Es ist die jüngste der rasanten Entwicklungen, welche sich derzeit rund um Twitter ergeben hat, in Zeiten des Homeoffice gut vorstellbar: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sitzen am Freitag zu Hause vor ihren Laptops und warten auf eine wichtige Mail. So weit, so normal. Doch im Falle der Twitter-Angestellten soll in dieser Mail stehen, ob sie weiter für den Kurznachrichtendienst arbeiten dürfen oder die Sachen packen müssen. Betreff: "Ihre Rolle bei Twitter." Das kündigte das US-Unternehmen in einer Rundmail an, welche am Donnerstagabend von einigen Medien aufgegriffen wurde.
Eines ist im Zuge der Twitter-Übernahme durch Elon Musk mittlerweile klar: Sie wirft mehr Fragen auf als sie Antworten gibt. Wir sind ihnen nachgegangen und versuchen, sie einfach zu beantworten.
Wie konnte Elon Musk Twitter kaufen?
Anfang des Jahres 2022 begann der Flirt von Musk mit Twitter, im April kündigte der reichste Mensch der Welt dann den Kauf des Kurznachrichtendienstes an. In der Folge schloss er einen Kaufvertrag mit dem Tech-Konzern. Twitter stellt ein börsennotiertes Unternehmen dar. Deswegen musste Musk den Deal mit der US-Börsenaufsicht SEC abklären. Er vereinbarte einen Kaufpreis von 54,20 US-Dollar pro Aktie. Damit war der Weg für den Kauf von Twitter frei.
Wie viel musste Musk für Twitter bezahlen?
Der Kauf der Social-Media-Plattform hat Musk 44 Milliarden Dollar gekostet. Auch für den reichsten Menschen der Welt kein Kleingeld. Der gebürtige Südafrikaner, der auch einen kanadischen und einen US-amerikanischen Pass besitzt, finanzierte den Deal teilweise dadurch, dass er Aktien seines Unternehmens Tesla verkaufte. Außerdem fand er Investoren und nahm Kredite in Höhe von 13 Milliarden Dollar auf.
Warum gab es bei der Twitter-Übernahme ein so langes Hin und Her?
Die Twitter-Übernahme glich in manchen Phasen beinahe einer Seifenoper. Zunächst schien das Begehren von Musk groß, dann kam er plötzlich mit Anschuldigungen um die Ecke und wollte den Deal abblasen. Im Juli erklärte der Tech-Milliardär die Kaufvereinbarung für ungültig. Der Grund: Twitter hätte falsche Angaben zur Anzahl von Fake-Accounts gemacht, welche sich bei dem Onlinedienst tummeln. Außerdem prangerte Musk an, dass Twitter seinem Potenzial rund um die freie Meinungsäußerung nicht gerecht werde.
Twitter wollte den Rückzug vom Kaufvertrag nicht akzeptieren und zog vor Gericht. Was noch zur endgültigen Verwirrung fehlte: Eine Gegenklage von Musk, die nicht lange auf sich warten ließ. Bevor es zu dem mit Spannung erwarteten Gerichtsprozess kommen konnte, machte Musk einen Rückzug vom Rückzug. Der Deal wurde in der Folge zu den ursprünglich verhandelten Konditionen durchgeführt.
Was hat Musk mit Twitter vor?
Die wohl wichtigste und zugleich komplizierteste Frage. Im Zuge der Übernahme hatte Musk sich auf Twitter selbst den Namen "Chief Twit" verpasst. Mit seinem Account hat der Unternehmer derzeit knapp 114 Millionen Follower. Zur Einordnung: Das sind deutlich mehr als US-Präsident Joe Biden, nur etwas weniger als der ehemalige Präsident Barack Obama und ungefähr so viele wie Superstar Justin Bieber. Musk selbst ist also schon seit langer Zeit ein Nutzer des Kurznachrichtendienstes, auf dem er immer wieder seine Sicht der Dinge mitteilt. Doch das erklärt noch nicht, warum Musk Twitter nun gekauft hat.
Wenn es nach dem 51-Jährigen geht, dann will Musk vor allem die Meinungsfreiheit vorantreiben. "Ich habe mir Twitter gekauft, weil es für die Zukunft der Zivilisation bedeutend ist, einen gemeinsamen digitalen Ort zu haben, an dem ein breites Spektrum von Überzeugungen auf gesunde Weise diskutiert werden kann, ohne auf Gewalt zurückgreifen zu müssen", erklärte er (natürlich) auf Twitter. Er glaubt, dass das Versprechen von Meinungsfreiheit derzeit so wichtig wie nie ist: "Es besteht zurzeit die große Gefahr, dass sich soziale Netzwerke in rechte oder linke Echokammer aufteilen, die mehr Hass verursachen und unsere Gesellschaft spalten." Musk glaubt, dass freier Meinungsaustausch auf Twitter derzeit nicht möglich ist. Darüber stritt er sich in letzter Zeit immer wieder, unter anderem mit Stephen King.
Alle Pläne von Musk sind noch nicht klar, doch nach und nach kommen immer mehr Details ans Tageslicht, welche seine geplanten Veränderungen beschreiben. Die wichtigsten im Überblick:
- Musk will Twitter von Bots befreien.
- Musk will die Moderation von Inhalten bei dem Kurznachrichtendienst auf ein Minimum herunterschrauben.
- Musk will, dass sich Twitter zu großen Teilen selbst reguliert.
- Musk will Geld für verifizierte Accounts verlangen.
- Musk will zahlreiche Stellen abbauen.
- Musk will einige gesperrte Personen (wie wohl auch Donald Trump) wieder freischalten.
Kritiker behaupten, dass Musk mit diesen Schritten die Meinungsfreiheit nicht stärken, sondern massiv gefährden wird.
Warum entlässt Musk so viele Twitter-Mitarbeiter?
Musk will bei Twitter wohl rund 3700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor die Tür setzen. Das entspricht in etwa der Hälfte aller Arbeitsplätze, die es vor seiner Übernahme bei Twitter gegeben hatte. Zahlreiche führende Angestellte hat er bereits entlassen, die anderen warteten am Freitag auf ihre E-Mails. Am Freitag durfte niemand bei Twitter ins Büro. Wohl eine Vorsichtsmaßnahme, um Proteste von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verhindern.
In der Rundmail hieß es, dass der massive Stellenabbau "unglücklicherweise notwendig" sei, "um den Erfolg des Unternehmens in der Zukunft sicherzustellen". Twitter war in den letzten Jahren immer wieder in rote Zahlen geraten und befand sich in einer Abwärtsspirale.
Will Musk Gebühren für Twitter-Nutzung einführen?
Die Nutzung von Twitter soll auch in Zukunft kostenlos sein. Allerdings soll die Verifizierung von Accounts kostenpflichtig werden. Bei dieser geht es um weiße Haken auf blauem Grund, welche die Echtheit eines Profils garantieren sollen. Einen solchen Haken bekommen Twitter-User in Zukunft wohl nur noch, wenn sie ein Blue-Abo bei Twitter abgeschlossen haben. Derzeit liegt der Preis für dieses bei 4,99 Dollar, er soll aber auf acht Dollar angehoben werden. Die Verifizierung wird also zu einem Privileg für zahlende Abonnenten. Mit diesem Schritt will Musk Twitter wohl vor allem profitabler machen.
Die geplanten Gebühren für die weißen Häkchen sorgen derzeit wohl für die größte Empörung und die meiste Kritik. Passend dazu: Statt "Chief Twit" hat Musk mittlerweile eine andere Beschreibung seiner selbst in sein Twitter-Profil gepackt: "Twitter Complaint Hotline Operator", also "Twitter-Beschwerde-Hotline-Betreiber".
Warum trug Elon Musk ein Waschbecken in den Twitter-Hauptsitz?
Auch diese Frage ist berechtigt. Es war ein bizarres Bild bei einem der ersten Auftritte von Musk am Twitter-Hauptsitz in San Francisco. Ein Clip, den er selbst auf Twitter verbreitete, zeigte ihn beim Betreten des Eingangsbereichs – mit einem Waschbecken in der Hand. Warum?
Es handelt sich dabei um ein zum Leben erwecktes Wortspiel, welches durch den Satz klar wird, den Musk zu dem Video schrieb: "Let that sink in". Der Satz kann im Englischen zum einen bedeuten, dass man etwas auf sich wirken lassen soll. Eine andere Bedeutung ist folgende: "Lass das Waschbecken herein". Im Netz wird das Wortspiel häufig verwendet, um sich über vermeintlich tiefsinnige Äußerungen und Sachverhalte lustig zu machen.