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Frankreich: Vergewaltigung eines jüdischen Mädchens wird zum Wahlkampfthema

Frankreich

Vergewaltigung eines jüdischen Mädchens wird zum Wahlkampfthema

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    Die Zahl der Angriffe auf jüdische Bürger stieg in Frankreich um 300 Prozent.
    Die Zahl der Angriffe auf jüdische Bürger stieg in Frankreich um 300 Prozent. Foto: Sarah Brock, dpa

    Wie konnte es so weit kommen, dass ein zwölfjähriges jüdisches Mädchen im Pariser Vorort Courbevoie von zwei Jugendlichen missbraucht wird – und das aus mutmaßlich antisemitischen Gründen? Diese Frage stellt sich ein ganzes Land. In Frankreich ist das Entsetzen über die Tat groß. Im laufenden Wahlkampf erhalten die Vorfälle auch eine besonders starke politische Dimension.

    Die Vertreter der Parteien äußerten nicht nur einhellig ihre Bestürzung – teilweise gaben sie auch ihren politischen Gegnern eine Mitverantwortung. So warf die Frontfrau des rechtsextremen Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, der Linkspartei LFI die „Stigmatisierung von Juden“ vor. Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon beklagte demgegenüber „antisemitischen Rassismus“ und „kriminelle maskuline Verhaltensweisen ab dem jüngsten Alter“.

    Opfer in Paris als "dreckige Jüdin" beschimpft

    Inzwischen werden immer mehr Details darüber bekannt, was sich am Samstag zugetragen hat. Den Erkenntnissen der Ermittler zufolge hatte sich das Mädchen am Nachmittag mit ihrem Freund in einem Park nahe der elterlichen Wohnung im Geschäftsviertel La Défense getroffen. Auf dem Heimweg zerrten sie drei Jugendliche im Alter von zwölf und 13 Jahren in ein leerstehendes Gebäude. Die beiden 13-Jährigen warfen sie ihrer Aussage nach zu Boden, beschimpften sie als „dreckige Jüdin“, bedrohten sie mit dem Tod, unter anderem mit einem Feuerzeug, entkleideten sie gewaltsam und vergewaltigten sie. Einer der Täter verbot ihr, zur Polizei zu gehen und trug ihr auf, am nächsten Tag um 16 Uhr wieder am selben Ort zu erscheinen – mit 200 Euro. Der Zwölfjährige filmte die Tat.

    Am Abend kehrte das Mädchen zu den Eltern zurück, die Anzeige auf einer Polizeiwache erstatteten. Eine gynäkologische Untersuchung bestätigte die Vergewaltigung. Dank der Mithilfe ihres Freundes wurden die drei mutmaßlichen Täter identifiziert und festgenommen. Ermittlungen wegen Gruppenvergewaltigung, Körperverletzung und Todesdrohungen wurden eingeleitet. Sollte sich das antisemitische Motiv bestätigen, läge eine besondere Schwere der Schuld vor.

    Täter gibt an, der Ex-Freund des jüdischen Mädchens zu sein

    Über die Identität der drei Jungen wurde bislang wenig bekannt. Medienberichten zufolge äußerten sie bei der Befragung zwar Mitgefühl für das Opfer, legten aber keine klaren Geständnisse ab. Einer der Jugendlichen soll ausgesagt haben, dass er wütend auf die Schülerin war, die seine Ex-Freundin gewesen sei, ihm aber verheimlicht habe, dass sie Jüdin sei. Ein anderer erklärte, sie habe schlecht über Palästina gesprochen.

    Seit dem Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sind die antisemitischen Straftaten in Frankreich laut Regierung um 300 Prozent angestiegen. Allein zwischen Januar und März dieses Jahres wurden 366 Fälle gemeldet. „Leider werden die Opfer von Angriffen immer jünger, sind manchmal erst im Grundschulalter und sogar bisher geschützte Orte wie die Schule sind nicht mehr vor Antisemitismus gefeit", sagte Jonathan Arfi, Präsident des Dachverbands der jüdischen Organisationen in Frankreich. Daraus ergebe sich eine kollektive Verantwortung der Gesellschaft, um vom Elternhaus oder den sozialen Medien beeinflusste junge Menschen zu mehr Weitblick zu verhelfen.

    Während Präsident Emmanuel Macron anordnete, dass es in den Schulen verstärkt Gespräche über Rassismus und Antisemitismus geben soll, erklärte der RN-Chef Jordan Bardella, im Fall einer absoluten Mehrheit seiner Partei bei den anstehenden Parlamentswahlen werde er für die „Wiederherstellung der Autorität und der Ordnung auf jedem Quadratmeter des Staatsgebietes“ sorgen. Der konservative Bürgermeister von Courbevoie, Jacques Kossowski, forderte seine Kollegen zur Zurückhaltung auf: „Versuchen wir, uns nicht an diesem Drama zu bedienen, um Politik zu machen.“ Er könne nicht begreifen, was in den Köpfen der Täter vor sich gehe, sagte er. Für ihn seien das „Monster“.

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