Wie lange steht der Torre della Garisenda in Bologna noch? Experten fürchten um das schiefe Wahrzeichen der italienischen Stadt. Der 48 Meter hohe Turm aus dem Mittelalter hat inzwischen eine Neigung von 3,20 Metern oder vier Grad. "Wir können nicht sagen, ob dem Turm nichts passieren wird, ob es einen teilweisen oder plötzlichen Einsturz geben wird. Und vor allem können wir nicht wissen, ob dieses Szenario morgen, in einem Monat oder überhaupt nicht eintritt", sagte Architekt und Mitglied einer Expertenkommission Amedeo Bellini Mitte November.
Wegen der Risse und ungewöhnlicher Schwankungen hat die Stadtverwaltung den Platz rund um den Garisenda-Turm bereits im Oktober gesperrt. Daran wird sich in den nächsten Jahren wohl auch nichts ändern. Denn die Sanierung wird sich nach Angaben von Bürgermeister Matteo Lepore noch etwa zehn Jahre hinziehen. Die Kosten für die Rettung des Turms bezifferte Lepore bei einem Ortstermin auf mindestens 20 Millionen Euro.
Garisenda-Turm in Bologna: So könnte Sanierung aussehen
Eine Expertenkommission empfahl ein Vorgehen in mehreren Schritten. Erst soll eine große Metallwand errichtet werden, die den bevorstehenden Einsturz verhindert. Danach ist eine Umfassung des Turms geplant, der dann möglicherweise abgebaut und wieder originalgetreu aufgebaut werden muss.
Am Mittwochnachmittag verwies der Bürgermeister auf die Erfahrungen mit der Sanierung des noch berühmteren Schiefen Turms von Pisa, etwa 200 Kilometer weiter in der Toskana. "Die Planung und der Eingriff am Turm von Pisa haben zehn Jahre in Anspruch genommen. Wir haben keine Hinweise darauf, dass wir weniger Zeit brauchen werden."
Von Einsturz bedroht: Garisenda-Turm wurde 1109 erbaut
Die beiden sogenannten Geschlechtertürme, der Garisenda-Turm und der Asinelli-Turm, prägen seit vielen Jahrhunderten das Bild der Stadt in der norditalienischen Region Emilia-Romagna mit heute fast 400.000 Einwohnern. Aus der Luft betrachtet ragen sie wie Wolkenkratzer aus dem engen Stadtkern heraus. Schon Italiens Nationaldichter Dante Alighieri schrieb in seiner "Göttlichen Komödie" über den Garisenda-Turm. Er wurde 1109 im Auftrag einer reichen Familie erbaut. Damals ging es in den wohlhabenden Schichten auch darum, den eigenen Geschlechterturm noch höher zu bauen als die Nachbarn.
Der Garisenda-Turm war ursprünglich 60 Meter hoch. Doch bereits im 14. Jahrhundert musste er wegen erster Konstruktionsfehler abgesenkt werden. Experten gehen heute davon aus, dass die zunehmende Neigung auf das Fundament und die Absenkung des Grundwassers zurückzuführen ist. Ein Expertenteam überwacht die beiden Türme seit 2018. Es achtet vor allem auf die Risse im Mauerwerk sowie Schwankungen und Schwingungen, die mit bloßem Auge nicht zu sehen sind. Eine Eisenstruktur rundum soll das Mauerwerk verstärken. (mit dpa)