Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Gerüchte über Mobilmachung: Belarus vor Kriegseintritt?

Russlands Verbündeter

Gerüchte über Mobilmachung: Tritt Belarus in den Krieg in der Ukraine ein?

    • |
    Kremlchef Wladimir Putin (r) mit Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.
    Kremlchef Wladimir Putin (r) mit Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Foto: Sergei Guneyev, dpa (Archivbild)

    Seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des Krieges in der Ukraine, wird die Rolle diskutiert, die Belarus in dem russischen Angriffskrieg spielt. Klar war von Beginn an, dass der enge Verbündete von Russland die russischen Truppen von belarussischem Staatsgebiet angreifen lässt, ihnen Stützpunkte bietet und auch Raketen von belarussischem Staatsgebiet auf die Ukraine abgeschossen werden. Allerdings trat Belarus bislang nicht selbst als aktive Kriegspartei auf und erklärte die eigene Rolle als neutral. Doch könnte sich das ändern?

    Gerüchte um Mobilmachung in Belarus

    Zu Beginn des Jahres 2023 wird die Frage, ob Belarus aktiv in den Krieg in der Ukraine eintreten könnte, erneut heiß diskutiert. Grund sind neben Treffen von Belarus-Machthaber Alexander Lukaschenko und Russlands Präsidenten Wladimir Putin auch Gerüchte, welche sich über Twitter verbreiten. Die unabhängige belarussische Journalistin Hanna Liubakova machte mit einem Tweet auf eine offizielle Ansage an einem Busbahnhof von Borrisow aufmerksam. In Leuchtschrift steht an einer Anzeigetafel: "Alle männlichen Bürger im Alter von 18 bis 60 Jahren müssen zur Klärung ihrer Daten zum Einwohnermeldeamt oder Dorfvorstand kommen."

    Das Posting der Journalistin, die auch als Aktivistin aktiv ist, heizt die Gerüchte über eine mögliche Mobilmachung in Belarus an. Eine solche könnte dann den aktiven Eintritt in den Krieg zur Folge haben. Die Gerüchte waren Ende Dezember aufgekommen, als die belarussische Armee verlauten ließ, "auf alle Entwicklungen vorbereitet" zu sein. Zuvor behauptete Minsk, dass Splitter einer von der ukrainischen Armee abgefeuerten Rakete in dem belarussischen Dorf Gorbakha landeten.

    Welche Rolle spielt Lukaschenko in den Plänen von Putin?

    Die entscheidende Frage ist wohl, welche Rolle der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko, der als letzter Diktator Europas gilt, in den Plänen von Russlands Präsidenten Wladimir Putin spielt. Er ist ein enger Vertrauter des Kreml-Machthabers und in gewisser Weise auch von diesem abhängig. Russland unterstützt das Nachbarland mit finanziellen Mitteln – und auch als es große Proteste gegen Lukaschenko gab, kam ihm sein Freund Putin dabei zur Hilfe, diese gewaltsam niederzuschlagen.

    Lukaschenko würde daher stark unter Druck geraten, wenn Putin ihn auffordern sollte, aktiv in den Krieg in der Ukraine einzugreifen. So schätzen es viele Politik-Experten ein. Ein Kriegseintritt von Belarus könnte aber erneut Proteste der Bevölkerung hervorrufen. Schon jetzt gibt es in dem Land Sabotageakte der sogenannten "Eisenbahn-Partisanen". Mit dem Begriff werden Weißrussen bezeichnet, welche in ihrem Heimatland die Bahnstrecken sabotieren, damit die russischen Streitkräfte langsamer vorankommen. Lukaschenko kündigte harte Strafen gegen die gefassten Eisenbahn-Partisanen an, die bis zur Todesstrafe gehen. Er dürfte die Reaktion der Bevölkerung bei einem Kriegseintritt fürchten.

    Gibt es Anzeichen für einen Kriegseintritt von Belarus?

    Ende Juni wurden laut ukrainischen Berichten nach längerer Pause wieder Raketen aus Belarus Richtung Ukraine abgeschossen. "Der Angriff von heute steht in direkter Verbindung mit den Bemühungen des Kreml, Belarus als Mitkämpfer in den Krieg in der Ukraine hineinzuziehen", erklärte die Generaldirektion des ukrainischen Geheimdienstes, die dem Verteidigungsministerium unterstellt ist, daraufhin auf Telegram. Es sollen Jets von dem Flughafen Schaikowka im Westen Russlands in den Luftraum von Belarus eingedrungen sein, um die Raketen abzuschießen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte daraufhin nicht zum ersten Mal an Lukaschenko und Belarus, sich nicht in einen Krieg hineinziehen zu lassen.

    Bereits Ende Mai hatte Lukaschenko sein Militär angewiesen, im Süden des Landes "operative Kommandostrukturen" zu schaffen. Seine Ansage: "Wir müssen handeln wie in Kriegszeiten, aber noch ohne Krieg." Am 7. Juni begannen dann Gefechtsbereitschaftsübungen der belarussischen Truppen, wie das Verteidigungsministerium in Minsk mitteilte. Mittlerweile gibt es aber noch eine weitere Entwicklung, die als Anzeichen für einen Kriegseintritt von Belarus gesehen werden kann. Die Gerüchte um die Generalmobilmachung sind nun das wohl stärkste Anzeichen für einen Kriegseintritt, welches es bislang gegeben hat.

    Mobilmachung in Belarus?

    Unabhängige Medienberichte legen vier Monate nach Beginn des Krieges in der Ukraine nahe, dass in Belarus verstärkt Einberufungsbescheide für die Armee verschickt werden. Der ukrainische Generalstab spricht von einer "verdeckten Mobilisierung". Die oppositionelle belarussische Onlinezeitung Zerkalo behauptete, dass auch Aufforderungen bei Personen eingegangen seien, die als wehruntauglich eingestuft wurden. Es sollen keine Gründe angegeben worden sein, gleichzeitig aber mit Strafe gedroht worden, wenn der Einberufung nicht nachgekommen werde.

    Laut dem ukrainischen Generalstab sollen in Belarus bis Mitte Juli Militärübungen für Wehrpflichtige abgehalten werden. Kiew wird die Situation genau beobachten, denn auch der Angriffskrieg Russlands hatte mit Militärübungen im Süden von Belarus begonnen.

    Wie groß ist die Truppenstärke von Belarus?

    Fraglich ist, welche Rolle Belarus bei dem Krieg in der Ukraine überhaupt spielen könnte. "Die Streitkräfte von Belarus haben nahezu keinerlei Erfahrungen und Ausbildung für einen Angriffskrieg", erklärte Osteuropaexperten András Rácz von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik dem Spiegel. Auch die Ausstattung der Truppen sei alles andere als modern. "Vieles ist veraltet", verriet Rácz.

    Laut dem britischen Internationalen Institut für strategische Studien (IISS) verfügt Belarus über 45.450 aktive Soldaten. Das wäre ungefähr ein Viertel der ukrainischen Streitkräfte. Außerdem soll Belarus rund 600 Panzer und 1.500 gepanzerte Fahrzeuge besitzen. Wie die belarussische Armee Putin bei seinem Krieg in der Ukraine helfen könnte, ist unklar. Genau wie die Frage, ob Belarus bald aktiv in den Krieg eintreten wird.

    Alle aktuellen Entwicklungen erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden