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Corona-Pandemie: Angst vor zweiter Ansteckung: Endet die Corona-Krise denn nie?

Corona-Pandemie

Angst vor zweiter Ansteckung: Endet die Corona-Krise denn nie?

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    Wie dieser Mann ließ sich auch ein 33-jähriger IT-Spezialist nach einer Auslandsreise testen – und war zum zweiten Mal positiv. Das gab es vorher noch nie.
    Wie dieser Mann ließ sich auch ein 33-jähriger IT-Spezialist nach einer Auslandsreise testen – und war zum zweiten Mal positiv. Das gab es vorher noch nie. Foto: Anthony Kwan, Getty Images (Symbolfoto)

    In Hongkong war die zweite Welle schon da. Das Ereignis, wovor sich in Europa gerade so viele fürchten. Ende Juli verbreitete sich das Coronavirus wieder ähnlich schnell, wie man es aus dem Frühjahr in Asien schon kannte. Wer durch die engen, stets in schattiges Dunkel gehüllten Gassen der Finanzmetropole streift, kann die Infektionswege förmlich an den Namensschildern der Haustüren ablesen. In den maroden Apartmenthochhäusern teilen sich oftmals mehrere Untermieter eine Wohneinheit. Viele junge Hongkonger leben in kleinen Eckkammern, die aus wenig mehr als einem Bunkerbett und kleinem Schreibtisch bestehen.

    Wo der 33-Jährige lebt, der jetzt Mediziner in aller Welt in Aufregung versetzt, weiß man nicht. Ob in den dunklen Gassen oder in einem der futuristischen Glastürme mit ihren schicken Lofts, mit denen man die Siebeneinhalb-Millionen-Metropole normalerweise verbindet.

    Coronavirus zum zweiten Mal: Der 33-Jährige hatte keine Symptome

    Was man weiß: Der Mann ist IT-Spezialist, er war vor kurzem in Spanien im Urlaub – und er ist der erste Mensch, der sich nachweislich zweimal mit Covid-19 angesteckt hat. Seine sogenannte Reinfektion wurde entdeckt, als er nach seiner Rückkehr aus dem Europa-Urlaub routinemäßig am Flughafen getestet worden war. Wie die Klinik der Universität von Hongkong am Montagabend mitteilte, hatte der 33-Jährige keine Symptome – anders als bei seiner ersten Covid-19-Erkrankung vor vier Monaten. Am Dienstag dann die nächste Hiobsbotschaft: Auch in den Niederlanden und in Belgien haben sich zwei Personen ein weiteres Mal infiziert. Nicht nur dort fürchten plötzlich Menschen, dass dieses Virus für immer bei uns bleiben könnte. Geht das jetzt ständig so weiter?

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass es sich bei den drei Fällen um Ausnahmen handelt. „Es scheint kein gängiges Vorkommnis zu sein, sonst hätten wir mehr Fälle gesehen“, sagt WHO-Sprecherin Margaret Harris mit Blick auf die mittlerweile 23 Millionen weltweit bekannten Corona-Infektionen. Allerdings: Der zweifach infizierte Hongkonger wurde nur entdeckt, weil nach seinem Auslandsflug ein Test stattgefunden hatte. Damit ist nicht auszuschließen, dass auch andere Patienten sich neu infizierten – und keiner es merkte.

    Bei einer Frau war die Erkrankung nach drei Monaten wieder da

    Über die Wiedererkrankten in den Benelux-Staaten ist fast ebenso wenig bekannt wie über den Mann aus Asien. In den Niederlanden handelt es sich um einen älteren Patienten mit einem schwachen Immunsystem. In Belgien erkrankte eine nicht näher beschriebene Frau nach drei Monaten erneut. Ganz klar verneinten die Ärzte, dass das Virus aus der ersten Infektion wieder aufgeflammt sein könnte. In allen Fällen hatten sie die Gensequenz der Viren aus der ersten und zweiten Ansteckung verglichen und festgestellt: Es handelte sich zwar erneut um das Virus Sars-CoV-2, aber um einen anderen Typ mit genetischen Veränderungen. Bei der Frau aus Belgien war das Virus den Angaben zufolge elf Mal mutiert. Kann da ein Impfstoff überhaupt noch helfen?

    Christoph Spinner, Oberarzt für Infektiologie am Münchner Klinikum rechts der Isar, ist weiter überzeugt davon. Dass die Immunität nur für einen begrenzten Zeitraum anhalte, sei bei „respiratorischen Infektionen“, also Atemwegsviren, bekannt. Als Beispiel nennt Spinner die echte Virusgrippe (Influenza). Auch gegen sie kann man sich impfen lassen, obwohl die Viren sich Saison für Saison verändern. „Entscheidend ist es herauszufinden, welche Antikörper am besten und anhaltendsten schützen und diese mittels Impfung erzeugen zu können.“ Für die Wirksamkeit der Impfungen müsse man herausfinden, wie häufig geimpft und wie oft aufgefrischt werden muss. Dabei könne sich das Vorgehen von Impfstoff zu Impfstoff unterscheiden.

    Nur ein Impfstoff kann also gegen das Coronavirus helfen

    Fest steht also: Nur ein Impfstoff kann helfen, Corona zurückzudrängen. Doch das bisher einzige offiziell registrierte Präparat namens Sputnik V aus Russland ist nicht ausreichend getestet und höchst umstritten. Doch fast zeitgleich zu den schlechten Nachrichten aus Hongkong, Belgien und den Niederlanden wagen Mediziner des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) den nächsten Schritt in der Entwicklung: Wie die Zeit berichtet, sollen schon im Lauf des Septembers die ersten menschlichen Probanden geimpft werden. In dem deutschlandweiten Forschungsverbund arbeiten Experten aus München, Marburg und Hamburg zusammen. Die beiden kommerziellen deutschen Impfstoffprojekte der Biotech-Start-ups Curevac in Tübingen und Biontec in Mainz führen bereits seit Juni beziehungsweise April Probeimpfungen mit Menschen durch. Doch die Markteinführung steht weiter in den Sternen.

    In Hongkong dachte man eigentlich, die zweite Welle mit herkömmlichen Mitteln hinter sich gelassen zu haben. Mundschutzpflicht, Schulschließungen, man kennt das. Die täglichen Infektionen liegen im niedrigen zweistelligen Bereich. Mitten hinein platzte die Hiobsbotschaft vom Schicksal des 33-Jährigen, den das Virus zweimal erwischte. In der internationalen Finanzmetropole, in der die Menschen auf 14-mal dichterem Raum leben als in München, verbreitete sich die Nachricht schnell. Als hätte man in der chinesischen Sonderverwaltungszone nicht schon genug Probleme.

    Erst am Mittwoch berichteten Medien, dass Chinas kommunistische Führung 16 Menschen festgenommen hat, die im Jahr 2019 bei regierungskritischen Protesten durch die Straßen gezogen waren. Auf die Straße gehen viele in der Stadt jetzt nur noch mit einem unguten Gefühl.

    Studien zum körpereigenen Schutz vor dem Coronavirus laufen

    Gerade zu Beginn der Pandemie schien eine überstandene Infektion ein sicheres Mittel, um sich nicht erneut anzustecken. Doch wie lange die Immunität anhält, ist seitdem eine der großen Streitfragen. Gerade laufen mehrere Studien, die prüfen, wie stark der körpereigene Schutz sein kann und wie er sich je nach Verlauf der Krankheit unterscheidet.

    Einer, der sogar in seinem Laborbericht aus dem Krankenhaus nachschauen könnte, ist ein Mittdreißiger aus Kaufering (Kreis Landsberg). Er erlangte im Januar Berühmtheit als Deutschlands Patient null. Er war der erste in der Bundesrepublik, der das Virus in sich trug. Im Interview mit unserer Redaktion hat er im April eine anschauliche Erklärung dafür geliefert, wie das ist mit der Immunität: „Der Arzt hat mir das so erklärt, dass der Körper während der Erkrankung viele Antikörper bildet“, sagte der Mitarbeiter eines Automobilzulieferers. „Klingt die Erkrankung ab, werden weniger Antikörper gebildet. Aber die Bauanleitung für die Antikörper wird gespeichert.“ Im Attest seiner Laboruntersuchung stehe, dass davon auszugehen ist, dass er für einige Zeit immun sei. Aber für wie lange? „In meinem Ergebnis steht Monate/Jahre.“

    Das Virus ausrotten? Ein Arzt hält dies für eine Illusion

    Einer der Ärzte, die den Kauferinger behandelt haben, ist Clemens Wendtner, Chefarzt für Infektiologie an der München Klinik Schwabing. Im Winter hing ganz Deutschland an seinen Lippen, wenn er vor die Presse trat und vom Gesundheitszustand der ersten Infizierten berichtete. Die neuesten Meldungen seiner internationalen Kollegen hat er sich genau angesehen: „Wir haben bereits im Labor festgestellt, dass die Immunität teilweise abnehmen kann“, sagt Wendtner gegenüber unserer Redaktion. Nun seien „in der wirklichen Welt“ die ersten Fälle eingetreten, bei denen man das beobachten könne. „Dies alarmierend zu nennen, wäre aber meiner Ansicht nach übers Ziel hinausgeschossen.“ Er habe sich als Arzt längst damit abgefunden, dass wir mit Corona die nächsten Jahre leben müssen. „Und das werden wir auch gut schaffen – genau, wie wir mit der Influenza leben.“ Man werde einen Impfstoff entwickeln, ist er überzeugt. „Da ist die Forschung in Deutschland auch schon relativ weit.“ Eins aber will Clemens Wendtner nicht verhehlen: „Die Hoffnung, dass wir das Coronavirus komplett ausrotten können, ist eine Illusion.“

    Alle Informationen zur Entwicklung der Corona-Krise finden Sie in unserem Newsblog.

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