Das Frühjahr bringt eine Gefahr mit sich, die oftmals noch unterschätzt wird. Denn in diesen Monaten steigt das Risiko einer Frühsommer-Meningoenzephalitis - kurz: FSME. Dahinter verbirgt sich eine Gehirn-, Hirnhaut- und Rückenmarkentzündung. Vor allem Erwachsene sind davon betroffen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Wie verbreitet sich FSME?
Durch Zeckenstiche gelangen Viren in den menschlichen Organismus. In der Folge lösen die Krankheitserreger die Entzündungen aus - laut „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ erkrankt etwa jeder dritte Gestochene. Deutlich seltener wurden auch schon Infektionen durch den Genuss von Rohmilch von Kühen, Ziegen oder Schafen festgestellt. Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist nach aktuellem Wissenschaftsstand nicht möglich.
Welche Symptome treten bei einer Erkrankung auf?
In den allermeisten Fällen treten nach zwei bis drei Wochen für einige Tage Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen oder Schwindel auf - also Merkmale einer Grippe. Bei jedem zehnten Erkrankten sind die Folgen jedoch weit schlimmer, nach einer weiteren Woche kommt es „zu einem zweiten Krankheitsgipfel mit Beteiligung des zentralen Nervensystems“. Hier können Entzündungen des Gehirns, der Hirnhäute (Meningoenzephalitis) oder des Rückenmarks (Myelitis) auftreten.
Anzeichen für den schweren Verlauf sind hohes Fieber, starke Kopfschmerzen und Erbrechen. Möglich sind auch Bewegungsstörungen, Lähmungen oder sogar ein verändertes Bewusstsein bis hin zum Koma. Bei älteren Menschen gerät vor allem das Rückenmark in Mitleidenschaft, erklärt die „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“, dies kann Schluck- und Sprachbeschwerden sowie Lähmungen im Gesichtsbereich oder Atemlähmungen zur Folge haben.
Bei Schwererkrankten sind lang anhaltende und dauerhafte Schäden nicht auszuschließen. Jeder hundertste Krankheitsfall, bei dem das zentrale Nervensystem betroffen ist, endet tödlich.
Kann FSME medizinisch behandelt werden?
Gegen die Krankheit gibt es keine ursächliche Behandlung. Allerdings können Ärzte gegen die Symptome wie das Fieber vorgehen.
Wer sollte sich impfen lassen?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät Bürgern, die in FSME-Risikogebieten leben oder sich dort aufhalten, zur Impfung. Dies betrifft in erster Linie Menschen, die sich gerne in der Natur aufhalten, also Spaziergänger, Jogger und Radfahrer im Grünen, Camper sowie Forstmitarbeiter und Beschäftigte in der Landwirtschaft.
Eine Grundimmunisierung besteht aus drei Impfungen. Die zweite folgt ein bis drei Monate nach der ersten, die dritte ist je nach Impfstoff nach fünf bis zwölf Monaten oder nach neun bis zwölf Monaten an der Reihe. Bereits 14 Tage nach der zweiten Dosis haben 90 Prozent der Geimpften einen Schutz aufgebaut, der für die anstehende Saison ausreichend ist.
Auffrischungsimpfungen sind nach drei Jahren möglich, sollte von einem fortbestehenden Ansteckungsrisiko ausgegangen werden. Danach sollte der Pieks in Abständen von fünf Jahren erfolgen, ab einem Alter von 50 respektive 60 Jahren abhängig vom Vakzin alle drei Jahre.
Welcher weitere Schutz ist möglich?
Gegen Zeckenstiche kann auch das Tragen von geschlossener Kleidung schützen. Also lange Hosen und Oberteile, Strümpfe, feste Schuhe, in die Strümpfe gesteckte Hosenbeine. Es gibt auch zeckenabweisende Mittel wie Sprays, die auf der Haut aufgetragen die Tiere zumindest für ein paar Stunden abhalten.
Da Zecken erst einige Zeit umherkrabbeln, ehe sie sich für eine Einstichstelle entscheiden, sollten Kleidung und Körper nach dem Aufenthalt im Freien sorgfältig abgesucht werden.
Unter welchen Bedingungen kommen Zecken besonders häufig vor?
Die am weitesten verbreitete Art ist der Gemeine Holzbock, der zu den Schildzecken zählt. Wie Christine Klaus, Fachtierärztin für Mikrobiologie und Parasitologie am Friedrich-Loeffler-Institut, im Focus erklärt, liebt dieser Wärme und ist besonders bei einer Lufttemperatur von acht Grad aktiv. Allerdings würden Zecken eine bestimmte Luftfeuchtigkeit bevorzugen, lang anhaltende Trockenheit ist also Gift für sie.
Anzutreffen seien die Tiere vor allem in Laub- und Mischwäldern, in Nadelwäldern sei der Untergrund dagegen zu trocken. Im Vergleich mit Wiesen gebe es in Wäldern doppelt so viele Zecken pro Quadratmeter, betont Klaus.
Können Zecken auch andere Krankheiten verbreiten?
Leider ja. Die „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ nennt etwa Borreliose. Wird diese nicht behandelt, drohen chronische Schädigungen des Herzens, der Nerven und der Gelenke. Auch die Haut wird in Mitleidenschaft gezogen. Gegen Borreliose gibt es noch keine Impfung, dagegen können Antibiotika Abhilfe schaffen. Da die entsprechenden Erreger erst nach einer zwölf- bis 24-stündigen Saugzeit von der Zecke auf den Menschen übergehen, bietet auch das schnelle Entfernen der Tiere einen Schutz.
Welche FSME-Risikogebiete gibt es in Deutschland?
Das Robert Koch-Institut (RKI) weist quasi den ganzen Süden Deutschlands als Risikogebiet aus. Dies umfasst Bayern und Baden-Württemberg bis auf ganz wenige Ausnahmen, einen Großteil Sachsens sowie den Süden von Hessen und Thüringen. Ausnahmen in Bayern sind lediglich die Städte München, Augsburg und Schweinfurt sowie der Landkreis Fürstenfeldbruck westlich der Landeshauptstadt.
Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt, wenn die gemeldete Zahl an FSME-Erkrankungen über einen Zeitraum von fünf Jahren „im Kreis selbst ODER in der Kreisregion (bestehend aus dem betreffenden Kreis plus allen angrenzenden Kreisen) signifikant (p < 0,05) höher liegt als die bei einer Inzidenz von 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner erwartete Fallzahl“. Die Karte wird in jedem Frühjahr aktualisiert.
In welchen Monaten treten FSME-Erkrankungen besonders häufig auf?
Als Hauptübertragungszeit wird April bis November angegeben. Verläuft der Winter milde, kann es auch in diesen Monaten zu vereinzelten Fällen kommen. Bei den gemeldeten Fällen seit 2019 lässt sich eine Häufung in den Kalenderwochen 25 bis 32 feststellen. Die den Erreger verbreitenden Zecken kommen in Mitteleuropa bis in Höhen von 2000 Metern vor.
Ist bei den FSME-Fallzahlen ein Trend ablesbar?
Im Grunde gibt es ein Auf und Ab. Über mehr als ein Jahrzehnt war 2006 mit 544 Fällen an der Spitze, Während für 2012 nur 195 Fälle registriert wurden, waren es 2018 mehr als jemals zuvor: 572. Das Jahr 2020 mit 712 Fällen sorgte hier aber für einen neuen negativen Rekord. 2021 sank die Zahl wieder deutlich um fast die Hälfte.
Welche Altersgruppen sind besonders betroffen?
Übermäßig viele Fälle wurden seit 2019 unter Personen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren registriert. Deutlich kleiner sind die Ausschläge bei Kindern und Jugendlichen sowie Senioren über 80. Ganz allgemein gibt die „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ an, dass Erwachsene ab 40 Jahren am häufigsten erkranken. Bei Kindern sei der Verlauf im Vergleich zu Jugendlichen und älteren Erwachsenen zumeist leichter.