Nichts gegen Katharina Wackernagel, wirklich nicht. Sie ist eine wunderbare Schauspielerin und müht sich in der Neuauflage von "Mord mit Aussicht" als Kommissarin Marie Gabler redlich. Nur: Es hilft nichts. Leider. Und so ist das Wiedersehen – am Dienstagabend lief die inzwischen vierte Staffel des "Schmunzelkrimis" im Ersten an – nicht zum Lachen.
Was vor allem daran liegt, dass die Dorfpolizisten, die Gabler befehligt, dümmer sind als die Polizei erlaubt. Und sich der Charme vor allem der ersten Staffel, die mit viel Liebe zum Detail inszeniert war, nicht einfach ein paar Jahre später neu beleben lässt, indem man das einstige Erfolgskonzept mehr oder minder eins zu eins kopiert, nur eben mit drei anderen Hauptfiguren.
Die ARD lobt die Neuauflage in salbungsvollen Worten
Die Erwartungen der ARD im Vorfeld waren hoch, und liest man in der begleitenden Pressemappe, muss man sogar ein wenig schmunzeln angesichts des salbungsvollen Tons, den Jörg Schönenborn (ARD Koordinator Fiktion) anschlägt: "Der Wiedereinstieg ist ein bisschen wie Heimkommen nach längerer Zeit. Manche Dinge haben sich geändert, aber das Grundgefühl ist doch Vertrautheit."
Schön wäre es. Vertraut und gut immerhin, dass bekannte Figuren wieder mit dabei sind – allen voran Petra Kleinert als Heike Schäffer und Michael Hanemann als Hans Zielonka. Aber was ist nur aus ihnen geworden! Verbittert sind sie, wie der Rest des fiktiven Eifeldorfs Hengasch im Landkreis Liebernich. Was früher liebevolle Kauzigkeit war, ist jetzt Grimmigkeit.
Während Gablers Vorgängerin – die ebenfalls aus Köln ins Provinznest strafversetzte Sophie Haas (Caroline Peters) – sämtlichen Schrullen mit ihrer eigenen Schrulligkeit begegnete, bleibt Gabler ernst. Und wo der grandiose Bjarne Mädel als Dietmar "Bär" Schäffer und Meike Droste als Bärbel Schmied ein nie einfältiges Polizistenduo gaben, sind Sebastian Schwarz als Heino Fuss und Eva Bühnen als Jennifer Dickel einfach "drüber": Dick-und-Doof-Figuren, mal grimassierend, mal dämlich dreinblickend.
Gerade die Vielschichtigkeit sämtlicher Figuren machte einmal den Reiz der Serie "Mord mit Aussicht" aus
Dabei machte gerade die Vielschichtigkeit sämtlicher Figuren den Reiz der Serie "Mord mit Aussicht" aus, deren letzte Folge um Sophie Haas Ende 2014 als Erstausstrahlung gezeigt wurde. Sie und die anderen waren keine Dorfdeppen, sondern Menschen, die immer wieder hinfielen und immer wieder aufstanden. Die in ihrer Bodenständigkeit (Schäffer und Schmied) und ihren Wünschen (Haas) im besten Sinne gewöhnlich waren.
So gelang es, dass dieser "Schmunzelkrimi" – zumindest in den ersten beiden Staffeln – viel mehr war als ein Krimi mit eingestreutem Witz, Comedy-Momenten oder Schenkelklopfer-Szenen. Das Schmunzeln, das er Folge für Folge auf den Gesichtern der Zuschauerinnen und Zuschauer hinterließ, entstand aus dem Schmunzeln mit den Figuren, nicht über sie. In den Bewohnerinnen und Bewohnern von Hengasch konnte sich ein Millionenpublikum wiedererkennen – ohne, dass das wehtat. Das war originell und "frisch". Nie auch wurde, zum Beispiel, ein Pantoffelheld besser gespielt als von Bjarne Mädel.
Eine Weiterentwicklung – von Figuren oder Handlung – war offensichtlich nicht gewünscht
DieARD, die vom einstigen Erfolg zehren will (im Schnitt 6,52 Millionen Zuschauer im Jahr 2014), hätte ihn damals weiter haben können. Hätte sie ernsthaft und nicht bloß in "Sonntagsreden" gewürdigt, was sie an der Serie hatte.
Stattdessen stieg Bjarne Mädel aus – verärgert über die Kürzung der Drehtage. Damals sagte er der Süddeutschen Zeitung, dass sich an der Serie nach Ansicht der Macher nur ja nichts verändern dürfe: "Die eigentliche Arbeit eines Schauspielers ist es, kreativ zu sein, aber da kommt man kaum noch zu. Man liefert dann nur noch ab."
Kreativ kann man die Neuauflage von "Mord mit Aussicht" nicht nennen, eine Weiterentwicklung – von Figuren oder Handlung – war offensichtlich nicht gewünscht. Das jedoch wäre zumindest eine echte Chance nach einer mehrjährigen Pause gewesen. Überaus erfolgreich waren die beiden ersten von sechs neuen Folgen gleichwohl: Durchschnittlich 6,89 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen am Dienstag nach einem "Brennpunkt" zum Ukraine-Krieg von 20.35 Uhr an "Hengasch, Liebernich" und im Schnitt 6,43 Millionen danach "Kartoffelking".