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Corona-Pandemie: Über 12.000 Verfahren: Falsche Impfpässe boomen

Corona-Pandemie

Über 12.000 Verfahren: Falsche Impfpässe boomen

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    Der gelbe Impfpass nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation ist leicht zu manipulieren.
    Der gelbe Impfpass nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation ist leicht zu manipulieren. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Was haben Ex-Dschungelcamp-Kandidatin Christin Okpara und Ex-Werder-Bremen-Trainer Markus Anfang gemeinsam? Beide verloren ihren Job, weil sie gefälschte Impfausweise vorgelegt haben sollen.

    Die Polizei geht solchen Verdachtsfällen bundesweit inzwischen mit weit mehr als 12.000 Verfahren nach. Die Zahl sei vor allem im vergangenen Dezember in die Höhe geschnellt, berichteten Deutschen Presse-Agentur.

    Bayern ist bei den Verfahren wegen gefälschter Impfausweise Spitzenreiter in Deutschland

    Spitzenreiter ist demnach Bayern mit mehr als 4000 Verfahren und 5500 sichergestellten Impfpässen und -zertifikaten. Auch wenn im Januar zunächst ein Rückgang zu beobachten war – Fälle von Impfpassfälschungen gehören für die Polizei im Freistaat weiterhin zum Alltag. "Wir müssen leider von einem großen Dunkelfeld ausgehen", teilte das Bayerische Innenministerium mit.

    Im Oktober wurden demnach 338, im November 1070 und im Dezember 1979 Fälle registriert. Dabei ging es etwa um gefälschte Aufkleber, Zertifikate, Etiketten, Stempel und Genesenennachweise. Insbesondere seit dem 24. November habe es einen starken Anstieg gegeben, teilte das Ministerium mit. An dem Tag trat ein neues Corona-Regelwerk in Kraft, das Strafbarkeitslücken in dem Bereich schließen sollte. Verfolgt wird seitdem etwa auch die Vorlage von falschen Gesundheitszeugnissen bei Apotheken oder auf der Arbeit – vorher war im Gesetz nur konkret von "Behörden oder Versicherungsgesellschaften" die Rede gewesen. In den ersten beiden Januarwochen verzeichnete die Polizei mit 379 Fällen wieder einen Rückgang. 

    Razzia nach Impfskandal in Wemding

    Vereinzelt wurden außerdem Ärzte erwischt, die Nachweise ausstellten, ohne ihre Patienten geimpft zu haben. Erst am vergangenen Donnerstag hatte es in so einem Fall eine großangelegte Razzia in vier Bundesländern bei rund 100 Patienten eines schwäbischen Hausarztes gegeben. Es wurden rund 80 Impfausweise sichergestellt, zudem wurde bei etwa 50 Beschuldigten Blut abgenommen, um den Impfstatus zu klären. In Niederbayern stehen seit Dezember zwei Ärztinnen im Verdacht, bei Impfgegnern die Impfpässe gefälscht und anderen Patienten verdünnten Impfstoff verabreicht zu haben. 

    Ende November hatte der Gesetzgeber die Strafbarkeit noch einmal klargestellt. Abschreckende Wirkung hatte dies anscheinend nicht: Die 3G-Pflicht in vielen Bereichen hat das Geschäft der Fälscher wohl erst richtig angekurbelt.

    Gefälschter Impfausweis kann hohe Strafen nach sich ziehen

    Im Internet stießen Ermittler bei Social-Media-Kanälen und Messengerdiensten wie Telegram auf einschlägige Angebote, die bei Impfskeptikern und Impfgegnern auf zahlungswillige Kundschaft treffen, obwohl es die Originale samt echtem Impfschutz umsonst gibt.

    Nutzern falscher Impfausweise droht dabei im Extremfall noch mehr als Jobverlust und eine Geld- oder Bewährungsstrafe wegen "Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse": Nach einem Corona-Ausbruch mit drei Todesfällen in einem Pflegeheim im niedersächsischen Hildesheim ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen eine fristlos entlassene Mitarbeiterin der Einrichtung sogar wegen Totschlags. Die Frau soll mit einem gefälschten Impfpass im Heim gearbeitet haben, obwohl bei ihr zu Hause Familienmitglieder an Covid-19 erkrankt waren.

    Ärzte kleben Aufkleber ohne Impfung in den Impfpass

    Anfang Dezember 2021 wurden bei einer Durchsuchung in Kassel insgesamt 800 Blanko-Impfausweise, Impfstoffaufkleber, verschiedene Stempel und weitere Fälscherutensilien sichergestellt. Einen Monat zuvor wurden bei einer Wohnungsdurchsuchung in Frankfurt/Main insgesamt 146 Blanko-Impfausweise gefunden.

    Auch wurden Fälle von Ärzten bekannt, die ihren Patienten auf Wunsch nur den Aufkleber der Impfdosen in den Impfpass klebten, ohne den Impfstoff zu spritzen. Ihnen drohen inzwischen sogar bis zu fünf Jahre Haft.

    Gelber Impfpass ist einfach zu manipulieren

    Im Oktober machten Ermittler mutmaßliche Betrüger in München dingfest, die mithilfe der IT-Infrastruktur einer Apotheke gefälschte Impfzertifikate hergestellt haben sollen – allein innerhalb eines Monats mehr als 500 Stück.

    Der gelbe Impfpass nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation ist leicht zu manipulieren. Das Heftchen kann im Internet für wenige Euro bestellt werden. Die Stempel von Arztpraxen können ebenfalls leicht besorgt werden. Die Impfdosenaufkleber mit der Chargennummer sind inzwischen immerhin mit einem Wasserzeichen versehen – vor kurzem war das noch nicht der Fall.

    Echtheit der Impfangaben im Impfpass lässt sich überprüfen

    Impfpass-Fälscher bieten bei Telegram inzwischen ein Komplett-Paket an: Das ausgefüllte Impfbuch kostet inklusive QR-Code 200 bis 300 Euro. Die betrügerischen Impf-Unwilligen, die sich eine Fälschung im Netz bestellen, haben aber keine Garantie, dass tatsächlich ein falscher Impfpass geliefert wird.

    In den Apotheken, die den QR-Code für den digitalen Impfnachweis erstellen, kann inzwischen überprüft werden, ob Ort und Zeitpunkt der Impfung zu der Chargennummer im Impfpass passen. Das ist vielen Besitzern von Impfpässen offenbar noch nicht klar.

    Im Ruhrgebiet türmte eine 30-Jährige am Montag, als ihr vorgelegter Impfpass als gefälscht entlarvt wurde, aus der Apotheke – und ließ dabei ihren Personalausweis liegen. Gleiches Spiel wenige Kilometer entfernt in Unna: Der Mann mit falschem Impfpass verschwand eilig, ließ aber Kopien seiner Krankenkassenkarte und seines Personalausweises zurück. (dpa)

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