„Packen Sie Ihren Stern ein“, soll der Rezeptionist des „The Westin“ in Leipzig im Oktober 2021 zu Gil Ofarim gesagt haben. Diese Geschichte erzählte der 41-jährige Musiker aufgelöst in einem zweiminütigen Video, das er auf Instagram veröffentlichte. Wegen eines technischen Defekts eines Computers habe sich am Empfang eine Schlange gebildet, erzählte Ofarim. Anschließend seien ihm andere Wartende vorgezogen worden und er habe warten müssen. Inzwischen ist klar, dass die Schilderungen nicht der Wahrheit entsprechen.
Aus einer Ecke des Raumes soll laut Ofarim jemand gerufen haben: „Pack deinen Stern ein.“ Auch der Hotelmitarbeiter habe ihn dazu aufgefordert. Diesen hat der Musiker nach dem vermeintlichen Vorfall angezeigt. Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole, die mit dem Judentum verbunden werden. Seit 1948 ist er Teil der Flagge des Staates Israel.
Zweifel an Aussagen von Gil Ofarim
Das Video schlug hohe Wellen. Etliche Politikerinnen und Politiker und Musikerinnen und Musiker bekundeten ihre Solidarität mit Ofarim. Doch es dauerte nicht lange, bis Zweifel an der Geschichte des 41-Jährigen aufkamen. Denn ein Video aus dem Hotel, das der Bild vorlag, warf Fragen auf. In Ausschnitten ist Ofarim zu erkennen, wie er das Hotel betritt. Eine Kette mit Davidstern ist darauf nicht zu sehen.
Auch die Polizei habe Zweifel an der ursprünglichen Darstellung der Ereignisse, berichtete die Leipziger Volkszeitung. In einer Vernehmung soll Ofarim gesagt haben, er wisse nicht mehr sicher, ob er die Kette an besagtem Abend getragen habe. Wie die Bild berichtete, habe Ofarim – konfrontiert mit dem Video – gesagt: „Der Satz, der fiel, kam von hinten. Das heißt, jemand hat mich erkannt. Es geht hier nicht um die Kette. Es geht eigentlich um was viel Größeres. Da ich oft mit dem Davidstern im Fernsehen zu sehen bin, wurde ich aufgrund dessen beleidigt.“ Der beschuldigte Hotelmitarbeiter erstattete Anzeige gegen Ofarim wegen Verleumdung.
Den in Internetkommentaren häufig geäußerten Vorwurf, ihm gehe es um Aufmerksamkeit, wies Ofarim energisch zurück. Niemand würde sich freiwillig zur Zielscheibe rechter Gesinnungen machen, betonte er. Schon gar nicht für PR-Zwecke.
Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Gil Ofarim
Etwa sechs Monate nach den Antisemitismus-Vorwürfen hat die Staatsanwaltschaft Leipzig Anklage wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung gegen Ofarim erhoben. Das Ermittlungsverfahren gegen den Hotelmitarbeiter wurde eingestellt. Im September teilte das Landgericht Leipzig dann mit, dass es die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet habe. Der Hotelmitarbeiter, der Anzeige erstattete, tritt im Prozess laut Gericht als Nebenkläger auf.
Das Landgericht teilte zudem mit, dass die Staatsanwaltschaft Leipzig noch eine weitere Anklage gegen Ofarim erhoben habe. Darin gehe es um falsche eidesstattliche Versicherung sowie Betrug und versuchten Betrug. Hintergrund der weiteren Anklage seien zwei Anträge auf einstweilige Verfügung, mit denen Ofarim gegen Presseveröffentlichungen vorgegangen sei. Darin soll er wahrheitswidrig eidesstattlich versichert haben, nie geäußert zu haben, dass das von ihm erstellte Video „viral gehen“ solle, wobei er auch die – aus Sicht der Staatsanwaltschaft – unzutreffenden Äußerungen über die Worte des Hotelmitarbeiters wiederholt haben soll, teilte das Gericht mit.
Die Hauptverhandlung im Prozess gegen Ofarim war eigentlich vom 24. Oktober bis Ende November 2022 geplant. Doch eine Woche vor dem Prozessauftakt gab das Gericht bekannt, dass die Termine vorerst aufgehoben werden. Der Schritt wird mit einer Fürsorgepflicht für den Angeklagten begründet. Es benötige noch Zeit, über die offenen Rechtsmittel der Verteidiger zu entscheiden.
Gil Ofarim legt überraschend Geständnis ab
Mehr als ein Jahr später hat der Prozess gegen Ofarim am 7. November am Leipziger Landgericht begonnen. Ofarim hielt weiterhin lange an seinen Antisemitismusvorwürfen fest. "Ich weiß, was mir passiert ist. Es ging mir nicht um den Mitarbeiter, sondern um Antisemitismus", sagte der Musiker kurz vor Prozessbeginn der Welt am Sonntag.
Am Dienstag (28. November) legte er dann überraschend ein Geständnis ab. "Die Vorwürfe treffen zu", sagte der Musiker am Dienstag vor dem Landgericht Leipzig. Zu dem Hotelmanager, der als Nebenkläger auftritt, sagte er: "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen." Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 10.000 Euro eingestellt.