Das Gute zuerst: Noch immer ist zum Schluss eines "Tatort" der Täter dingfest gemacht und die Welt wieder in Ordnung. Und noch immer sorgt der Sonntagskrimi für Anschlusskommunikation. Was nicht immer die reinste Freude ist, aber im Grunde positiv – gibt es doch nicht mehr allzu viele (Fernseh-)Erlebnisse, die die Gesellschaft miteinander teilt. Nun das Schlechte, das bereits im Mai absehbar war, als Medien besorgt titelten: "'Tatort'-Hype am Ende?". Jetzt, im Dezember, herrscht Gewissheit: Der Deutschen liebste und kultigste Krimireihe schwächelt und, so die Deutsche Presse-Agentur, verliert weiter an Kraft.
Man muss bis 2011 zurückgehen, um einen niedrigeren Wert zu finden
Damit geht es dem "Tatort" gewissermaßen wie seinem Publikum gegen Ende eines kräftezehrenden Jahres, in dem stärker der misstönende Dreiklang von Krise, Katastrophe, Krieg angestimmt wurde als Klaus Doldingers "Tatort"-"Tata-tata". In Zahlen: Nach ARD-Angaben schalteten zwischen Neujahr und dem zweiten Advent rund 8,6 Millionen Menschen jede Erstausstrahlung ein. Heißt: Die mittlere Reichweite im Vergleich zum selben Zeitraum 2022 ist um etwa 500.000 Zuschauerinnen und Zuschauer gesunken. Man müsse bis 2011 zurückgehen, um einen niedrigeren Wert zu finden.
Der "Tatort" in der Krise? Kommt auf die Sichtweise und auf das Erinnerungsvermögen an. Als sich die New York Times 2009 dem deutschen TV-Phänomen widmete, kamen die Folgen in der Regel auf sieben Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer. Dass der "Tatort" stets überaus beliebt gewesen sei, ist ohnehin ein verbreiteter populärer Irrtum. Zumindest empfiehlt sich der genaue Blick. Zu Zeiten einer überschaubaren Anzahl öffentlich-rechtlicher Programme und ohne Privatsender-Konkurrenz schauten teils mehr als 20 Millionen Menschen zu. In den 90ern erlebte die Reihe einen Einbruch, samt Allzeittief von 1,11 Millionen Zuschauern bei der Erstausstrahlung von "Ein Hauch von Hollywood" mit Roiter und "Zorro" Zorowski. Die Folge war allerdings wegen Einwänden seitens der ARDund wegen des Fußball-WM-Endspiels auf Montag, 23 Uhr, verschoben worden. Eine Kritik vermerkte, sie wirke, als würde Helge Schneider "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" inszenieren.
So durchlebte der "Tatort" seit seiner Premiere am 29. November 1970 diverse Krisen. Ende der 70er/Anfang der 80er hörten Darsteller wie Gustl Bayrhammer auf. Als Grund nannte der, dass die Drehbücher immer schlechter geworden seien. Kommissare kamen und gingen, das Privatfernsehen jedoch war gekommen, um zu bleiben – und setzte mit "Sex & Crime" dem betulichen "Tatort" zu. Auch was Michael Fitz, einst der "Carlo" im Münchner "Tatort", vor ein paar Jahren sagte, hat nichts von seiner Richtigkeit und Allgemeingültigkeit eingebüßt. "Von drei 'Tatorten', die wir im Jahr gedreht haben, waren zwei gut", stellte er fest. Sowie: Leider werde die Reihe nicht besser, wenn sie inflationär werde. Das geschah. Gab es früher jährlich zehn bis zwölf Folgen, ermitteln heute gefühlt in jeder großen und inzwischen auch nicht so großen Stadt Deutschlands "Tatort"-Teams.
Die Quoten des "Tatort" schwanken enorm
Die Einschaltquoten schwanken dabei enorm. Der Weihnachts-"Tatort" von 2022 mit dem Münchner Erfolgsduo Batic und Leitmayr, "Mord unter Misteln", erreichte bloß 4,09 Millionen Menschen – während ihr jüngster Einsatz in "Königinnen" bundesweit von knapp neun Millionen gesehen wurde und in Bayern mit einem Marktanteil von 37,1 Prozent der erfolgreichste Münchner "Tatort" seit 2013 war. In diesem Jahr wird noch eine Erstausstrahlung gezeigt, am 26. Dezember und aus Frankfurt. Erfolgreichster "Tatort" 2023 dürfte die im März gesendete Folge "MagicMom" aus Münster mit 13,46 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern sein. Tata-tata!