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Gesundheit: Wer wenig heizt, holt sich nicht automatisch eine Erkältung

Gesundheit

Wer wenig heizt, holt sich nicht automatisch eine Erkältung

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    Sitzt man einer schniefenden Kollegin mehrere Stunden gegenüber, ist die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, groß, warnt der Virologe Prof. Dr. Ortwin Adams.
    Sitzt man einer schniefenden Kollegin mehrere Stunden gegenüber, ist die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, groß, warnt der Virologe Prof. Dr. Ortwin Adams. Foto: IMAGO/AFLO (Symbolbild)

    Sei es in der eigenen Wohnung oder am Arbeitsplatz: In Zeiten der Energiekrise laufen die Heizungen vielerorts nur auf Sparflamme. Das mag nicht sehr gemütlich sein. Ist es aber auch ungesund? Steigt zum Beispiel die Gefahr, sich zu erkälten? Der Virologe Prof. Ortwin Adams von der Universität Düsseldorf erklärt, wie es zu Ansteckungen kommt und wie man sich schützen kann.

    Herr Prof. Dr. Adams, derzeit ist Energiesparen angesagt, in Räumen ist es daher oft kühler. Holt man sich jetzt leichter einen Infekt?

    Prof. Dr. Ortwin Adams: Nein, das ist nicht belegt. Zum Infekt gehört immer, dass einem jemand gegenübersteht oder -sitzt, der gerade Viren ausscheidet. Wenn ein Raum mit Menschen überfüllt ist, steigt das Infektionsrisiko – und zwar einfach deshalb, weil die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass jemand Viren ausscheidet. Mit der Raumtemperatur hat das herzlich wenig zu tun.

    Das heißt: Es macht nichts, wenn es im Raum kälter ist.

    Adams: Ja. Das Wort „Erkältung“ ist irreführend. Es ist nicht so, dass man durch pure Kälte einen Infekt bekommen würde. Zwar wird immer gesagt, dass die Schleimhäute auskühlen und dann weniger widerstandsfähig sind. Aber auch dann infiziert man sich nur, wenn es einen Erreger gibt. Außerdem ist es kein drastischer Unterschied, ob man nun bei 19 oder 21 Grad im Raum sitzt.

    Dennoch hat man noch Sätze im Ohr wie: „Zieh dich warm an, sonst wirst du krank.“

    Adams: Ja, ich sage in meinen Vorlesungen auch immer: Unsere Großeltern haben es gut mit uns gemeint und uns Mützen über die Ohren gezogen – alles in der Vorstellung, dass man dann keine Erkältung bekommt. . .

    Aber stimmt es denn nicht, dass die Schleimhäute bei Kälte schlechter durchblutet und so anfälliger werden?

    Adams: Dazu ist nichts Vernünftiges publiziert. Es ist erstaunlich, wie wenig handfeste Daten es dazu gibt. In England zum Beispiel laufen viele Leute in kurzen Hosen herum, sobald im März die ersten Sonnenstrahlen rauskommen. Aber offensichtlich infizieren sie sich auch nicht häufiger. Man sagt, sie seien „abgehärtet“. Aber was heißt das genau? Der Kälte-Mythos kommt daher, dass wir im Winter Erkältungswellen haben. In leichterer Form gibt es sie auch in Herbst und Frühjahr.

    Warum treten diese Wellen vor allem in der kalten Jahreszeit auf?

    Adams: Diese Frage lässt sich nicht zufriedenstellend beantworten. Viele Erreger sind bei Kälte etwas stabiler. Außerdem spielt sicherlich das Sozialverhalten eine große Rolle. Wenn sich Menschen in geschlossenen Räumen versammeln, steigt die Ansteckungsgefahr. Daneben spielt auch die Luftfeuchtigkeit eine Rolle. Studien haben gezeigt, dass eine höhere Luftfeuchtigkeit Viren schadet. Deshalb ist es sinnvoll, Räume im Winter nicht zu trocken zu halten – und Heizungsluft ist ja oft sehr trocken. Wenn die relative Luftfeuchtigkeit unter 40 Prozent sinkt, fühlen Viren sich erheblich wohler. Sie bleiben dann länger infektiös als bei einer Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60 Prozent, wie wir sie im Sommer haben.

    Dr. Ortwin Adams leitet die virologische Diagnostik am Universitätsklinikum Düsseldorf.
    Dr. Ortwin Adams leitet die virologische Diagnostik am Universitätsklinikum Düsseldorf. Foto: Janine Brinkmann-Paulukat

    Nehmen wir an: Meine Kollegin, die mit mir im Raum sitzt, schnieft vor sich hin. Was kann ich in so einer Situation tun, um mich vor einer Ansteckung zu schützen?

    Adams: Wenn jemand schnieft und schnauft, hat er einen Infekt. Sitzt man ihm mehrere Stunden lang gegenüber, ist die Wahrscheinlichkeit, sich zu infizieren, tatsächlich groß. Deshalb müssten Sie die Kollegin entweder bitten, zu Hause zu bleiben oder sich in einen anderen Raum zu setzen. Sonst lässt sich das Risiko dadurch reduzieren, dass beide eine Maske tragen. Dabei werden Tröpfchen abgefangen, die wahrscheinlich für die meisten Infektionen verantwortlich sind. Sie können eine Distanz von etwa einen Meter überwinden, dann sinken sie ab. Wenn man sich am Schreibtisch gegenübersitzt, ist der Meter schnell unterschritten. Das gilt insbesondere, wenn das Gegenüber niest. Bei einem solchen Trompetenstoß aus dem Respirationstrakt fliegen die Tröpfchen weit.

    Kann es auch Schmierinfektionen geben?

    Adams: Sie spielen auf jeden Fall eine Rolle. Es gibt einige Erreger, die davon deutlich mehr profitieren: nämlich Rhinoviren, also typische Schnupfenviren. Das sind Viren ohne Hülle, die gerade, weil sie keine Hülle brauchen, äußerst stabil sind. Sie können auf Oberflächen tagelang überleben. Wenn solche Viren an Türklinken oder Computertastaturen hängen, sind Übertragungen möglich.

    Prof. Dr. Adams: "Das Wort Erkältung ist irreführend. Es ist nicht so, dass man durch pure Kälte einen Infekt bekommen würde."
    Prof. Dr. Adams: "Das Wort Erkältung ist irreführend. Es ist nicht so, dass man durch pure Kälte einen Infekt bekommen würde." Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild)

    Wenn vorgestern ein erkälteter Kollege an meinem Platz gearbeitet hat, könnte ich mich also anstecken...

    Adams: Ja, zumindest weisen Daten darauf hin, dass Viren so lang überleben können. Allerdings kommt es immer auf die Oberfläche an. Auf glatten, wenig porösen Oberflächen können sich die Erreger lang halten – also zum Beispiel Schreibtische, Telefonhörer, Türklinken. Im Besonderen gilt das etwa für Haltegriffe in Bussen, an denen sich jeder festhält. Da kann man davon ausgehen, dass da jede Menge Viren sind. Wahrscheinlich kommen wir sowieso viel häufiger mit Erregern in Kontakt, als wir ahnen. Oft erkranken wir eben nicht.

    Warum steckt sich der eine an, der andere nicht? Ist das bloß Zufall?

    Adams: Nein. Es gibt Menschen, die haben eine bessere Immunabwehr aufgebaut. Da geht es vor allem um die Schleimhautabwehr. Es gibt Antikörper, die auf der Schleimhaut abgesondert werden und den Erreger direkt abfangen. Manche Menschen verfügen über mehr solcher Antikörper als andere. Wer zum Beispiel in den letzten Jahren zwei oder drei Kinder großgezogen hat, hat mit Sicherheit viele Infekte durchgemacht und dadurch eine gute Immunität für die nächsten Jahre erworben. Bei einem Single ohne Kinder sieht es wahrscheinlich schlechter aus.

    Zink, Vitamine, Echinacea, Ingwer: Was hilft zur Immunabwehr?

    Adams: Vermutlich sehr wenig. Von keinem dieser Mittelchen ist wirklich belegt, dass es hilft. Eine gesunde, ausgeglichene Ernährung ist bestimmt sinnvoll. Dann ist auch die Vitaminversorgung ausgeglichen. Außerdem ist belegt, dass Leute, die auch im Winter viel Sport treiben, weniger infektanfällig sind.

    Wie viel bringen Saunabesuche, Wechselduschen, Eisbaden....?

    Adams: Finnische Studien haben gezeigt, dass regelmäßige Saunagänger tatsächlich weniger anfällig sind. Aber diejenigen, die oft in die Sauna gehen, haben in der Regel insgesamt einen gesünderen Lebenswandel. Sie machen mehr Sport und ernähren sich bewusster. Es ist also sehr schwierig, die einzelnen Faktoren sauber herauszuarbeiten.

    Was tun Sie, um sich zu schützen?

    Adams: Ich mache regelmäßig Sport, gehe oft in die Sauna, vermeide Übergewicht und versuche, mich gesund zu ernähren. In den nächsten Wochen werde ich auch enge Kontakte vermeiden und mich bestimmt nicht in volle Kneipen zwängen. Ich gehe davon aus, dass da sehr viele SARS-CoV-2, Influenzaviren und andere Erreger kursieren werden.

    Zur Person: Prof. Dr. Ortwin Adams (64) leitet die virologische Diagnostik am Universitätsklinikum Düsseldorf.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast an. In "Augsburg, meine Stadt" spricht eine

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