Wie halten Sie es mit der Politik? Wo kommen Sie ursprünglich her? Sind Sie geimpft? Wenn ein potenzieller Arbeitgeber solche Fragen stellt, sollten bei Bewerberinnen und Bewerbern die Alarmglocken läuten. Und doch finden immer wieder übergriffige Fragen ihren Weg in Interviews. Was muss der Arbeitgeber wirklich wissen, wann haben Bewerber das Recht zu lügen und wann nicht? Zwei Rechtsexperten geben Antworten.
Welche Fragen sind im Vorstellungsgespräch erlaubt - welche nicht?
In Vorstellungsgesprächen sind grundsätzlich nur Fragen erlaubt, die in engem Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Stelle stehen. «Aus den Antworten soll vor allem hervorgehen, ob der Bewerber die nötigen Eigenschaften und Fähigkeiten mitbringt, die für die Tätigkeit erforderlich sind», sagt Kaarina Hauer, Leiterin Rechtsberatung der Arbeitnehmerkammer Bremen.
«Fragen nach diesen Merkmalen können dazu führen, dass Vorurteile und Stereotype in die Entscheidungsfindung einfließen. Außerdem sind oft sehr persönliche Aspekte des Lebens eines Bewerbers betroffen», erklärt Daniel Stach, Arbeitsrechtler in der Bundesverwaltung der Gewerkschaft Verdi in Berlin.
Fragen wie «Wollen Sie Kinder?» sind deshalb in Vorstellungsgesprächen tabu, sie verletzten das Recht auf Privatsphäre. Ebenso unzulässig sind Fragen nach der Religionszugehörigkeit, politischen Ansichten, nach Zugehörigkeiten in bestimmten Parteien oder Gewerkschaften, nach ethnischer Herkunft, Familienstand, familiären Verpflichtungen, sexueller Orientierung oder Gesundheit.
Manchmal ist eine eigentlich unzulässige Frage für die Besetzung der Stelle aber so wesentlich, dass sie dennoch gestellt werden darf. «So kann etwa für die zu besetzende Stelle eines Kassierers nach Strafen wegen Vermögensdelikten gefragt werden, auch, wenn die allgemeine Frage nach Vorstrafen in der Regel unzulässig ist», erläutert Stach.
Darf man bei unzulässigen Fragen lügen?
Ja. Wer in einem Vorstellungsgespräch unzulässige Fragen gestellt bekommt, hat faktisch ein «Recht zur Lüge», wie Stach sagt. Dieses Recht resultiere daraus, dass Schweigen als Verbergen von ungünstigen Umständen gedeutet werden könne, so eine Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Seither sei allgemein anerkannt, dass sich eine nicht wahrheitsgemäße Antwort eines Bewerbers auf eine unzulässige Frage nicht nachteilig auswirken darf, so der Jurist.
Ob eine Frage zulässig oder unzulässig ist, können Bewerberinnen und Bewerber auf die Schnelle jedoch oft nicht zweifelsfrei feststellen, gibt Kaarina Hauer zu bedenken. Hier kann es sich lohnen, sich vorzubereiten. Zum Beispiel über die Internetangebote der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Welche klugen Reaktionen gibt es auf unzulässige Fragen?
Um ein vielsagendes Schweigen oder Lügen zu vermeiden, können Kandidatinnen und Kandidaten versuchen, diplomatisch auf übergriffige Fragen zu reagieren. Etwa, indem sie darauf hinweisen, dass eine Frage unzulässig ist. Daniel Stach schlägt Antworten vor wie:
Nach dem Prinzip «Wer fragt, der führt» hält es Kaarina Hauer für sinnvoll, im Zweifel Rückfragen zu stellen, inwieweit erfragte Informationen für das künftige Arbeitsverhältnis relevant seien. Damit locke man den Arbeitgeber aus der Defensive.
Wer das Gefühl hat, diskriminiert zu werden, dem empfiehlt Daniel Stach, die unzulässigen Fragen zu dokumentieren. Sie können für mögliche rechtliche Schritte, etwa eine Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), von Relevanz sein.
Und was passiert, wenn man bei der Frage nach den Kompetenzen zu dick aufträgt?
Ein paar Jahre Berufserfahrung dazu geschummelt oder mit den Excel-Skills übertrieben? Dass sich Bewerbende möglichst positiv darstellen wollen, ist verständlich. Dennoch sollte man es mit der Wahrheit genau nehmen. Wer bei berechtigten Fragen nach Fähigkeiten oder Berufserfahrung übertreibt, läuft Gefahr, das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber zu gefährden, so Daniel Stach. Außerdem setzen sich Beschäftigte mit einer unrealistischen Einschätzung ihres Könnens selbst unter Druck. Das könne zu Stress und einer hohen Belastung führen.
Welche rechtlichen Konsequenzen sind möglich?
Und: Wer auf erlaubte Fragen des Arbeitgebers unwahr antwortet, steht auch rechtlich auf dünnem Eis. Die Folgen können von arbeitsrechtlichen Sanktionen bis zur Kündigung oder einer Anfechtung des Arbeitsvertrags reichen. «Das Arbeitsverhältnis wäre dann wegen arglistiger Täuschung anfechtbar und das ist ein scharfes Schwert. Dabei wird das Arbeitsverhältnis sofort und ohne Kündigungsschutz beendet», warnt Kaarina Hauer.
Die Kündigung wegen einer Lüge unterliege allerdings strengen Voraussetzungen, so Stach. «Zuerst muss sich die Lüge auf wesentliche Informationen beziehen, die für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind.» Die Lüge müsse außerdem eine Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber darstellen, die so schwer wiegt, dass es dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzuführen. Außerdem dürfe kein milderes Mittel als die Kündigung zur Verfügung stehen, um das Vertrauen wiederherzustellen. Im Zweifel sollten sich Beschäftigte beraten lassen.
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