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Gesellschaft: Bauernproteste in Frankreich mit Toten: Warum sind die Bauern dort so wütend?

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Bauernproteste in Frankreich mit Toten: Warum sind die Bauern dort so wütend?

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    Protest auf der Autobahn: Französische Landwirte gehen seit Monaten für eine bessere Bezahlung und gegen steigende Kosten auf die Straße.
    Protest auf der Autobahn: Französische Landwirte gehen seit Monaten für eine bessere Bezahlung und gegen steigende Kosten auf die Straße. Foto: Nicolas Mollo/AP, dpa (Symbolbild)

    In der zweiten Januar-Woche haben die Bauern in Deutschland ihrem Ärger Luft gemacht. Über die Hürden, die ihre Arbeit und damit ihr Leben erschweren. Zehntausende Landwirte protestierten in ihren Traktoren in den Städten, aber auch auf wichtigen Verkehrswegen wie Autobahnen.

    Die größte Kundgebung fand zum Abschluss am 15. Januar in Berlin vor dem Brandenburger Tor statt. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte das im Dezember infolge der Haushaltskrise von der Ampel-Regierung beschlossene Ende der Subventionen für Agrardiesel. Doch schon zuvor hatte sich allerhand Frust angestaut, auf den Bauernhöfen der Bundesrepublik.

    Dabei sind die Landwirte hierzulande in guter Gesellschaft. Auch ihre Kollegen in Nachbarländern gehen auf die Straße. Etwa in den Niederlanden, in Belgien oder in Frankreich. Bei den Protesten in der Grande Nation gab es sogar Tote. Dieser Text soll die Hintergründe der Demos in dem größten Agrarland der EU erklären.

    Warum protestieren die Bauern auch in Frankreich?

    In Frankreich sind die Bauern bereits seit Wochen auf den Barrikaden. Sie fühlen sich allgemein bei den aktuellen Herausforderungen von der Politik nicht abgeholt oder im Stich gelassen. Ob es dabei um Entscheidungen in Paris oder in Brüssel geht.

    So kritisiert der Bauernverband Fédération Nationale Syndicats d’Exploitants Agricoles (FNSEA), dem 212.000 Mitglieder angehören, diverse Entscheidungen. Eingebunden ist auch der Zusammenschluss der Jungbauern, die Jeunes Agriculteurs (JA).

    Bereits Ende November wurden "normative und steuerliche Ungereimtheiten" ebenso angeprangert wie das Fehlen einer Vision für die Landwirtschaft der Zukunft, die auf die zunehmende Digitalisierung und den demografischen Wandel Antworten finden muss. Dazu kommt die Umweltsteuer, die als sinnlos bezeichnet wird.

    Schon damals drohte die FNSEA: "Die Mobilisierung wird in vollem Umfang fortgesetzt, solange die Regierung die französische Landwirtschaft nicht mit allen Mitteln ausstattet, die sie in die Lage versetzt, voll und ganz (…) den zukünftigen Herausforderungen in den Bereichen Ernährung, Energie und Umwelt zu begegnen!"

    Anfang Dezember folgte der Vorwurf an die EU und auch die französische Regierung, durch neue Verordnungen zur Industrieemission einen Anstieg von Fleischimporten aus Drittländern zu provozieren. Diese würden weder die Normen erfüllen noch den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen.

    Zuletzt befürchteten die Bauern infolge eines Treffens der führenden Köpfe der Lebensmittelindustrie, dass die Vorgaben des EGALim-Gesetzes umgangen werden könnten. Dieses soll ausgewogene Handelsbeziehungen im Agrarsektor sowie den Vertrieb gesunder und nachhaltiger Lebensmittel garantieren.

    Zehn Gründe - Darum wird in Frankreich protestiert

    Hier wird auch der Preisdruck erwähnt, dem sich die Landwirte ausgesetzt sehen, da große Einzelhandelsunternehmen zu einem Drittel auf Handelsmarken setzen würden und vermehrt importieren könnten. Es wird gefordert, die gestiegenen Produktionskosten in den Preisen aller in Frankreich verkauften Produkte zu berücksichtigen – auch in den importierten.

    Die Tageszeitung Le Figaro listet insgesamt zehn Gründe auf, warum die Bauern in Frankreich protestieren. Demnach fordern sie:

    • eine bessere Bezahlung
    • die Beibehaltung der Steuerbefreiung auf Agrardiesel
    • eine Vereinfachung der Umweltstandards
    • eine höhere Wertschätzung durch die Gesellschaft (sie werden demnach als Umweltverschmutzer angesehen, während ihre Hilfe beim Schneeräumen oder bei Überschwemmungen kaum erwähnt wird)
    • das Ende unerwünschter Kontrollen
    • einen besseren Zugang zu Wasser
    • keine Verbote von Pflanzenschutzmitteln ohne alternative Lösungen

    Hinzu kommen drei Forderungen, die eher regional gelten:

    • Hilfszahlungen wegen der im Südwesten ausgebrochenen Rinderseuche Epizootische hämorrhagische Krankheit (EHD)
    • vereinfachte Abschüsse von Wölfen im Südosten
    • Möglichkeiten, um in den Pyrenäen und vor allem in Ariège Bären zu verscheuchen

    Wie und wo protestieren die Bauern in Frankreich?

    Wie die Tageszeitung Le Parisien berichtet, sorgen die Bauern bei ihren Protesten in Frankreich für Blockaden und Staus auf Autobahnen sowie in Innenstädten. Betroffen seien Rennes oder Toulouse. Aber im ganzen Land werde protestiert, wobei es vor allem um bessere Bezahlung und die Vereinfachung der Verwaltung geht.

    Zudem protestierten Landwirte vor einer Fabrik des Milchindustriekonzerns Lactalis, weil dieser sich entgegen gesetzlicher Vorgaben weigern soll, mit den Bauern über Preise zu verhandeln und 15 Prozent weniger zahlt als die Konkurrenz. Im Zuge der Demonstration sei Gülle vor der Fabrik ausgekippt worden.

    Insgesamt sind die Proteste deutlich umfangreicher und folgenreicher für die Bürger als in Deutschland, wo bislang auch ein klarer zeitlicher Rahmen für die Demos gesteckt wurde. Die FSNEA kündigte weitere Aktionen an, "so lange es nötig ist". Ihr Präsident Arnaud Rousseau betonte, im Laufe der Woche werden sich Landwirte aus 85 Départements beteiligen. Zum Vergleich: Frankreich besteht aus 101 Départements, von denen 96 in Europa liegen.

    Tödlicher Zwischenfall bei Bauernprotesten in Frankreich: Was ist passiert?

    Zwei Todesopfer forderte ein Vorfall im südfranzösischen Département Ariège bei Pamiers. Wie der französische Nachrichtensender BFM TV unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichtet, war am Dienstag (23. Januar) gegen 5.45 Uhr ein Fahrzeug trotz der Dunkelheit ohne Beleuchtung auf eine von den Bauern gesperrte Nationalstraße gefahren und mit einer Mauer aus Strohballen kollidiert.

    Hinter diesem Hindernis saßen demnach mehrere Demonstranten, darunter eine Bäuerin, ihr Ehemann und die zwölfjährige Tochter. Die Frau starb noch an der Unfallstelle, das Mädchen wurde in ein Krankenhaus von Toulouse geflogen, wo es gegen 19 Uhr seinen Verletzungen erlag. Auch der Mann wurde schwer verletzt, soll sich aber nicht in Lebensgefahr befinden.

    Den Ermittlern zufolge muss dem 44-jährigen Fahrer bewusst gewesen sein, dass er auf einer von den Protestlern gesperrten Straße unterwegs war. Der Mann wurde ebenso wie die beiden weiteren Insassen – seine Frau und ein Freund – festgenommen. Es soll sich um drei Armenier handeln, deren Asylanträge trotz mehrmaliger Berufung abgelehnt worden waren.

    Der Fahrer sei der Polizei bislang nicht bekannt gewesen. Alkohol- und Drogentests fielen demnach negativ aus. Es deutet alles auf einen Unfall hin, die Staatsanwaltschaft geht nicht von einer vorsätzlichen Tat aus. Ermittelt wird wegen fahrlässiger Tötung und schwerer Körperverletzung.

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