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Frankreich: Ein Glas Wein? Non, merci! Junge Franzosen trinken lieber Bier

Frankreich

Ein Glas Wein? Non, merci! Junge Franzosen trinken lieber Bier

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    Bier läuft dem Wein in Frankreich allmählich den Rang ab.
    Bier läuft dem Wein in Frankreich allmählich den Rang ab. Foto: Hendrik Schmidt (dpa)

    An Unterstützung von höchster politischer Stelle für Frankreichs Nationalgetränk Nummer eins mangelt es nicht. "Ich trinke mittags und abends ein Glas Wein", verriet Präsident Emmanuel Macron etwa im Jahr 2018. Seine damalige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, eine ausgebildete Ärztin, hatte erklärt, dass es sich bei Wein um "einen Alkohol wie jeden anderen" auch handele, nicht weniger schädlich als Whiskey oder Wodka. Während sie die Wut der Wein-Lobby auf sich zog, festigte Macron seinen Ruf als Bonvivant, ganz nach dem Vorbild eines seiner Vorgänger, des volksnahen Jacques Chirac. Macron wusste: Dass ein anderer Vorgänger, Nicolas Sarkozy, keinen Wein trinkt, machte diesen für viele Französinnen und Franzosen suspekt.

    Der Weinkonsum geht seit Jahrzehnten zurück

    Wenige Jahre später kann man feststellen: Immer mehr Menschen in Frankreich, diesem Land des Weines, wenden sich von dem Getränk ab. Einer Studie zufolge ging der Weinkonsum binnen 60 Jahren um 70 Prozent zurück. Trank also 1960 jeder Einwohner noch mehr als 120 Liter pro Jahr, waren es 2020 noch 40 Liter pro Kopf. Vor allem junge Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren ziehen Getränke mit weniger oder keinem Alkoholgehalt dem Wein vor. 

    Was aus gesundheitspolitischer Sicht eine gute Nachricht darstellt, ist für die französischen Weinbauern eine Katastrophe. "Egal, ob wir guten oder weniger guten Wein machen, wir können ihn nicht verkaufen", sagt Didier Cousiney, Sprecher eines Winzer-Zusammenschlusses im Département Gironde, in dem die weltberühmte Weinstadt Bordeaux liegt. Viele arbeiteten mit Verlust, beobachtet Cousiney und warnt: "Ich habe große Angst vor menschlichen Dramen." Die einzige Lösung sei, 15.000 Hektar Weinreben zu roden, um das Angebot zu verknappen und die Preise stabil zu halten. Von der Regierung fordern die Betroffenen 10.000 Euro pro Hektar. 

    Die Wein-Branche ruft in Frankreich um Hilfe

    Landwirtschaftsminister Marc Fesneau hat den Hilferuf der Branche vernommen – und versprach ihr 160 Millionen Euro. Zusätzlich sollen 40 Millionen Euro von der EU kommen. Das Geld soll unter anderem der Entschädigung von Winzerinnen und Winzern dienen, die ihren Rotwein an Destillerien verkaufen müssen. Aus dem Alkohol werden dann Desinfektionsmittel oder Bioethanol-Treibstoff hergestellt. Rotwein als Desinfektionsmittel – für die Wein-Nation Frankreich ist das bitter.

    "Diese Situation hat konjunkturelle wie strukturelle Gründe", erklärt Stéphane Héraud, Mitglied des Weinverbands von Bordeaux CIVB. Er zählt mehrere Krisen auf, darunter die coronabedingten Lockdowns mit Restaurant-Schließungen, die höhere Besteuerung französischer Weine in den USA unter Ex-Präsident Trump, den Krieg in der Ukraine und die Inflation. "Außerdem trieben die Klimaschäden der vergangenen Jahre manche Winzer in die Enge."

    Auch in den Supermärkten gehen die Wein-Umsätze zurück

    Weitere Zahlen, die die Wein-Misere verdeutlichen, kommen vom Marktforschungsinstitut IRI. Demnach ging der Wein-Verkauf im Supermarkt im Jahr 2022 um sechs Prozent zurück, beim Rotwein gar um 9,7 Prozent. Durch den höheren Anteil von Tannin gilt er vielen als nicht so bekömmlich als beispielsweise leichtere Rosé-Weine. Deren Absatz ging deutlich weniger stark zurück. 

    Schließlich hat Wein auch in Frankreich einen ernst zu nehmenden Konkurrenten: Bier. Besonders Mikro-Brauereien boomen. Ihre Zahl hat sich zwischen 2013 und 2019 auf mehr als 1600 verdreifacht. Demgegenüber sank die Zahl der Weinbaubetriebe zwischen 2000 und 2020 um mehr als 40 Prozent auf gut 52.000. 

    "Der Wein wurde von einem Getränk als Begleitung zum Essen zu einem Gelegenheitsgetränk", sagt Wirtschaftsprofessor Jean-Marie Cardebat. Ältere und Wohlhabendere tendierten zum Wein, Jüngere und Angehörige der Mittel- und Unterklasse zum Bier. Die Folgen sind massiv, hält man sich vor Augen, dass die Wein-Branche laut Cardebat mehr als 700.000 Arbeitsplätze in Frankreich sichert. Von denen sei ein Teil bedroht. Auch wenn Frankreich nur noch zweitgrößter Hersteller hinter Italien ist, handele es sich doch um den wichtigsten landwirtschaftlichen Bereich und ein Exportprodukt, das 2021 einen Überschuss von 13,7 Milliarden Euro eingebracht habe. Der Export-Anteil von französischem Bier ist dagegen minimal. Nicht zu vergessen: Die 10.000 Weinkeller ziehen jedes Jahr zehn Millionen Touristen an.

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