Aus der Ferne sieht sie beeindruckend wie eh und je aus, die „eiserne Dame“. Ein metallisches Konstrukt, das filigran und wuchtig zugleich erscheint, ein architektonisches und technisches Meisterwerk, aus der Zeit gefallen. Nur wer näher kommt und genau hinsieht, erkennt, dass an manchen Stellen des Pariser Eiffelturms die Farbe abblättert und Rost sich festgesetzt hat. Denn die eiserne ist auch eine alte Dame. Vor nunmehr 133 Jahren wurde sie vom Architektenbüro Gustave Eiffels anlässlich der Pariser Weltausstellung im Jahr 1889 errichtet.
Zunächst hieß es, der Turm werde nach 20 Jahren wieder abgebaut, den etliche Intellektuelle empört als Schandfleck kritisierten. Dann aber machte sich das Bauwerk nützlich, diente dem Militär im Ersten Weltkrieg als Telekommunikationszentrum und ließ sich als Sendeantenne einsetzen: 1921 wurde von hier das erste öffentliche Radioprogramm in Europa und 1935 das erste französische Fernsehprogramm ausgestrahlt.
Wird der Eiffelturm eines Tages fallen? – "Gustave Eiffel würde in Ohnmacht fallen"
Längst handelt es sich um ein unvergängliches Wahrzeichen der Hauptstadt. Deshalb hat ein Bericht des Wochenmagazins Marianne die Bewohner aufgeschreckt, demzufolge es in einem schlechten Zustand sei. „Wir sahen (die Kathedrale) Notre-Dame brennen, werden wir den Eiffelturm umstürzen sehen?“, wird provokant gefragt und ein leitender Angestellter des Monuments anonym mit den Worten zitiert: „Wenn Gustave Eiffel das sähe, er würde in Ohnmacht fallen.“
Die Zeitschrift hat mehrere vertrauliche Berichte seit 2010 ausgewertet. Demnach wird seit Jahren regelmäßig vor Rissen, Rost und unzureichender Instandhaltung gewarnt. Einer Untersuchung aus dem Jahr 2016 zufolge waren 884 der insgesamt 18.000 Bauteile fehlerhaft, 68 unter ihnen stellten ein Risiko für die Struktur dar. Auch die aktuelle 20. Bemalungsaktion, die 2019 begann, wird in dem Artikel von Marianne scharf kritisiert. Sie sei teuer und ineffizient. „In der Eile streicht man an manchen Stellen nur eine einzige Farbschicht über die vorhandenen Schichten, die abblättern“, sagt ein Fachmann, der wiederum namentlich nicht genannt ist.
Alle sieben Jahre wird der Eiffelturm gestrichen – derzeit ist er ockerfarben
Hatte nicht Gustave Eiffel persönlich in seinem Buch „Der 300-Meter-Turm“ festgehalten, dass die Farbe ein essenzielles Element für die Erhaltung eines metallischen Bauwerks sei und die Pflege, die ihr zuteil wird, die einzige Garantie für seine Dauer? Gab es diesbezüglich Versäumnisse? Die Betreibergesellschaft Sete, die zu 99 Prozent der Stadt Paris gehört, weist diesen Vorwurf entschieden zurück. Wöchentlich würden Tests der Struktur durchgeführt. Eiffels Empfehlung zufolge werde der Turm im Schnitt alle sieben Jahre komplett gestrichen – derzeit wieder in einer Ockerfarbe.
„Zum ersten Mal in seiner Geschichte haben wir die gesamten Farbschichten am südlichen Bogen komplett entfernt, so wie in einem der Berichte empfohlen“, sagt der Sete-Generaldirektor Patrick Branco Ruivo. „Dabei entdeckten wir, dass es sich um einwandfreies Eisen handelt.“
Die fehlerhaften Elemente ersetze man nach und nach. Von einem kompletten Schließen des Monuments für die Besucher, um es tief greifend zu reinigen, sieht Sete ab. Das würde zu enormen Einnahmeverlusten führen. Bereits im Pandemie-Jahr 2020 entgingen der Betreibergesellschaft durch monatelange Sperrungen und einen Einbruch des Tourismus 52 Millionen Euro.
Bis zu sieben Millionen Besucher kommen pro Jahr zum Eiffelturm
Mit bis zu sieben Millionen Besuchern pro Jahr, von denen rund drei Viertel aus dem Ausland kommen, gehört der Eiffelturm zu den beliebtesten Touristenzielen Frankreichs. Besonders bei Einbruch der Dunkelheit, wenn seine Lichter zu jeder vollen Stunde glitzern, strahlt er für viele eine große Magie aus.
Inzwischen werden täglich wieder 20.000 Besucher gezählt und damit etwa so viele wie vor Ausbruch der Corona-Krise. 2018 errichtete der österreichische Architekt Dietmar Feichtinger einen neuen Zugang mit schusssicherer Glaswand und Gitterzaun – eine Antwort auf die Terroranschläge im Jahr 2015. Die „eiserne Dame“ geht also mit der Pariser Stadt-Geschichte mit – und daran ändert sich nichts, versichert Patrick Branco Ruivo. „Der Eiffelturm wird weiter stehen.“