Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Grenfell Tower: Das war die Ursache für das Feuer in London

Feuerdrama in London

Bericht zum Grenfell Tower: Alle sind irgendwie schuld

    • |
    • |
    Der ausgebrannte Grenfell Tower steht in einem der reichsten Viertel Londons.
    Der ausgebrannte Grenfell Tower steht in einem der reichsten Viertel Londons. Foto: Tolga Akmen, dpa

    Mehr als sieben Jahre ist es her, dass sich der Grenfell Tower im Westen Londons in ein flammendes Inferno verwandelte. Familien saßen in ihren Wohnungen fest. Menschen sprangen vom Turm in die Tiefe. Es war der Anblick des brennenden Hochhauses, die Hilflosigkeit in dieser Nacht, die viele bis heute traumatisieren. 72 Menschen starben am 14. Juni 2017 in den Flammen oder an den Folgen des Brandes, darunter 18 Kinder. Vor allem die Bewohner der oberen Stockwerke hatten kaum eine Chance. Der Brand mitten in einem der reichsten Bezirke der britischen Hauptstadt, im Stadtbezirk Kensington und Chelsea, gilt als die verheerendste Katastrophe dieser Art seit dem Zweiten Weltkrieg. 

    Wie konnte das passieren? Eine Untersuchungskommission, die kurz nach der Katastrophe von der damaligen Premierministerin Theresa May einberufen worden war, hatte bereits 2019 die Fassadenverkleidung und unzureichende Brandschutzmaßnahmen als Ursachen ausgemacht. Am Mittwoch hat die Kommission nun ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Er bestätigt viele Vorwürfe der ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner von Grenfell und liest sich wie ein Katalog des kollektiven Versagens, bei dem Menschenleben bewusst aufs Spiel gesetzt wurden. 

    Mittlerweile wurden die verkohlten Mauern des Wohnturmes mit weißen Folien eingehüllt.
    Mittlerweile wurden die verkohlten Mauern des Wohnturmes mit weißen Folien eingehüllt. Foto: Lucy North, PA Wire/dpa

    „Die schlichte Wahrheit ist, dass alle Todesfälle hätten verhindert werden können“, sagte der Vorsitzende Martin Moore-Bick in London. Die Bewohner seien von jenen „im Stich gelassen“ worden, die für die Sicherheit des Gebäudes verantwortlich waren. Nicht alle seien in gleichem Maße verantwortlich, aber alle hätten auf die eine oder andere Weise dazu beigetragen, „in den meisten Fällen durch Inkompetenz, in einigen Fällen aber auch durch Unehrlichkeit und Habgier”. Die Regierung habe es versäumt, die Gefahren von brennbaren Materialien an Hochhausfassaden frühzeitig zu erkennen, obwohl es bereits seit dem Jahr 1991 Warnzeichen gegeben habe. Zudem sei die Bauindustrie nicht ausreichend reguliert worden. „So wurde der Keim für die Katastrophe gesät.“

    Moore-Bick sprach aber auch von der „systematischen Unehrlichkeit“ der beteiligten Unternehmen. Sie hätten Testverfahren manipuliert und versucht, den Käufern vorzugaukeln, die verbauten Materialien entsprächen den gesetzlichen Vorgaben. Die Verwaltung sei nicht in der Lage gewesen, die Menschen nach der Katastrophe zu versorgen, und der Londoner Feuerwehr habe es an „Management und Training“ gefehlt. Ihr werden schwere Fehler angelastet. Sie habe den Menschen viel zu lange dazu geraten, in dem brennenden Gebäude zu bleiben und auf Hilfe zu warten.

    Unsichere Verkleidung: Tausende Hochhäuser sind immer noch gefährdet

    Premierminister Keir Starmer entschuldigte sich im Namen der britischen Regierung. „So etwas hätte nie passieren dürfen“, sagte er im Parlament und versprach, dafür zu sorgen, dass sich „eine solche Tragödie nicht wiederholt“. Die Bewohner von Grenfell seien „ignoriert“ und in einer „Todesfalle“ zurückgelassen worden. Unternehmen, die in dem Bericht genannt werden, sollten keine öffentlichen Aufträge mehr erhalten und die Entfernung gefährlicher Gebäudeverkleidungen müsse beschleunigt werden. Zahlen der Regierung zeigen, dass es immer noch Tausende hoher Wohngebäude mit unsicheren Verkleidungen gibt. 

    Die betroffenen Familien, die den beteiligten Behörden, Organisationen und Unternehmen seit Langem kalkuliertes Versagen vorwerfen, fühlten sich durch den Bericht bestätigt. „Das System ist nicht kaputt, es wurde so gebaut”, sagte Natasha Elcock im Namen von Grenfell United, einer Gruppe von Überlebenden und Hinterbliebenen. Bei den in dem Bericht formulierten Empfehlungen handele es sich um grundlegende Sicherheitsprinzipien, die bereits vorhanden sein sollten. 

    Auch die Feuerwehrleute, die einst den Brand löschten, stehen in keinem guten Licht da.
    Auch die Feuerwehrleute, die einst den Brand löschten, stehen in keinem guten Licht da. Foto: Tolga Akmen, London News Pictures via ZUMA/dpa

    Laut der Kommission sei das unter der Tory-Regierung verabschiedete Gesetz zur Regelung des sozialen Wohnungsbaus ein „wichtiger und dringender Schritt” gewesen, es seien jedoch weitere Maßnahmen nötig. Sie empfiehlt unter anderem die Einrichtung einer Bauaufsichtsbehörde und die Einführung verbindlicher Brandschutzrichtlinien. Unternehmen, die Gebäude mit hohem Risiko errichten oder renovieren wollen, sollten ein Genehmigungsverfahren durchlaufen. 

    Am Schluss seiner Erklärung hatte der Ursachenforscher Moore-Bick jedoch vor allem ein Anliegen: Er betonte, dass es sich bei dem Unglück um eine „große persönliche Tragödie“ handelte. Dann verlas er die Namen aller 72 Opfer. Es dauerte fast fünf Minuten. Mittlerweile wurden die verkohlten Mauern des Wohnturmes mit weißen Folien eingehüllt. Hoch oben ist ein Plakat angebracht, darauf ist ein grünes Herz abgebildet, daneben steht auf Englisch: „Grenfell Tower. Für immer in unseren Herzen.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden