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Maddie McCann: Was ist der aktuelle Stand im Vermisstenfall?

Fall Maddie

Kommt bald neuer Schwung in den Fall Maddie McCann?

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    Eine Kerze und ein Porträtfoto von Madeleine McCann stehen in Praia da Luz (Portugal). Ein Bild aus dem Jahr 2017, zehn Jahre, nachdem das britische Mädchen verschwand.
    Eine Kerze und ein Porträtfoto von Madeleine McCann stehen in Praia da Luz (Portugal). Ein Bild aus dem Jahr 2017, zehn Jahre, nachdem das britische Mädchen verschwand. Foto: Steve Parsons, PA Wire/dpa (Archivbild)

    Praia da Luz ist ein malerisches Feriendorf an der portugiesischen Algarve-Küste. Weiß getünchte Hausfassaden leuchten in der Wintersonne. Palmen säumen die Promenade des Badeortes, dessen Name auf Deutsch „Strand des Lichtes“ bedeutet. Doch über

    Ein Fall, der Millionen Menschen bewegte, immer wieder eine andere Wendung nahm, die Welt in regelrechte Lager spaltete. Ermittlerinnen und Ermittler aus verschiedenen Ländern standen mehrmals vor dem vermeintlichen Durchbruch. Seit Jahren gibt es einen Verdächtigen, einen Deutschen mit enger Verbindung nach Bayern, der wegen einer anderen Gewalttat im Gefängnis sitzt und wegen weiterer Taten aufs Neue angeklagt worden ist. Doch wann wird der Vermisstenfall Maddie endlich gelöst?

    Zehn Jahre nach dem Verschwinden von Maddie gab es die erste heiße Spur

    Praia da Luz also, rund 3500 Einwohnerinnen und Einwohner. Hier verschwand vor nahezu 16 Jahren spurlos die dreijährige Madeleine, die Tochter des britischen Urlauberpaars Kate und Gerry McCann. Seitdem versucht die Polizei herauszufinden, was mit der kleinen Maddie geschehen ist. Das Letzte, was man von ihr weiß, ist: Die Eltern hatten die Kleine am 3. Mai 2007 in ihrem Ferienappartement ins Bett gebracht. Dann waren sie in einem nahen Restaurant zum Abendessen gegangen. Als sie zurückkamen, war Madeleine nicht mehr da.

    Seitdem gingen die Ermittler unzähligen Hinweisen nach. Ein Heer von Polizisten drehte jeden Stein in Praia da Luz um. Sogar die Eltern, die parallel eine aufwendige internationale Suchkampagne starteten, wurden unter die Lupe genommen und vorübergehend verdächtigt. Aber alle Spuren verliefen im Sand. 

    Erst zehn Jahre nach dem rätselhaften Verschwinden Madeleines, im Jahr 2017, kam erstmals Hoffnung auf eine Wende in dem mysteriösen Kriminalfall auf. Die Polizei bekam einen heißen Tipp. Und zwar nicht aus Portugal, sondern aus Deutschland. Dort meldete sich ein Mann bei den Sicherheitsbehörden, der sein Gewissen erleichtern wollte. Er berichtete, dass ein Bekannter an einem bierseligen Abend in der niedersächsischen Stadt Braunschweig damit geprahlt habe, „alles über Madeleine zu wissen“. Zudem habe ihm dieser Bekannte auf dem Handy Videos vom sexuellen Missbrauch mehrerer Frauen gezeigt. 

    Der Verdächtige Christian B. wohnte zeitweise auch in Augsburg

    Dieser Hinweis brachte die Polizei auf die Spur eines vorbestraften deutschen Serientäters namens Christian B., ein gebürtiger Würzburger, der schon als Jugendlicher wegen des Missbrauchs Minderjähriger aufgefallen war. Und der als Erwachsener lange Zeit in Portugal gelebt hatte.

    Der Strand in Praia da Luz, jenem Ort in Portugal, in dem die britische Familie damals Urlaub machte.
    Der Strand in Praia da Luz, jenem Ort in Portugal, in dem die britische Familie damals Urlaub machte. Foto: Armando Franca, AP/dpa (Archivbild)

    Die weiteren Untersuchungen bestärkten den Verdacht, dass B. etwas mit Madeleine zu tun haben könnte: Eine portugiesische Handynummer, die B. zugeordnet wird, war zum Tatzeitpunkt in Praia da Luz geortet worden. Zudem wohnte B. viele Jahre an der Algarve – zeitweise sogar in der Nähe von Praia da Luz. Zwischendurch kehrte er immer wieder nach Deutschland zurück, und zwar nach Augsburg, wo er in den Jahren 2007 und 2008 – also just zur Tatzeit – im Schlachthof-Quartier wohnte. Inzwischen gilt Christian B. als Hauptverdächtiger im Fall Madeleine. Die Staatsanwaltschaft in Braunschweig ermittelt in dieser Sache wegen Mordverdachts gegen den heute 45-Jährigen.

    B. wird mittlerweile nicht nur mit einem möglichen Gewaltverbrechen an Madeleine in Verbindung gebracht, sondern mit einer ganzen Reihe von Sexualstraftaten, die er – zum Teil mit brutaler Gewaltanwendung – in Portugal begangen haben soll. Wegen einer dieser Taten, der Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Amerikanerin im Jahr 2005, wurde B. inzwischen schuldig gesprochen. Das Landgericht Braunschweig verurteilte ihn deswegen 2019 zu sieben Jahren Haft, die er derzeit verbüßt. 

    Bald steht ein neuer Prozess gegen Christian B. an – aber nicht im Fall Maddie

    Die Tat fand ebenfalls in Praia da Luz statt, nicht weit von jener Ferienanlage, aus der Madeleine zwei Jahre später verschwand. B. war abends in das Haus der Frau eingedrungen, hatte sein Opfer gefesselt und dann vergewaltigt. Per Videokamera filmte er den Gewaltakt.

    Bald soll der nächste Prozess gegen ihn anstehen – wann genau, ist noch offen. Die Staatsanwaltschaft in Braunschweig, wo B. zuletzt mit Wohnsitz gemeldet war, hat erneut Anklage gegen ihn erhoben. Aber nicht wegen eines mutmaßlichen Gewaltverbrechens an Madeleine. Sondern wegen fünf anderer Sexualstraftaten, die Christian B. in den Jahren 2000 bis 2017 in Portugal zugeschrieben werden. 

    Die Staatsanwaltschaft wirft B. konkret drei Taten der jeweils schweren Vergewaltigung und zwei Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern vor. Alle Taten sollen sich an oder nahe der portugiesischen Algarve ereignet haben, wenigstens zwei davon in Praia la Luz. Bei den Opfern handelt es sich laut Staatsanwaltschaft um eine ältere Touristin unbekannter Nationalität, um ein minderjähriges deutschsprachiges Mädchen und um eine 20-jährige Urlauberin aus Irland. Alle drei wurden gefesselt und mit Peitschenhieben misshandelt.

    Wo der neue Prozess stattfinden soll, ist noch unklar

    In allen drei Fällen filmte der Täter die Vergewaltigungen. In den beiden Fällen des sexuellen Missbrauchs soll sich B. 2007 und 2017 am Strand und auf einem Spielplatz vor Kindern entblößt und dabei masturbiert haben. Im zweiten Missbrauchsfall wurde er von der Polizei am Tatort festgenommen. Nun feilscht er über seinen Anwalt darum, wo ihm sein nächster Prozess gemacht wird. Das kostet Zeit – und das nutzt dem Würzburger.

    Die Staatsanwaltschaft in Braunschweig hatte die Anklage bereits vorbereitet, sie ist in alle Details des Falles eingearbeitet. Aber Verteidiger Friedrich Fülscher sagt, der Prozess müsse, ebenso wie später ein möglicher Prozess im Fall Maddie, an einem anderen Gericht stattfinden – an dem sich Richter und Staatsanwalt erst mühsam in die Fälle einarbeiten müssten. Das Landgericht Braunschweig sei nämlich gar nicht zuständig.

    In Braunschweig hatte Christian B. 2016 seinen letzten in Deutschland gemeldeten Wohnsitz. Doch sein Anwalt sagt, dies sei nicht wesentlich für die Frage, welches Gericht zuständig ist. Entscheidend sei, wo er sich tatsächlich zuletzt aufhielt. Dem Anwalt zufolge wohnte der Beschuldigte vor seiner Festnahme im Ausland zuletzt auf einem Grundstück in Sachsen-Anhalt. Zuständig wären damit Staatsanwaltschaft und Gericht in Magdeburg. Denkbar wäre auch Frankfurt am Main, "da der Beschuldigte dort im Rahmen der Auslieferung an die deutschen Behörden übergeben wurde", so Fülscher.

    Die Ermittler suchen im Fall Maddie noch immer nach Beweisen

    Die Braunschweiger Behörden prüfen das derzeit. Die Prüfung der Zuständigkeit und das womöglich notwendige Einarbeiten einer neuen Staatsanwaltschaft und eines neuen Gerichts an einem anderen Standort dürften einen Prozess um Monate verzögern. Sicher ist: Würzburg, wo er bei Pflegeeltern und dann in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche lebte, kommt für einen Prozess nicht infrage. Von dort verschwand Christian B. schon 1995 auf Nimmerwiedersehen nach Portugal, wo er zeitweise mit einer Frau aus Schweinfurt zusammenlebte. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes lebte er zwischen 1995 und 2007 "mehr oder weniger dauerhaft" an der Algarve.

    Die Staatsanwaltschaft Braunschweig, hier Staatsanwalt Hans Christian Wolters, hat gegen den auch im Fall Madeleine McCann verdächtigen Deutschen Christian B. Anklage wegen mehrerer Sexualstraftaten erhoben.
    Die Staatsanwaltschaft Braunschweig, hier Staatsanwalt Hans Christian Wolters, hat gegen den auch im Fall Madeleine McCann verdächtigen Deutschen Christian B. Anklage wegen mehrerer Sexualstraftaten erhoben. Foto: Moritz Frankenberg, dpa (Archivbild)

    Während die Braunschweiger Staatsanwaltschaft bei ihrer fünffachen Anklage glaubt, genügend gegen Christian B. in der Hand zu haben, sucht sie im Fall Madeleine noch immer nach Beweisen, um ihn auch dafür verantwortlich machen zu können. Die Ermittlerinnen und Ermittler glauben, dass er das Mädchen entführt, missbraucht und umgebracht hat. B. hat im vorigen Jahr in einem handgeschriebenen Brief aus der Haft an die Medien seine Unschuld beteuert.

    Indizien, dass sich die Tat so abgespielt haben könnte, gibt es angeblich: B. soll davon fantasiert haben, ein Kind zu kidnappen, zu missbrauchen und dann spurlos verschwinden zu lassen. Die Ermittler gehen davon aus, dass Madeleine, die am 12. Mai 20 Jahre alt werden würde, nicht mehr lebt. Er wolle „etwas Kleines einfangen und tagelang benutzen“ hatte B. laut dem Magazin Spiegel in einem Sex-Chat geschrieben, der in den Ermittlungsakten dokumentiert sei. Auf die Bemerkung eines Chat-Partners, dass dies riskant sei, soll B. geantwortet haben: „Och, wenn die Beweise hinterher vernichtet werden.“

    Fahnder hoffen auf neue Hinweise aus der Bevölkerung

    Bestätigt wurde diese Information bislang nicht. Die Staatsanwaltschaft verweist darauf, dass angesichts der noch laufenden Untersuchungen keine Informationen zum Stand der Dinge an die Öffentlichkeit gegeben werden. Die Ermittler schließen aber nicht aus, dass im kommenden Prozess gegen B. – wann immer der beginnen mag – neue Erkenntnisse zu Madeleines Schicksal zum Vorschein kommen.

    In diesem Verfahren soll offenbar auch jener Zeuge gehört werden, der mit seinem Hinweis auf B. und dessen Vergewaltigungsvideos die Ermittlungen ins Rollen brachte. Zudem hoffen die Fahnder, die auf der Internetseite des Bundeskriminalamtes die Öffentlichkeit weiter um Mithilfe bitten, auf neue Hinweise aus der Bevölkerung.

    Vor einer behördlichen Anklage wegen Mordes im Fall Madeleine wollen die Ermittler sicher sein, den Richtigen auf der Anklagebank zu haben. B. wird aller Voraussicht nach noch etwa drei Jahre hinter Gittern sitzen. Und Mord verjährt – im Gegensatz zu Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch – nicht.

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