Hitzealarm in Südeuropa, Überschwemmungen in den USA, Heftige Regenfälle in Japan - Menschen haben in diesem Sommer in vielen Erdregionen mit Wetterextremen und ihren Folgen zu kämpfen. Studien zufolge häufen sich solche Ereignisse, was Wissenschaftler nicht überrascht.
"Vor zunehmender Hitze, Dürre und dadurch Bränden sowie Starkregen und dadurch Überschwemmungen infolge der Erderwärmung durch den Treibhausgasausstoß warnen die Klimaforscher seit Jahrzehnten", sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). "Die Vorhersagen treffen ja auch schon seit vielen Jahren ein, wie die Messdaten belegen."
Die Wetterextreme nähmen seit Jahrzehnten kontinuierlich zu, erläutert Rahmstorf. Dieser Trend könne sich fortsetzen. "Dieselben Extreme, die seit Jahrzehnten zunehmen, werden auch weiter zunehmen, solange die Welt nicht die Klimaneutralität erreicht hat." Dabei könnte es künftig sogar zu Ereignissen kommen, die es so in der jüngeren Vergangenheit noch gar nicht gegeben habe.
Schon jetzt seien viele Phänomene leicht erklärbar: "Höhere Temperaturen führen zu verstärkter Dürre, weil aufgrund der stärkeren Verdunstung die Böden und Vegetation schneller austrocknen, wenn es nicht viel regnet", erklärt Rahmstorf. Doch nicht nur Dürre ist eine Folge der Hitze. "Höhere Temperaturen führen auch zu mehr Extremniederschlägen, weil warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen und dann abregnen kann." Laut einer Studie im Fachjournal "Climate and Atmospheric Science" ist die Zahl der Niederschlagsrekorde stark gestiegen. Im Durchschnitt könne einer von vier rekordhohen Tagesniederschlägen auf den Klimawandel zurückgeführt werden.
Schnelles Handeln erforderlich
Der meteorologische Sommer zeigte in diesem Jahr schon viele Rekorde: So war der Juni laut EU-Klimawandeldienst Copernicus seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie so warm wie in diesem Jahr. Kanada leidet nach Angaben der dortigen Behörden unter der schlimmsten Waldbrand-Saison seiner Geschichte. Und die durchschnittliche globale Temperatur lag im Juli an mehreren Tagen über dem bisherigen Rekordwert aus dem Jahr 2016, wie aus "Climate Reanalyzer"-Daten der amerikanischen Universität von Maine hervorgeht.
Aus Sicht von Rahmstorf gilt es zu handeln - und zwar schnell. Es sei wichtig, durch raschen Klimaschutz das Unbeherrschbare zu vermeiden und sich gleichzeitig an den unvermeidlichen Teil des Klimawandels so gut wie möglich anzupassen, erklärt er. Im Pariser Abkommen hatten die Staaten vereinbart, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Doch Rahmstorf befürchtet, dass dieses Ziel verfehlt wird. "Solange fossile Energienutzung noch subventioniert wird, selbst gesetzte Klimaziele zum Beispiel im Verkehrssektor ignoriert werden und auch sofort wirksame Gratismaßnahmen wie ein allgemeines Tempolimit nicht genutzt werden, kann von ernsthaften Anstrengungen in Richtung 1,5 Grad nicht die Rede sein."
Beeinflusst der Klimawandel den Jetstream?
Europa sei mehr als andere Erdregionen der mittleren Breiten von zunehmender Hitze betroffen. "Dies wird auf häufigeres und anhaltenderes Auftreten einer Wetterlage mit doppeltem Jetstream zurückgeführt, wie sie aktuell wieder herrscht", erklärt Rahmstorf.
Der Jetstream ist ein bandartiges Starkwindfeld in etwa zehn Kilometern Höhe, das sich über den nördlichen Breiten um die Erde windet. Bei einem doppelten Jetstream spaltet sich dieser in zwei Äste auf. Die Jetstream-Lagen halten dadurch länger an und sorgen laut einer Studie des PIK für häufigere Hitzewellen in Westeuropa.
Weltweit kann der wellige Jetstream auch große Ausbuchtungen ausbilden. Bleiben diese über einer Region stehen und ziehen nicht weiter um die Erde herum, dann können sich auch ungünstige Wetterlagen dort über lange Zeit festsetzen. Es werde gerade diskutiert, inwiefern der Klimawandel zur Verstärkung dieses Phänomens beitrage, sagte der Klimaforscher Kai Kornhuber vom Thinktank Climate Analytics und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Längere Hitzeperioden möglich
Gesichert ist, dass sich die Arktis derzeit schneller erwärmt als die Regionen am Äquator, folglich wird der Temperaturunterschied geringer. Dieser Unterschied sei aber ein Haupttreiber von großskaligen Winden, erklärte Kornhuber. Daher könne seine Verringerung ein zusätzlicher Grund dafür sein, dass sich die atmosphärische Zirkulation in den mittleren Breiten verlangsamt und Extremwetter länger in einer Region vorherrschen.
Insgesamt sehe es jedenfalls so aus, als ob die Wettermuster auch regional persistenter werde – also etwa eine Hitzewelle länger anhalte, so Kornhuber. Insbesondere in Regionen großer Trockenheit könnten sich durch Wechselwirkungen Hitze und Trockenheit weiter verstärken. "Unbestrittene Hauptursache des verstärkten Auftretens von Hitzewellen ist allerdings die Erwärmung der Atmosphäre durch die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen", betonte auch Kornhuber.
Nach jüngsten Daten der Weltwetterorganisation WMO erreichten die Konzentrationen der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas in der Atmosphäre 2021 jeweils neue Höchstwerte. Es bestehe die Sorge, dass Ökosysteme an Land und die Ozeane immer weniger CO2 aufnehmen können. Bislang puffern sie einiges CO2 ab. In einigen Landregionen der Welt sei der Übergang von der CO2-Senke zur -Quelle bereits im Gange, etwa in Teilen des Amazonasregenwalds.
Klimaforscher: Weitere Faktoren neben Erderwärmung
Auch in den Meeren zeigen die Temperaturen diesen Sommer Extremwerte. Generell liege das auch am "Anstieg der Treibhausgase in unserer Lufthülle", sagt Rahmstorf. Von der dadurch zusätzlich eingefangenen Energie gingen wegen der Wärmespeicherfähigkeit des Wassers etwas mehr als 90 Prozent in den Ozean. "Daher gibt es dort seit Jahrzehnten regelmäßig neue Wärmerekorde."
Nach den "Climate Reanalyzer"-Daten liegt die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Meere seit März auf Rekordhöhe: Jeder einzelne Tag ist der wärmste für sein jeweiliges Datum. Messbeginn war vor 40 Jahren. In den vergangenen Tagen lag die Temperatur jeweils circa 0,8 Grad höher als im Schnitt zum selben Zeitraum der Jahre 1982 bis 2011.
Rahmstorf geht davon aus, dass neben der Erderwärmung mehrere weitere Faktoren zu dem Anstieg beitragen. Dazu gehöre auch das El-Niño-Ereignis, das im tropischen Pazifik die Oberflächentemperaturen steigen lasse. El Niño ist ein natürliches Phänomen, das alle paar Jahre auftritt. Es kann die Folgen des Klimawandels verschärfen, weil es einen zusätzlich wärmenden Effekt hat. Je nach Weltregion gibt es durch El-Niño mehr Hitze und Dürren oder mehr Überschwemmungen.
(Von Christian Johner, dpa)