Rund 4.300 Menschen aus ganz Deutschland sind nach Angaben von kirchlichen Beobachtern im vergangenen Jahr vom Frankfurter Flughafen aus abgeschoben worden. Dabei sei es in mehreren Fällen zu Verstößen gegen humanitäre Ansprüche gekommen, hieß es im jüngsten Tätigkeitsbericht der Beobachter.
«Typische Problemkonstellationen» sind dem Tätigkeitsbericht zufolge zurückgelassenes Gepäck, fehlende Medikamente, mangelnde Informationen über den Ablauf, Trennung von Familien und Verständigungsprobleme. In vielen Fällen werde die Abschiebung jedoch ohne große oder besondere Probleme vollzogen, heißt es im Fazit.
Träger der Abschiebungsbeobachtung sind die Diakonie Frankfurt und Offenbach sowie der Caritasverband für die Diözese Limburg, die je eine halbe Stelle finanzieren. Finn Dohrmann (27) und Melisa Ergül-Puopolo (46) waren 2023 bei rund 1.200 Abschiebungen mit Linien- oder Charterflügen dabei.
Wo die Beobachter Defizite sehen
Wenn es Probleme gibt, beginnen diese nach Einschätzung der Beobachter mit der Abholung. «Besonders bei Sammelmaßnahmen in Westbalkanstaaten wurden vermehrt Familien mit (Klein-)Kindern zum Teil mitten in der Nacht abgeholt», heißt es in dem Bericht. «Immer häufiger berichteten Rückzuführende, dass sie bei der Abholung weder die Möglichkeiten hatten, zu packen, noch ihr Geld vom Konto abzuheben.»
Kritisch äußert sich der Tätigkeitsbericht auch zur Abschiebung Kranker. Im vergangenen Jahr seien «vermehrt Krebspatienten abgeschoben worden». Änderungsbedarf sehen die Beobachtenden auch bei Ärzten, die am Flughafen die Flugtauglichkeit bescheinigen müssen - gerade bei Chartermaßnahmen bleibe «kaum Zeit für eine angemessene Anamnese».
Kinder als Dolmetscher
«Das Thema Rückführung und Kindeswohl stellt seit Jahren bundesweit einen Schwerpunkt der unabhängigen Abschiebungsbeobachtung», heißt es in dem Bericht. Die Beobachter sehen es kritisch, wenn Familien getrennt werden und wenn Kinder als Dolmetscher eingesetzt werden.
Müssen Minderjährige zum Beispiel ihren Eltern eine angedrohte Zwangsmaßnahme erklären, sei das eine «eindeutige Kindeswohlgefährdung». Dolmetscher seien bei Abschiebungen auf Linienflügen so gut wie nie vor Ort.
Aus Bayern besonders oft gefesselt
Zwangsmaßnahmen wie Handschellen oder Kopfschutz sind zwar gesetzlich erlaubt, müssen aber verhältnismäßig sein. Abzuschiebende aus Bayern seien «übermäßig oft gefesselt» gewesen, heißt es in dem Bericht. Bei Chartermaschinen nach Afrika sei das sogar «flächendeckend» zu beobachten gewesen.
Die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei, die die Abschiebung am Flughafen durchführt, empfinden die Beobachter als «respektvoll». Auch die Bundespolizei spricht von einer «vertrauensvollen Zusammenarbeit». Der Jahresbericht trage zur Transparenz der polizeilichen Maßnahmen bei, sagt Sprecher Jörg Martienßen.
Innenminister: Wer Straftaten begeht, hat kein Recht zu bleiben
Hessen will vor allem Straftäter noch konsequenter abschieben. «Die Abschiebung von Straftätern hat für uns oberste Priorität», sagte Innenminister Roman Poseck (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. «Wer bei uns schwere Straftaten begeht, hat kein Recht zu bleiben.»
Nach Angaben des Ministeriums wurden im vergangenen Jahr 1.406 Menschen aus Hessen abgeschoben. Dazu kamen mehr als 2.000 freiwillige Ausreisen. Ende August waren in Hessen 12.775 Personen ausreisepflichtig.
«Das Hauptproblem ist, dass Abschiebungen in viele Länder wegen der Situation vor Ort oder der fehlenden Kooperation der Herkunftsstaaten nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sind», so Poseck. «Trotz aller Anstrengungen bei Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen bleibt es für mich dabei, dass wir das Migrationsproblem nur über eine erhebliche Begrenzung des Zuganges werden lösen können.»
Menschenrechte schützen
«Trotz des zunehmenden Drucks müssen die Menschenrechte von Abzuschiebenden geschützt werden», sagt Rechtsanwältin Ergül-Puopolo, die schon seit 2016 Abschiebungen beobachtet. Die kirchliche Abschiebungsbeobachtung am Frankfurter Flughafen besteht seit 2006.
Ihr Eindruck aktuell: «Man versucht, alles abzuschieben, was abgeschoben werden kann, um dem politischen Druck standzuhalten», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Mit Blick auf den Fachkräftemangel findet die Juristin das «völlig unverständlich». Zum Teil würden Menschen in genau die Länder abgeschoben, in denen Deutschland um Arbeitskräfte werbe - gerade etwa zwei junge Frauen kurz vor Beginn ihrer fest zugesagten Ausbildung.
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