Süßes naschen hilft beim Abnehmen nicht, das ist eine Binsenweisheit, oder? Im Internet werden spezielle Fruchtgummis beworben, die das Gegenteil beweisen sollen. Die Hersteller versprechen, dass die Fruchtgummis viele Pfunde purzeln lassen, unkompliziert und schnell - ohne Verzicht oder Sport. Im Internet gibt es eine große Auswahl an Produkten, auf Social-Media-Plattformen werden sie gepriesen. Aber was ist dran an dem Trend? Können Fruchtgummis tatsächlich beim Abnehmen helfen? Experten warnen davor.
Fruchtgummis zum Abnehmen: Kann das funktionieren?
Neu ist die Idee vom Abnehm-Gummibärchen nicht. Ein Autor mit dem Pseudonym Adrian Janson behauptete bereits 2011 in seinem Buch "Die Gummibärchen-Diät - Abnehmen mit Bärenkraft", er habe dank Fruchtgummis vor jeder Hauptmahlzeit acht Kilo in drei Monaten abgenommen. Das Wichtigste der Diät sei die richtige Dosierung und die Zeit, in denen die Bärchen verdrückt werden müssten, so der Autor. Trick dieser "absolut neuartigen Diät": ganz gewöhnliche Gummibärchen mit Zucker. Nichts könne das Sättigungsgefühl besser kontrollieren. "Man isst bei der Hauptmahlzeit weniger und nimmt so ab", meint zumindest Janson.
In letzter Zeit lebt die Hoffnung, mit Fruchtgummis abzunehmen wieder auf: Im Internet wird von Gummis geschwärmt, die mit künstlichen Ketonen, Koffein und Chrom, Biotin (Vitamin B7), Apfelessig, Grüntee- und Ingwerextraken zum Traumgewicht verhelfen sollen. Zwei am Tag reichen bei vielen Herstellern laut der Werbung schon aus, um Pfunde zu verlieren.
Auf den Websites der Anbieter werden alle Register gezogen. Dabei kommen laut Verbraucherzentrale Hessen "alle typischen Verkaufsargumente für unseriöse Wundermittel zum Abnehmen auf den Tisch". Überschriften wie „Schmilzt Fett schnell! Ohne Diät oder Sport“ verlocken mit dem häufigsten Wunsch von Abnehmwilligen zum Weiterlesen. Und wer sein Gewicht, seine Größe und sein Zielgewicht in einen Rechner eintippt, erfährt, dass das Wunschgewicht schnell und einfach in wenigen Wochen erreicht werden kann.
Keto-Gummis zum Abnehmen: Was sind Ketone?
Wer sich für eine ketogene Diät entscheidet, reduziert die Kohlenhydrat-Zufuhr drastisch und nimmt stattdessen fettreiche Lebensmittel zu sich: Fleisch, Eier, Milchprodukte und Nüsse. Die Idee: Den Energiemangel muss der Körper ausgleichen, indem er unter anderem die körpereigenen Energiedepots anzapft. "Dabei entstehen im menschlichen Organismus sogenannte Keton-Körper", erklärt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unserer Zeitung. Ohne diese alternativen Energieträger sei ein Überleben in einer Phase mit geringer Nahrungszufuhr nicht möglich. Sie retten den Körper in Hungerphasen, beim Fasten, bei ausgiebigem Sport oder kohlenhydratarmer und fettreicher Ernährung.
Abnehmen durch Keto-Gummis: Das sagt die Expertin
Solche Ketone, die der Körper sonst selbst bildet, sollen nun künstlich in manchen Abnehm-Fruchtgummis stecken. Das Versprechen: Dem Körper soll vorgemacht werden, dass er einen den Stoffwechsel wie in einer Hungerphase hat - und schneller Fett verbrennt. Was sagt die Ernährungsexpertin dazu? "Nur weil ich diese Gummibärchen mit Keton-Körpern esse, habe ich ja keinen Hungerstoffwechsel", erklärt Antje Gahl. Man nehme ja auch trotzdem andere Nährstoffe zu sich.
Sogar die Fruchtgummis selbst bestehen zum Großteil aus Zucker - einem Kohlenhydrat. Die Gummis seien dadurch "letztendlich völlig sinnfrei", so Gahl. Das würde den Prozess der Ketone im Körper ja konterkarieren, erklärt die Expertin. Außerdem gebe es für keinen der Inhaltsstoffe einen ausreichenden Beleg für eine Gewichtsreduktion. "Das ist ehrlich gesagt eher frei erfunden und nach europäischem Recht verboten." Das Fazit von Antje Gahl: "Das ist wirklich eher dubios und das sollte man wirklich tunlichst lassen." Das Geld für die Gummibärchen sollte man sich lieber sparen.
Übrigens: Die Keto-Diät gilt laut Experten als gefährlich und schwer durchzuhalten.
Verbraucherzentrale Hessen: Versprechen "völlig unrealistisch"
Auch die Verbraucherzentrale Hessen teilte im September mit, dass sich einige Verbraucher an sie gewandt hatten, um die Werbung der Abnehm-Gummis zu überprüfen. Und die mit den Rechnern auf den Websites prognostizierten Abnehm-Dauern seien "völlig unrealistisch". Und die genannten Studien? Diese Verweise sollen laut der Verbraucherzentrale den Angeboten Seriosität verleihen. "Allerdings werden die Studien entweder nicht konkret benannt, nicht verlinkt oder sind Untersuchungen mit Tieren oder kranken Menschen", so die Verbraucherzentrale Hessen.
Fruchtgummis zum Abnehmen: Falsche Versprechen, gefährliche Inhaltsstoffe
Die Wirksamkeit hält die Verbraucherzentrale für "äußerst fraglich" und für die Inhaltsstoffe für "nicht nachvollziehbar". Nach europäischem Recht – der Health Claims Verordnung – seien Gesundheitsversprechen verboten, solange sie nicht ausdrücklich zugelassen sind. "Für eine Zulassung sind umfassende Nachweise zur Wirksamkeit erforderlich", so die Verbraucherzentrale. Aber bei den Inhaltsstoffen der Fruchtgummis lägen keine Zulassungen in Hinblick auf eine Gewichtsabnahme vor.
Hinzu kommen Inhaltsstoffe, die teilweise gesundheitsgefährdend seien: Zum Beispiel. Epigallocatechingallat (EGCG), ein Bestandteil des Grünteeextraktes. Er kann in höheren Mengen sogar zu Leberschädigungen bis hin zu Leberversagen, erhöhtem Blutdruck und erhöhtem Augeninnendruck führen, so die Verbraucherzentrale.
Bei der Werbung nutzen die Anbieter der Fruchtgummis auch weitere Tricks: Auf zahlreichen Seiten findet man etwa den Zusatz "aus Die Höhle der Löwen", um potenzielle Käufer zu überzeugen. Aber wurden die Produkte wirklich in der VOX-Sendung "Die Höhle der Löwen" vorgestellt? Auf Anfrage unserer Zeitung schreibt eine Sprecherin der RTL-Gruppe, zu der VOX gehört, dass solche Abnehm-Fruchtgummis nie Teil der Sendung gewesen seien. Es handle sich um "Betrüger, die vom guten Ruf einer Marke wie 'Die Höhle der Löwen' profitieren möchten", so die Sprecherin.
Fruchtgummis zum Abnehmen: Das rät die Verbraucherzentrale
Die Verbraucherzentrale Hessen bezeichnet die Fruchtgummis als "dubiose Schlankheitsmittel". Und sie gibt Tipps, wie Verbraucher solche erkennen. Zum einen an Versprechen wie
- keine Diät und kein Sport erforderlich
- unglaubliche Abnehmerfolge in kürzester Zeit
- Wirkungen, die Körperfunktionen über das normale Maß hinaus verbessern oder steigern sollen
Als Faustregel gelte: Je größer und konkreter die Abnehmversprechen, umso unseriöser ist meist das Angebot. Zum anderen sei demnach auch Vorsicht geboten, wenn genauere Informationen fehlen zu
- Inhaltsstoffen des Produktes
- Anbieteradresse, Impressum
- Lieferbedingungen
- Widerrufsrecht
Außerdem sei Misstrauen angebracht, wenn der Firmensitz der Fruchtgummi-Hersteller im Ausland ist, so die Verbraucherzentrale. Aus Sicht der Verbraucherzentrale funktioniert ein Gewichtsverlust nicht ohne Ernährungsumstellung und mehr körperliche Aktivität – und daher auch nicht mit Fruchtgummis.
Übrigens: Einige Menschen greifen beim Abnehmen auch zu einem Medikament namens Ozempic beziehungsweise Wegovy. Dabei handelt es sich eigentlich um ein Diabetes-Medikament, welches die Kasse nicht in allen Fällen übernimmt. Zudem stehen die Abnehm-Medikamente in Verdacht, das Krebsrisiko zu erhöhen. Ein Medikament ist sogar so gefragt, dass es sogar schon zu einem Engpass kam - mit Folgen für Diabetes-Patienten. Andere Abnehmwillige versuchen es ganz ohne Diät, sondern nur mit Sport.