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Fahrverbote bei der Ölkrise 1973 erklärt

Autofreie Sonntage

So liefen die Fahrverbote bei der Ölkrise 1973

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    Wer eine Sondererlaubnis hat, darf durch – ansonsten kostete es 500 Mark. Das Sonntags-Fahrverbot 1973 sorgte für leere Straßen in Deutschland.
    Wer eine Sondererlaubnis hat, darf durch – ansonsten kostete es 500 Mark. Das Sonntags-Fahrverbot 1973 sorgte für leere Straßen in Deutschland. Foto: Klaus Heirler, dpa (Archiv)

    Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen – das war in der Ölkrise vor 40 Jahren nicht anders als im heutigen Ukraine-Krieg. Damals wie heute bereiteten der Ölmarkt den Politikern Kopfzerbrechen.

    Sparmaßnahmen waren nötig, denn der Brennstoff war knapp. Also trat am 25. November 1973 eine Sparmaßnahme der besonderen Art in Kraft: Das "Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung" – und mit ihm das Sonntags-Fahrverbot. Vier autofreie Sonntage wurden angeordnet, um Sprit zu sparen.

    Fahrverbot bei Öl-Krise 1973: Autofreie Sonntage sorgten für kuriose Szenen

    Das zwang die meisten deutschen Autofahrer dazu, ihren PKW stehen zu lassen – mit kuriosen Folgen: Autobahnen wurden zu Fußgänger-Zonen, Landstraßen zu Rollschuh-Rennbahnen und Fahrrad-Highways. Immer wieder wurde im Radio darauf hingewiesen, wie gefährlich das ist. Den Deutschen war das damals egal: Manch einer nahm sogar die Autobahn-Auffahrt mit der Pferdekutsche.

    Für andere Deutsche hatte das Fahrverbot fatale Folgen: Blumenhändler beklagten einen 70-prozentigen Umsatzausfall, weil viele am Totensonntag nicht zum Friedhof fuhren. Und auch in Ausflugslokalen blieben die meisten Tische leer. Könnte die Bundesregierung nun wieder die Autos von den Straßen verbannen?

    Nahost-Konflikt und die Ölkrise 1973: Gründe für das Sonntags-Fahrverbot

    Ein rares Gut ist Erdöl ohnehin. 1973 war das noch ein bisschen mehr als sonst der Fall. Die Organisation der erdölexportierenden Länder OPEC hatte eine Ölkrise ausgelöst: Sie wurde damals von arabischen Ländern beherrscht. Indem die Scheichs den Öl-Hahn zudrehten, wollten sie den Westen dazu bringen, seine israelfreundliche Haltung im Nahost-Konflikt aufzugeben.

    Der Ölpreis kletterte von rund drei US-Dollar pro Barrel (159 Liter) auf über fünf. 1974 kostete das Barrel sogar über zwölf US-Dollar: Die Folge: Die Wirtschaftskrise verschärfte sich, es kam zu Entlassungen und Kurzarbeit. Die Spritpreise explodierten.

    "Zum ersten Mal seit dem Ende des Krieges wird sich morgen und an den folgenden Sonntagen vor Weihnachten unser Land in eine Fußgängerzone verwandeln", sagte der damalige SPD-Kanzler Willy Brandt in einer Fernsehansprache. "Wir sparen dort, wo wir es uns leisten können zu sparen: im privaten Bereich, der 40 Prozent des Energieverbrauchs ausmacht."

    Auch andere Länder hatten solche Fahrverbote. Die Österreicher durften sich zum Beispiel aussuchen, an welchen Wochentag ihr Auto in der Garage bleibt.

    Autofreie Sonntage in der Ölkrise sollten Sprit sparen – mit Erfolg?

    Mit dem Fahrverbot, einem Tempolimit von 100 km/h und Rationierungen an den Zapfsäulen sollte 1973 in Deutschland also Öl eingespart werden – ganze zehn Prozent allein durch das Sonntagsfahrverbot! Das hoffte der damalige Kanzler zumindest. Dazu gekommen ist es jedoch nicht. Die Verhaltensweisen der Verbraucher haben sich in den vier Wochen kaum verändert.

    Außerdem durften an den vier autofreien Sonntagen am 25. November sowie dem 2., 9. und 16. Dezember Taxis, Rettungswagen, Polizeiautos oder Lieferanten von frischen Waren auf die Straßen. Einige andere bekamen ebenfalls eine Sondergenehmigung. Wer diese nicht hatte und trotzdem fuhr, musste Strafe zahlen: Zuerst 80 Mark, später dann 500.

    Die autofreien Sonntage wirkten also nur mäßig. Und: Es war Winter. In Deutschland wird zwar das meiste Öl auf den Straßen verbraucht, aber ein Großteil wird eben auch zum Heizen benötigt – und das konnte die damalige Bundesregierung schlecht verbieten.

    Sparmaßnahmen in der Ölkrise: Auch langfristige Verhaltensänderungen blieben aus

    In den letzten 40 Jahren ist der Bedarf beim Heizen zwar zurückgegangen. Das liegt allerdings nicht daran, dass die Menschen mehr sparen. Heute sind Häuser energetischer. Zudem sind viele seitdem umgesteigen und heizen mit Gas oder anderen Wärmequellen.

    Und Auto gefahren? Wird mehr denn je. Dasdamals eingeführte Tempolimit von 100 km/h hatte nur eine kurze Lebensdauer von gerade einmal vier Monaten. Seitdem gelten die heutigen Richtgeschwindigkeiten.

    Energiekrise 2022: Bringt der russische Krieg in der Ukraine das Sonntags-Fahrverbot zurück?

    Trotz der Lehren aus 1973 wird angesichts des angespannten Ölmarktes und der hohen Spritpreise auch heute wieder über einen autofreien Sonntag debattiert. SPD-Chefin Saskia Esken hat zumindest ein zeitweises Tempolimit oder Fahrverbote nicht ausgeschlossen. Andere Befürworter einer historischen Wiederauflage des Fahrverbotes sind die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker (Bündnis 90/Die Grünen), der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV), sowie Benjamin Stephan von Greenpeace.

    Die Internationale Energieagentur IEA schlägt als Fahrverbot, Version 2.0 vor, abwechselnd gerade und ungerade Nummernschilder auf die Straßen zu lassen.

    Könnte ein Fahrverbot in Deutschland heute einen Effekt haben im Gegensatz zu vor 40 Jahren? Experten bezweifeln das. Trotzdem hätte es eine Wirkung. Neben dem positiven, ökologischen Effekt wäre es vor allem das Signal, das an Russland gesendet werden würde: "Wir kommen auch ohne euer Öl gut aus." Eine Lösung des Problems ist ein autofreier Sonntag allerdings nicht.

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