"Gottschalk Live": Richtig nett sieht es aus in Thomas Gottschalks' neuem Wohnzimmer. Ein weißer Flokati auf dem Studio-Boden, zwei schwere, braune Sessel darauf und neben Wandschmuck im Hippie-Stil ein Ché-Guevara-Porträt - in dieser Szenerie will Gottschalk mit weißen Wohlfühlpantoffeln von nun an in der ARD ein Millionenpublikum gewinnen. "35 Jahre haben Sie mich in ihr Wohnzimmer gelassen und nun lasse ich Sie in mein Wohnzimmer" - so begrüßte der 61-Jährige sein Publikum. Alles sehr sympathisch - wenn nicht die Werbung dramaturgisch so nervig angelegt worden wäre. Im Internet-Chat bekam Gottschalk nach der Show dafür gleich viel Kritik.
Die Werbung zerstört die Gemütlichkeit in Gottschalks Wohnzimmer
Der nach einer gefühlt halben Ewigkeit "Wetten, dass..?" vom ZDF zur ARD gewechselte Gottschalk hatte sich vor der Sendung nicht angemaßt, etwas Besonderes schaffen zu wollen. "Das Fernsehen werde ich nicht neu erfinden", schrieb er in der "Bild". Und er zeigte auch nach der Sendung ein gerüttelt Maß an Selbstkritik. "Aller Anfang ist schwer" - das schrieb er im Chatprotokoll auf die Frage eines Internetnutzers, wie er selbst die Sendung gefunden habe.
Die Verbindung von TV und Internet ist das innovativste Element der Sendung, die von nun an jeweils montags bis donnerstags ab 19.20 Uhr eine halbe Stunde in der ARD laufen wird. Denn während der Sendung können Zuschauer über soziale Medien wie Facebook und Co. Fragen stellen. Und nach der Sendung nimmt sich Gottschalk noch einmal eine halbe Stunde Zeit, um dort schriftlich Rede und Antwort zu stehen.
"Gottschalk Live" enttäuscht als Thommys Nachfolger-Sendung
Wie der Chat wohl ausgefallen wäre, wenn sich die ARD für eine Premiere ohne Werbung entschieden hätte? Wahrscheinlich wäre vor allem Gottschalks Witz gelobt worden. Die Krawatte, die Günther Jauch am Sonntagabend in seiner Talkshow getragen hatte, pries er etwa als "der Schlauch von Jauch" als Geschenk für seine Zuschauer an.
Und im Plauderton eines Nachbarschafts-Tratsches brachte er die Trennung von Heidi Klum und Seal auf den Tisch. "Ein paar Mal" sei er bei den beiden zu Besuch gewesen. "Der Seal ist ein ausgesprochen netter Kerl. Heidi hat unheimlich viel Energie", so der Bericht von "Nachbar" Thomas. Doch dass es scheitern wird, sei unvermeidlich gewesen. "Wenn in einer Familie zwei Menschen Showkarriere machen wollen, kann das nicht gut gehen."
"Gottschalk Live" hat "Wetten, dass..?" im Nacken
Ohne böse zu sein, plauderte sich Gottschalk so die erste Viertelstunde durch seine Sendung, stellte die Redaktion und seine Mitarbeiter vor. Und dann kam mit Bully Herbig ein Studiogast, mit dem sich auch ein nettes Gespräch entspann. Natürlich diente der Besuch der Werbung für ein Projekt, in diesem Fall dem Kinofilm "Zettl". Aber so funktioniert das Geschäft nun mal.
Doch den guten Eindruck der allerersten Sendung zerstörte vollkommen die Anordnung der Werbung. Gut die erste Hälfte der Sendung war noch vollkommen werbefrei. Dann folgte ein erster Block im Herbig-Gespräch. Das war kaum wieder angelaufen, kam die nächste Unterbrechung. Und schließlich schon wieder - Werbung, dann noch das Wetter. Da war sämtlicher Fluss aus dem Gespräch raus.
Erste ARD-Sendung mit Bully Herbig und Tratschthema Heidi Klum
"Ich bin ja froh, dass ich der ARD helfen kann, Geld zu verdienen, das nicht aus den Gebühren kommt", sagte Gottschalk gleich zu Beginn des Internet-Chats einem genervten Zuschauer. Doch da bekam er erst mit, für wieviel Ärger die Werbung in den diversen Foren gesorgt hat - in einem späteren Eintrag schrieb Gottschalk schon zur Kritik leicht resigniert "sagen viele, aber was soll ich machen".
Nach Thomas Gottschalk: Mögliche Nachfolger für "Wetten, dass..?"
Michelle Hunziker (34): Die Nummer zwei Plus: Charmant, elegant und nach zwei Jahren Co-Moderation «Wetten, dass..?»-erfahren. Minus: Wohl nicht jeder traut ihr zu, das ZDF-Unterhaltungsflaggschiff allein führen zu können.
Johannes B. Kerner (46): Der Last Man Standing Plus: Nach den zahlreichen Absagen der vergangenen Wochen ist er fast der Einzige, der noch übrig ist. Könnte auch gleichzeitig die Champions League moderieren, deren Free-TV-Rechte im Sommer 2012 von Sat.1 zum ZDF wechseln. Minus: Der «nette Herr Kerner» ist bei Kritikern etwa so beliebt wie Til-Schweiger-Komödien oder RTL-II-Dokusoaps. Lässt auch den leicht anarchischen Witz von Gottschalk vermissen.
Günther Jauch (55): Der Vertrauenswürdige Plus: Ihm gelingt einfach alles. Ob Sport, Politik, Quiz oder Gala, die Zuschauer sehen Jauch überall gern. Würde der Samstagabendunterhaltung Seriosität mit spitzbübischem Witz geben. Minus: ARD-Talk, RTL-Quiz und ZDF-Show würden kaum zusammenpassen. Außerdem vielleicht etwas zu bieder nach dem bunten Hund Gottschalk.
Jörg Pilawa (46): Die Allzweckwaffe Plus: Pilawa gilt schon lange als feste Größe der deutschen Familien-Unterhaltung im TV. Und nach seinem Wechsel von der ARD zum ZDF fehlt ihm da noch die richtige große Aufgabe. Minus: Hat schon sehr oft mit den Worten «kein Thema» abgewunken. Will wohl nach Hape Kerkelings Absage auch nicht gern zweite Wahl sein.
Stefan Raab (45): Das Multitalent Plus: Mit seiner ProSieben-Show «Schlag den Raab» hat er eine Art modernes «Wetten, dass..?» entwickelt. Ist als Tausendsassa immer für Überraschungen gut. Minus: Raab ist mit seinen «TV Total»-Events wie Wok-WM, Promi-Turmspringen oder Stockcar-Rennen fest im ProSieben-Geflecht verankert.
Anke Engelke (45): Die Witzige Plus: Sie hat Humor, ist weltgewandt und polyglott. Kann die große Gala, wie sie zuletzt beim Eurovision Song Contest in Düsseldorf bewies. Minus: Glänzt vor allem in ihren Figuren und mag bissige Ironie - nichts für eine weichgespülte Samstagabend-Familienshow.
Barbara Schöneberger (37): Die Diva Plus: Groß, blond, wortgewaltig - irgendwie Gottschalk in weiblich. Minus: Manchmal etwas aufbrausend, gerne mal leicht zickig im Ton. Außerdem fühlt sie sich in Fernsehnischen wohl.
Ina Müller (46): Die Aufgedrehte Plus: Ist selbst so lustig und quirlig, dass sie kaum Gäste braucht. Und wenn diese dann richtig mitmischen, erlebt das Fernsehen kleine Sternstunden. Minus: Manchmal sehr überdreht und kaum zu bremsen. In einer zweieinhalbstündigen Show wohl zu viel des Guten.
Kai Pflaume (44): Plus: Der perfekte Schwiegersohn. Ihn mögen einfach (fast) alle: Kinder, Mütter, Großmütter. Kann ebenso gut mit normalen Kandidaten wie mit Prominenten umgehen. Minus: Sehr brav, hat kaum Ecken und Kanten. Ist außerdem erst von Sat.1 zur ARD gewechselt und hat dort mehrere Projekte am Laufen.
Jóko Winterscheidt (32) und Klaas Heufer-Umlauf (28): Das ewige Duo Plus: Das wäre eine Art Fernsehrevolution. Die Ex-Viva- und derzeitigen ZDFneo-Moderatoren sind jung, frech, unkonventionell und risikofreudig. Minus: Das wäre eine Art Fernsehrevolution. Sie sind jung, frech, unkonventionell und risikofreudig - vermutlich zu viel für das gesetzte ZDF-Publikum.
Vielleicht geht ja das Erste in sich und denkt zumindest noch einmal darüber nach, die Unterbrechungen zeitlich anders anzuordnen. Denn vom eigentlichen Konzept her könnte die Sendung dank Gottschalks Schlagfertigkeit funktionieren. Auch der Internet-Chat mit ihm dürfte seine Anhänger finden - zumal er sich dort auch noch zu einem Beitrag zu seiner "Wetten, dass..? "-Nachfolge hinreißen ließ. "Ich glaub Pilawa wirds, weiss es aber nicht genau."
Jörg Pilawa möglicher "Wetten, dass...?"-Moderator
Die Suche nach Gottschalks Nachfolger bei "Wetten, dass...?" befinde sich auf der Zielgeraden, berichtete das ZDF vergangene Woche. Die Verhandlungen mit "dem Neuen" sollen schon abgeschlossen sein. Zuletzt war Jörg Pilawa als potentielle Nachfolger im Gespräch.
Am Dienstag wird "Gottschalk Live" wieder um 19.20 Uhr auf ARD zu sehen sein. Vielleicht muss sich Gottschalk erst in die neue Moderatoren-Rolle einfinden - aber dürfte feststehen: Fassungslosigkeit bei den Zuschauern nach der ersten Show. AZ/afp