In den überfluteten Gebieten in Mittelgriechenland sind am Freitag Hunderte Menschen aus Dörfern gerettet worden. Sie waren wegen der Wassermassen tagelang von der Umgebung abgeschnitten. Vor allem viele ältere und kranke Menschen, aber auch Schwangere und Kleinkinder wurden mit Hubschraubern auf einen Sportplatz der Stadt Karditsa gebracht, wie griechische Medien berichteten.
In den vergangenen Tagen sollen insgesamt mehr als 2000 Menschen in Sicherheit gebracht worden sein. Die Zahl der Toten stieg derweil am Freitag auf sieben.
Viele Gerettete waren am Ende ihrer Kräfte, manche hatten tagelang nichts gegessen und kaum getrunken. "Ich habe Kriege und Hungersnot erlebt, aber so etwas noch nie", sagte die 104 Jahre alte Stavroula Brazioti, die aus dem Ort Piniada geholt worden war, dem Sender ERTnews. "Eine alte Nachbarin schwamm tot in ihrer überschwemmten Küche, nur fünf Häuser von unserem entfernt", berichtete eine Frau aus dem Ort Palamas dem Sender Skai. "Die Rettungskräfte sagten, sie würden erst die Lebenden retten und dann die Toten bergen."
Mitsotakis sagt Betroffenen umfassende Hilfe zu
Auch zwei Österreicher wurden vermisst. "Zum aktuellen Zeitpunkt müssen wir leider bestätigen, dass zwei österreichische Staatsbürger am von den Unwettern stark betroffenen Pilion vermisst werden", bestätigte das Außenministerium in Wien der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Ein Vermieter von Ferienwohnungen in der Ortschaft Xinovrysi hatte bereits am Dienstag griechischen Medien gesagt, dass ein junges österreichisches Ehepaar von der Sturzflut erfasst worden und samt Ferienhaus ins Meer gespült worden sei. Seitdem fehle jede Spur vom Paar, das aus Graz stammen soll. Eine offizielle Bestätigung der griechischen Behörden gab es jedoch bis zum Freitag nicht.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte den Betroffenen umfassende Hilfe zu. "Ich möchte, dass Sie wissen, dass wir alles Menschenmögliche tun werden. Ich verstehe den Ärger und die Wut", sagte Mitsotakis mit Blick auf die Kritik der parlamentarischen Opposition, die angesichts der großen Schäden ein Versagen der Regierung feststellte. Er verstecke sich nicht, sondern sei in diesen schwierigen Zeiten da und werde den Menschen und auch den lokalen Verwaltungen den Rücken stärken, sagte Mitsotakis.
Es werde keine Diskussion um Ressourcen geben, es gehe um die schnelle Umsetzung. "Wir werden das Geld finden, egal ob es sich um nationale oder europäische Mittel handelt", sagte Mitsotakis. "Wir sind in der Lage, es schaffen zu können." Am Donnerstag hatte bereits EU-Parlaments-Vizepräsidentin Katarina Barley EU-Hilfe gefordert. Wie bereits bei früheren Naturkatastrophen in anderen Mitgliedstaaten solle der EU-Solidaritätsfonds für den Wiederaufbau in Anspruch genommen werden, hatte die SPD-Politikerin gesagt.
Die griechische Wetterbehörde EMY erklärte das Sturmtief "Daniel" derweil für beendet. Seit Montag hatte es sich über der mittelgriechischen Region Thessalien festgesetzt und bis Donnerstag angehalten. Die Niederschlagsmengen von "Daniel" übertrafen alles, was griechische Meteorologen bislang gemessen hatten. So fielen örtlich zwischenzeitlich mehr als 700 Liter Wasser je Quadratmeter in weniger als 24 Stunden.
Felder stehen meterhoch unter Wasser
Eine Karte, die der griechische Wetterdienst Meteo veröffentlichte, zeigte das Ausmaß der Überschwemmungen. Besonders dramatisch ist die Lage demnach in der Gemeinde Karditsa, die einem großen See gleicht. Insgesamt seien rund 72.000 Hektar Fläche überschwemmt.
In der Hafenstadt Volos mit rund 150.000 Einwohnern ist die Lage ebenfalls katastrophal: Die Stadt ist weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten, weil Straßen überflutet oder zerstört sind und unzählige Tonnen Matsch in die Stadt gespült wurden. Das Trinkwasser und auch Nahrungsmittel in Supermärkten gingen zur Neige, berichteten griechische Medien.
Noch sind die Schäden kaum abzusehen. Die gesamte Region Thessalien gilt als die "Kornkammer" Griechenlands, hier stehen die meisten Felder teils meterhoch unter Wasser. Was das für die Landwirte und die Ernte bedeutet, ist noch kaum abzuschätzen. Fachleute sprachen in griechischen Medien von Schäden bei Infrastruktur und Landwirtschaft, die in die Milliarden gehen könnten.
(dpa)