Mike Lynch hatte ein Faible für den berühmtesten aller Spionage-Helden. So sollen einige der Arbeitszimmer seiner Software-Firma Autonomy in Cambridge nach den Schurken aus James-Bond-Filmen benannt worden sein. Da gab es etwa den Saal „Dr. Julius No“ aus „Lizenz zum Töten“ oder das „Goldfinger“-Zimmer aus dem gleichnamigen Streifen. Auch ein Piranha-Becken, vor dem man sich in „Man lebt nur zweimal“ gruseln kann, soll Lynch bei Autonomy nachbauen lassen haben.
Zusammen mit seiner 18 Jahre alten Tochter und fünf weiteren Menschen kam der Brite Lynch beim Untergang seiner Segeljacht Bayesian am 19. August vor Porticello auf Sizilien ums Leben. Die Luxusyacht war bei einem Sturm innerhalb von Minuten gesunken. Die Bergung des Wracks liefert nun den Stoff für eine wirkliche Spionage-Story. Wie zuerst die italienische Zeitung La Repubblica und später auch die CNN berichteten, interessieren sich internationale Geheimdienste für das Relikt.
Lynch trug stets zwei Festplatten mit hochsensiblen Daten bei sich
Lynch (54) war mit Autonomy im Bereich der Cyber-Sicherheit tätig und hatte als Wissenschaftler Algorithmen und Software erfunden, die westliche Geheimdienste bei ihrer Jagd nach Staatsfeinden nutzen. Zu seinen Kunden sollen die britischen Dienste MI5 und MI6, die US-amerikanischen National Security Agency, Homeland Security sowie israelische Dienste gezählt haben. Die Befragung der 15 Überlebenden, darunter Lynchs Frau Angela Bacares, ergab, dass der Multimilliardär hochsensible Informationen nicht etwa in Clouddiensten speicherte, sondern wichtige Daten stets auf zwei verschlüsselten Festplatten bei sich trug. Diese beiden Harddisks sollen sich nach Angaben der Ermittler bis heute in einem Safe auf der Bayesian befinden.
„Viele wollen diese beiden Datenträger und alle in den Tresoren des Schiffs gelagerten Dokumente in die Hände bekommen“, schreibt La Repubblica. Offenbar fürchtete die ermittelnde italienische Staatsanwaltschaft von Termini Imerese zunächst, dass es Diebe auf zurück gelassene Schmuckstücke und Wertgegenstände auf dem beschlagnahmten Wrack abgesehen haben könnten. „Jetzt sind sie besorgt, dass das Wrack, das in den kommenden Wochen im Rahmen der Ermittlungen geborgen werden soll, auch für ausländische Regierungen, darunter Russland und China, von Interesse ist“, schreibt die CNN in einem Bericht. Offenbar sind die Daten auf Lynchs Festplatten brisant.
Überwachung des Wracks soll verstärkt werden
Die Überwachung des in 49 Meter Tiefe liegenden Wracks soll nun verstärkt werden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft überwacht seit 19. August ein Schiff der Küstenwache Tag und Nacht den Unglücksort und das beschlagnahmte Relikt. Es ist verboten, sich der Stelle in einem Radius von 500 Metern zu nähern. Die Küstenwache nutzt Sonar und Echolot zur Überwachung. Wie effektiv die Kontrollen seit der Unglücksnacht am 19. August waren, ist allerdings nicht bekannt. Auch nicht, ob Geheimdienste es schon auf eigene Faust versucht haben, an die Daten zu kommen. Taucher der Feuerwehr sollen bislang Videoaufnahmen des Wracks gemacht und Datenträger des Schiffs selbst geborgen haben.
Erst im Juni war Lynch in den USA wegen Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit dem Verkauf seiner Softwarefirma Autonomy an Hewlett Packard im Jahr 2011 (Preis elf Milliarden Dollar) freigesprochen worden. Auf dem Segeltörn vor Sizilien, bei dem auch sein Anwalt Chris Morvillo sowie Hauptentlastungszeuge Jonathan Bloomer mit ihren Ehefrauen ums Leben kamen, wollte Lynch eigentlich seinen Freispruch feiern. Zwei Tage vor dem Untergang der Bayesian bekam Lynch die Nachricht, dass sein Kollege und Autonomy-Mitgründer Stephan Chamberlain beim Joggen von einem Auto angefahren und schwer verletzt wurde. Später starb der 52-Jährige an den Folgen des Unfalls.
Ein Zusammenhang zwischen den Todesfällen wird ausgeschlossen
Jeglicher Zusammenhang zwischen den Todesfällen wird bislang ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Termini Imerese ermittelt gegen den Kapitän der Bayesian, James Cutfield sowie zwei Männer der Besatzung unter anderem wegen fahrlässiger Tötung. Warum die Jacht innerhalb von Minuten sank, ist bis heute nicht geklärt.
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