Die schlimmste Unwetter- und Flutkatastrophe in Spanien seit Jahrzehnten hat Dörfer zerstört, mehr als 200 Menschen getötet, noch immer gelten Dutzende als vermisst. Und selbst Überlebende sind schwer gebeutelt: Landwirte etwa, deren Ernten vernichtet wurden. Das dürfte sich demnächst in europäischen Supermärkten bemerkbar machen. Die besonders betroffene Region um Valencia ist der bedeutendste Zitrusfrüchtegarten des südeuropäischen Landes. Und der größte Kunde ist der deutschsprachige Raum mit Deutschland, Österreich und der Schweiz. Werden nun in der kommenden Advents- und Weihnachtszeit die Mandarinen und Apfelsinen knapp?
Die Bilder aus dem Umland Valencias, Spaniens Orangenhauptstadt, sprechen für sich: Viele Plantagen, auf denen die Zitrusfrüchte für Europa wachsen, stehen unter Wasser. Andere sind mit einer dicken Schlammschicht überzogen, die die Jahrhundertflut Ende Oktober hinterlassen hat. Auch Hagelkörner so groß wie Tennisbälle fielen während des stundenlangen Unwetters vom Himmel und zerschlugen Apfelsinen, Mandarinen, Zitronen und Kakis.
Unwetter in Spanien: Früchte für Weihnachten zerstört
Die Bauern befürchten das Schlimmste für ihre Ernten. Auch wenn sie ihre Felder vielerorts noch nicht aus der Nähe in Augenschein nehmen konnten, weil Wasser und Schlamm immer noch zu hoch sind. Oder weil Zufahrtsstraßen und Brücken rund um ihre Plantagen weggespült wurden. Aber nach der Prüfung von Luftbildern, die von Hubschraubern oder Drohnen aufgenommen wurden, befürchten sie, dass vielerorts 100 Prozent der Früchte auf ihren Äckern verloren sind.
Die Landwirtschaftsverbände sprechen von einem „Desaster”. Nicht nur die Ernte dieses Jahres sei vernichtet worden. Auch die Erträge der nächsten Jahre seien in Gefahr. „Dort, wo alles überschwemmt ist, werden die Bäume sterben”, sagt José Vicente Andreu, der Chef der örtlichen Agrarvereinigung Asaja. Die genaue Höhe des Schadens sei noch unkalkulierbar, aber er betrage sicherlich mehrere hundert Millionen Euro, zumal vielerorts auch Bewässerungssysteme, Treibhäuser, Lagerräume und landwirtschaftliche Maschinen zerstört worden seien.
Aber nicht nur Zitrusfrüchte und Kakis, deren Haupterntezeit kurz bevorstand, sind betroffen. Wein, Mandeln, Avocados, Oliven und Gemüse werden ebenfalls vor den Toren der Großstadt Valencia angebaut. Und auch von diesen Plantagen ist nicht mehr viel übrig. Mit dem Unwetter sind im Hinterland Valencias örtlich bis zu 600 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen – so viel wie normalerweise in einem ganzen Jahr. Die Lage auf den Feldern sei, ähnlich wie für die Bevölkerung in den umliegenden Ortschaften, „katastrophal”, erklären die Bauern.
Hinzu kommt noch ein weiteres Problem. Das Horror-Unwetter legte Teile des Transportsystems lahm. Mehr als 20.000 Schwerlaster hingen in der Region Valencia fest, teilte der spanische Dachverband der Transporteure mit. Grund: Viele Autobahnen und Landstraßen wurden von den Schlamm- und Wasserfluten schwer beschädigt. Darunter sind die von Spanienurlaubern viel benutzte Autobahn A-3 zwischen Madrid und Valencia sowie die Mittelmeer-Autobahn A-7. Der Schienenverkehr in der Katastrophenregion ist gleichfalls unterbrochen.
Die Gefahr durch die explosive Unwetterfront, die Valencia heimsuchte, ist noch nicht gebannt. Sie verließ zwar die Region Valencia, zog aber über dem spanischen Festland weiter und sorgt nun in anderen Gebieten für Schäden. Vor allem in den Regionen Katalonien und Andalusien – ebenfalls zwei wichtige Agrargebiete Spaniens. Es könnten also noch weitere Hiobsbotschaften für die spanischen Landwirte und damit auch für die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher drohen.
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