mit Premier Boris Johnson telefonierte – trotz ihrer Covid-19-Infektion.

    Diskretion und politische Neutralität gelten als Erfolgsgeheimnis der 95-jährigen Queen

    Was in diesen Treffen besprochen wird, ist streng vertraulich. Somit bleibt die politische Neutralität, eine der wichtigsten Prioritäten der Queen, zumindest nach außen gewahrt. Diskretion und politische Neutralität gelten als Erfolgsgeheimnis der 95-Jährigen. Dass sie daran festgehalten hat, betonen Experten, ließ sie zu einer Stütze für die Demokratie in Zeiten der Krisen werden – etwas, das viele Britinnen und Briten an ihr und der Monarchie zu schätzen wissen.

    Königin Elizabeth II. bei einer virtuellen Audienz im Buckingham Palast.
    Königin Elizabeth II. bei einer virtuellen Audienz im Buckingham Palast. Foto: Victoria Jones, PA Wire/dpa

    Anders als die Queen nimmt es Prinz Charles mit der politischen Neutralität dagegen nicht ganz so genau. Der „rebellische Prinz“, wie ihn der Journalist und Biograf Tom Bower einmal beschrieben hat, missachtete in den vergangenen Jahren immer wieder die Regeln des königlichen Protokolls. Palast-Expertin und Historikerin Jenny Hocking sagte, dass es ihm vor allem dann schwerfalle, neutral zu bleiben, wenn ihm Themen am Herzen liegen. „Er greift eher ein“, stellte sie fest – und das könne zu Problemen für die Zukunft der Monarchie führen.

    Mit seinem Kommentar zur Lage in der Ukraine hat er sich Beobachterinnen und Beobachtern zufolge diesmal allerdings nicht zu weit vorgewagt. Entscheidend sei, dass das, was er gesagt habe, von allen politischen Parteien im Königreich unterstützt werde, schrieb die britische Tageszeitung Evening Standard. Somit könne seine Äußerung nicht als „parteiisch und verfassungswidrig angesehen werden“. Stattdessen sei sie „kraftvoll und ehrlich“ gewesen.

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