Wer Jutta Speidel gegenübersitzt, merkt schnell, dass sie ein Typ Mensch ist, der nicht nur quatscht, sondern anpackt. Darum habe sie sich ihr Geschenk zum 70. Geburtstag auch selbst gemacht, wie sie sagt. Ende Februar stellte sie es im Deutschen Theater in München vor, ihren ersten Roman: "Amaryllis".
In diesen Wochen ist die Schauspielerin im Stress. Da sind das Buch, das dritte "Horizont"-Haus ihres Münchner Frauen-Kinder-Hilfsprojekts, das sie bauen lässt – und eben ihr runder Geburtstag am Dienstag. Doch die Münchnerin mit Leib und Seele bringt das nicht aus der Ruhe. Sie nimmt sich Zeit für ein Gespräch. Über ihren Roman und ihr Leben.
Jutta Speidel: "Schon als Kind liebte ich den Zirkus und alles, was damit zu tun hat"
Das Buch, sagt sie, sei wichtig für sie. Es sollte zuerst ein Exposé für einen Film werden, aber weil sich das nicht umsetzen ließ, habe sie es zu einem Roman umgearbeitet – der den Namen ihrer Lieblingsblume trägt. Er handelt von der Welt der Clowns und der Manege. "Schon als Kind liebte ich den Zirkus und alles, was damit zu tun hat", erzählt Speidel. Mit dem Kollegen Fritz Wepper sei sie vor vielen Jahren selbst als Clownin bei Stars in der Manege aufgetreten. "Das war eines meiner Highlights in meinem Leben", erinnert sie sich.
Und das heißt etwas, denn man kann behaupten, dass Jutta Speidels Leben an Höhepunkten reich war. Vor ziemlich genau 50 Jahren hatte die Tochter eines Patentanwalts als Beate Rehberg in Rainer Erlers "Die letzten Ferien" debütiert. International machte sie fünf Jahre später mit dem Thriller "Fleisch" auf sich aufmerksam. Über all ihre Film- und Serienrollen zu erzählen, würde den Rahmen sprengen: Aber ein, zwei Beispiele muss man erwähnen. So übernahm sie 1977 in der ZDF-Serie "Drei sind einer zu viel" mit Herbert Herrmann und Thomas Fritsch als Töpferin Charlotte Möller die Hauptrolle und erhielt einen "Bambi". Mit dem damaligen Frauenliebling Herrmann lebte sie einige Jahre zusammen.
Die fünfmonatigen Dreharbeiten seien "sehr lehrreich" gewesen, erzählt sie: "Das war so eine wunderbare unbeschwerte Zeit." Sie habe sich aber auch auf die Hinterbeine stellen müssen, um mit den beiden anderen, deutlich erfahreneren Hauptdarstellern auf Augenhöhe zu arbeiten. Nicht vergessen sollte man die sehr beliebte Serie "Um Himmels Willen", in der Speidel eine Nonne spielte.
1997 gründete Jutta Speidel den Verein "Horizont", der Müttern und Kindern hilft
Apropos Klosterschwester: Im richtigen Leben war sie kein Kind von Traurigkeit. Drei Männer habe sie, sagt sie, besonders geliebt. Neben Herrmann war es der Kaufmann Stefan Feuerstein, mit dem sie bis Anfang der 90er verheiratet war. Mit ihm bekam sie eine Tochter, eine weitere nahm er an. Speidels bislang letzte Liebe war der "Cappuccino-Mann", die Beziehung sorgte für viel öffentliche Aufmerksamkeit. Der Schauspieler Bruno Maccallini, mit dem sie bis 2013 liiert war, trat in den 90ern in Kaffee-Werbekampagnen auf: "Isch abe gar keine Auto".
Wichtiger als Männer ist ihr heute das Thema "Horizont". Den gleichnamigen Verein gründete Speidel 1997, nachdem sie erfahren hatte, wie viele obdachlose Kinder und alleinerziehende Mütter es im reichen München gibt. Seit 2005 finden Familien in "Horizont"-Häusern vorübergehend Zuflucht. Wahrscheinlich ist es das, was sie so erfolgreich und beliebt werden ließ: Dass sie echt ist in allem, was sie tut.
Ihrem Geburtstag sieht sie gelassen entgegen. "Es ist ein neuer Lebensabschnitt. Was er mit mir macht, das weiß ich noch nicht. Aber ich habe die Hoffnung, dass ich die nächsten zehn Jahre genauso gesund bleibe wie die letzten", sagt sie. Eines dürfte sicher sein: Langweilig wird es ihr nicht werden. "Ich weiß ja gar nicht, was das ist. Also doch, ich weiß es sehr wohl: Ich langweile mich manchmal mit Labermatten, die einfach nicht aufhören zu reden."
Jutta Speidel: "An meinem Geburtstag packe ich meine Kinder und meine Enkel und wir hauen ab"
Gedanken an Endlichkeit schiebt Jutta Speidel nicht weg. "Gerade in meinem wirklich engen Freundeskreis sind leider Gottes schon einige gestorben", sagt sie. Sei selbst habe keine Angst vor dem Tod. "Ich kenne Leute, die haben Nahtoderfahrungen gehabt und wurden wieder zurückgeholt. Die haben gesagt, sie seien darüber sauer gewesen, weil dieses Gefühl so schön gewesen sei. Der Sterbeprozess ist sicherlich für niemanden schön, aber der Tod, die letzten Augenblicke, sind von großer Reinheit." Davon ist Jutta Speidel überzeugt.
Ihre beruflichen Pläne? Ende April beginnt die zweite Staffel von "Tage, die es nicht gab". Auch für Kinofilme gebe es Anfragen. Überdies ist sie mit Lesungen ihres Romans unterwegs. Für ihren "Runden" hat Speidel keine große Feier im Blick. "An meinem Geburtstag packe ich meine Kinder und meine Enkel und wir hauen ab und gehen nicht ans Telefon."