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Droht Atomkrieg? Wahrscheinlichkeit einer Atombombe von Russland im Ukraine-Krieg

Atomkrieg

Eine vergessene Bedrohung ist zurück: Wie wahrscheinlich ist ein Atomkrieg?

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    Die Explosion einer französischen Atombombe 1971 über dem Mururoa-Atoll – es handelte sich um einen Test. Derzeit wird über die Gefahr von einem Atomkrieg diskutiert.
    Die Explosion einer französischen Atombombe 1971 über dem Mururoa-Atoll – es handelte sich um einen Test. Derzeit wird über die Gefahr von einem Atomkrieg diskutiert. Foto: dpa, (Symbolbild)

    Während des Kalten Krieges hatten sich viele Deutsche an die ständige Angst vor einer Apokalypse gewohnt. Die große Angst vor einem Atomschlag, sie wurde gewissermaßen zum Alltag. Immerhin stand man mit der BRD und der DDR zwischen den Fronten, zwischen den USA und Russland. Doch diese Zeit schien längst vergessen – bis jetzt. Die Organisation Bulletin of the Atomic Scientists ("Berichtsblatt der Atomwissenschaftler") hat ihre "Doomsday Clock" (Weltuntergangsuhr) auf 90 Sekunden vor Mitternacht gestellt. Die Message: Die Menschheit steht kurz vor einer globalen Atomkatastrophe. Doch wie wird das Szenario von anderen Experten und Politikern eingeschätzt?

    Drohungen aus Russland mit Atomkrieg

    Seitdem der Krieg in der Ukraine begonnen hat, hat das Szenario Atomkrieg wieder Einzug in den Bereich des Vorstellbaren erhalten. Das liegt vor allem an den Signalen aus Russland. Kurz nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von seiner, mittlerweile berüchtigten, Zeitenwende gesprochen hatte, versetzte Russlands Präsident Wladimir Putin seine Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft. Dann fiel der russische Außenminister Sergej Lawrow mit Aussagen auf, nach denen er die Gefahr eines Atomkrieges und auch eines Dritten Weltkrieges für "real" halte.

    Anfang Mai dann die nächste Provokation: Im russischen Staatsfernsehen sprach ein Gast ganz natürlich von einem Angriff mit Atomwaffen auf Deutschland. Laut dem Russian Media Monitor wurde in der Show des staatlichen Nachrichtenkanals Rossija 1 sogar eine Grafik gezeigt, die belegte, wie russische Raketen mit Atomsprengköpfen innerhalb von 106 Sekunden Berlin erreichen könnten. „Sie müssen sich dieses Bild anschauen. Zählt die Sekunden! Können sie das? Sie verstehen das anders nicht!", ist in einem Mitschnitt der Show zu hören.

    Und Putin selbst? Auch der sprach nur kurz vor der Talkshow mal wieder über den Einsatz von Atomwaffen. "Alle diesbezüglichen Entscheidungen sind getroffen worden", wurde er von der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zitiert: "Wir werden uns dessen nicht rühmen. Wir werden sie einsetzen, wenn es sein muss. Und ich möchte, dass jeder davon erfährt." Er stellte klar, dass Russland über "alle notwendigen Instrumente" verfüge und das "kein anderes Land" von sich behaupten könne.

    Allerdings: Putin und Lawrow erklärten zuletzt auch immer wieder, dass sie es nicht auf einen Einsatz von Atomwaffen abgesehen hätten. Diesen würden sie nur in Erwägung ziehen, wenn sie dazu gezwungen werden. Was das aber genau heißt, ist unklar.

    Einsatz von Atomwaffen: Könnte Russland die Drohung wahr machen?

    Grundsätzlich – und ganz theoretisch gedacht – könnte Russland die Drohungen durchaus wahr machen. Das russische Atomwaffen-Programm ist laut dem Internationalen Friedensforschungsinstitut in Stockholm das größte der Welt. Demnach gebe es weltweit rund 13.000 atomare Sprengköpfe. Russland soll etwas mehr als 6000 besitzen, also fast die Hälfte. Es folgt die USA mit rund 5500 atomaren Sprengköpfen. Auf Rang drei liegt China mit einem großen Abstand (rund 350 atomare Sprengköpfe). Deutschland besitzt keine Atomwaffen.

    Droht ein Atomkrieg? Wahrscheinlichkeit und Einschätzungen

    Die Drohungen aus Russland werden vom Westen ernst genommen, so viel ist klar. Scholz zögerte lange mit der Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine. Ein Hauptgrund dafür war, dass man jede Provokation vermeiden will, welche zu einer Eskalation führen könnte, die dann auch einen Atomschlag nach sich ziehen könnte. Aus diesem Grund lehnt die Nato auch eine direkte Beteiligung im Krieg in der Ukraine ab.

    Die gute Nachricht: Auch dank dieser deeskalierenden Maßnahmen schätzen Experten die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges derzeit als sehr gering ein – und zwar übereinstimmend. "Wir stehen nicht vor einem Atomkrieg, das muss man sehr deutlich sagen", schätzte Carlo Masala, Militärexperte an der Universität der Bundeswehr in München, die Lage im ARD-Brennpunkt ein. Er sieht die Drohungen von Putin und Co. vor allem als Signal: "Haltet euch aus dem Konflikt in der Ukraine raus."

    Masala geht, wie viele seiner Kollegen, davon aus, dass das russische Atomwaffen-System auf vier Stufen aufgebaut ist. "Wir befinden uns auf Stufe zwei: erhöhte Alarmbereitschaft. Diese hatten wir bereits 2014 bei der Annexion der Krim. Es ist eine Warnung, aber noch keine nukleare Eskalation", schätzt der 54-Jährige ein.

    Politologe Thomas Jäger hält einen Atomkrieg derzeit für ähnlich unwahrscheinlich. "Atomwaffen sind Abschreckungswaffen, sie sollen gegnerische Staaten davon abhalten, überhaupt militärisch anzugreifen. Die Nuklearmacht Russland hat überhaupt keinen Angriff zu fürchten", stellte er im Gespräch mit FOCUS Online klar: "Nuklearwaffeneinsätze wie zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Japan, woran wahrscheinlich viele Menschen bei dem Wort denken, sind nicht zu erwarten."

    Jäger verweist in seiner Einschätzung auch auf die Reaktion der USA auf die russischen Drohungen, die sich längst nicht nur gegen Deutschland richten: "Würde die Lage als bitterernst eingeschätzt, würde die zweite große Nuklearmacht, die USA, ihre Nuklearwaffen ebenfalls in einen höheren Alarmzustand versetzen."

    Könnte Putin alleine einen Angriff mit Atomwaffen befehligen?

    Das gilt als unwahrscheinlich. Der Grund: Russland soll laut den Einschätzungen von Geheimdiensten und Experten mit dem System der Atomkoffer arbeiten, genau wie die USA. Es soll im russischen Atomwaffenprogramm drei Atomkoffer geben. Einen hat Putin, einen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und einen weiteren Generalstabschef Walerij Gerassimow. Nur wenn aus allen dieser Koffer ein Code weitergegeben wird, kann auch ein Abschuss von Atomwaffen befehligt werden. Auf Fernsehaufnahmen waren diese Koffer, die in Russland "Cheget" genannt werden, schon häufiger zu sehen. Den berüchtigten roten Knopf, auf den Putin nur drücken müsste, gibt es wohl nicht.

    Hätte ein Atomschlag auch den Dritten Weltkrieg zur Folge?

    Sollte es tatsächlich zum Horrorszenario kommen, dann wäre ein Dritter Weltkrieg wohl nicht weit. Die gute Nachricht ist, dass diese Folge offensichtlich für alle Beteiligten sein müsste. Daher ist die Hemmschwelle, tatsächlich eine Atombombe abzuschießen, wohl auch sehr hoch. Im Kalten Krieg verhinderte das gegenseitige Aufrüsten der USA und Russland mit Atomwaffen letztlich zu Teilen auch eine tatsächliche Eskalation.

    Jodtabletten und Atomkrieg – was hat es damit auf sich?

    Als Putin die Atomkräfte in Alarmbereitschaft versetzte, da waren in vielen deutschen Apotheken plötzlich die Jodtabletten ausverkauft. Das hat den Hintergrund, dass bei nuklearer Strahlung radioaktives Jod freigesetzt wird. Die Einnahme von hochdosierten Jodtabletten kann helfen, dass sich dieses nicht in der Schilddrüse anreichert. Die Einnahme schützt allerdings nur die Schilddrüse. Daher raten viele Mediziner von Panikkäufen in dieser Art ab.

    Der Run auf die Jodtabletten zeigt aber recht gut, dass eine längst vergessene Bedrohung wieder real geworden ist. Derzeit ist ein Atomkrieg aber zum Glück unwahrscheinlich.

    Alle aktuellen Entwicklungen erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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