Der FDP-Politiker und Rechtsanwalt Wolfgang Kubicki ist erbost, als er am späten Mittwochabend in der Talkshow von Sandra Maischberger über den "Fall Christoph Metzelder" spricht. "Unverschämt" nennt er die Berichterstattung über den früheren Fußballnationalspieler, gegen den die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Verbreitung von Kinderpornografie ermittelt.
Kubicki, der Metzelder mehrmals getroffen habe, ärgerte sich offensichtlich vor allem über die Bild, die groß auf ihrer Titelseite berichtet hatte – samt unverpixelten Fotos und Namensnennung. Die Staatsanwaltschaft habe einen Anfangsverdacht bejaht, erklärte Kubicki. Sie müsse jetzt logischerweise ermitteln. "Aber dass eine Zeitung so groß schon so tut, als sei das erwiesen, das zieht mir die Schuhe aus."
FDP-Politiker Kubicki: Es gilt die Unschuldsvermutung
Kubicki ist mit seiner Kritik nicht allein. Eine noch striktere Position nimmt in diesem Fall die Hamburger Rechtsanwältin Gül Pinar ein, Mitglied des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins. Im Gespräch mit unserer Redaktion zweifelt sie an, dass überhaupt über Metzelder berichtet hätte werden dürfen: Er sei nicht prominent genug, als dass das öffentliche Interesse eine identifizierende Berichterstattung rechtfertige – würde es sich dagegen um einen Politiker handeln, wäre es ihrer Ansicht nach anders. "Was uns immer aufstößt, ist, dass in solchen Fällen eine Beweiswürdigung nicht den Gerichten vorbehalten bleibt, sondern durch Medien vorgenommen wird", sagt sie. Eine Verdachtsberichterstattung sei immer ein Problem, da die Gefahr einer Vorverurteilung bestehe. Gül Pinar appelliert an Journalisten, besonders vorsichtig zu berichten.
Auch der Erlanger Medienethik-Professor Christian Schicha kritisiert im Gespräch mit unserer Redaktion: "Was die Bild und andere Boulevardzeitungen gemacht haben, ist hochproblematisch." Die Bild sei mit mehreren Reportern im Einsatz und berichte großflächig, fortwährend und über jedes Detail. "Es entsteht durch die Berichterstattung ja fast schon der fatale Eindruck, dass Metzelder eine Straftat begangen hat, obwohl eine mögliche Schuld in keiner Weise bewiesen ist, sondern zunächst ein Anfangsverdacht besteht." Auf die Unschuldsvermutung sollte in jedem Fall in der Berichterstattung zusätzlich verwiesen werden, empfiehlt er.
Kubicki, Pinar und Schicha betonen in großer Übereinstimmung, dass Metzelder bereits jetzt "erledigt" sei: "Egal wie die Sache ausgeht – der Ruf von Christoph Metzelder wird auch dann langfristig beschädigt sein, wenn er nicht schuldig ist", meint Schicha. Generell hält er in diesem Fall eine Berichterstattung für gerechtfertigt – nur seriös müsse sie sein.
Medienethiker: "Ruf von Christoph Metzelder wird langfristig beschädigt sein"
So sieht es ebenfalls Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbands. Dass die Bild über die Vorwürfe gegen den Profikicker Metzelder berichte, sei "völlig legitim", erklärt er auf Anfrage. "Dass sie das von der ersten Geschichte an mit voller Namensnennung tut, kommt jedoch einer Vorverurteilung gleich. Journalisten sind Berichterstatter und nicht Richter."
Auf besonderes Unverständnis stößt bei Rechtsanwälten, dass Bild-Journalisten einem Tagesspiegel-Bericht zufolge der Polizei "nicht nur vor Wochen gesteckt" haben, "dass Metzelder kinderpornografische Bilder per WhatsApp-Chat an eine Freundin in Hamburg geschickt haben soll, sie begleiteten am Dienstag auch die Durchsuchungen bei ihm zu Hause in Düsseldorf und holten den Ex-Kicker mit aus der Sportschule in Hennef".
Gab es hier also ein Gegengeschäft nach dem Motto Tipp gegen Tipp? Ein Sprecher der Hamburger Polizei bestätigte dem Tagesspiegel jedenfalls, dass die Bild-Zeitung sich mit dem Verdacht gemeldet habe – nicht die Empfängerin der Bilder. In Justizkreisen fühlt man sich an die Verhaftung des ehemaligen Post-Chefs Klaus Zumwinkel erinnert, der vor laufenden Kameras am Valentinstag 2008 festgenommen worden war.
Dass über Metzelder berichtet werden darf, ja muss, ist unter Journalisten mehrheitlich unstrittig. Ziffer 13 des Pressekodex, an den sich die meisten Zeitungen halten, erinnert sie gleichwohl daran: "Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse." Die Berichterstattung über Ermittlungs- und Gerichtsverfahren diene der sorgfältigen Unterrichtung der Öffentlichkeit. Voraussetzung dafür ist unter anderem: ein begründeter Verdacht, der auf sorgfältig recherchierten Tatsachen beruht. Dazu eine Sprache, die möglichst sachlich bleibt, nicht skandalisierend oder sensationsheischend ist.
Die Bild selbst hat das zum Thema in einem Artikel gemacht. Er endet mit dem Satz: "Wenn man sich für eine Berichterstattung entscheidet, muss auf Ausgewogenheit geachtet werden."
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