Die Zeiten der Lockdowns sind schon länger vorbei. Auch Kontakt- oder Zugangsbeschränkungen sollen ab Anfang April weitestgehend der Vergangenheit angehören: Bundestag und Bundesrat haben §28a im Infektionsschutzgesetz angepasst, um der neuen Lage in der Corona-Pandemie Rechnung zu tragen.
Deshalb sollen die bisherigen Regeln auf ein Minimum zusammengeschrumpft werden, auf so genannte Basisschutzmaßnahmen. Dahinter verbergen sich die Test- und Maskenpflicht in Pflegeheimen, in der ambulanten Pflege und in Krankenhäusern, der verpflichtende Mund-Nasen-Schutz in Bussen und Bahnen und vorgeschriebene Tests in Schulen. Ansonsten scheint die altbekannte Normalität zurück - zumindest bis zum 23. September 2022. Denn so lange gilt die aktuelle Fassung des Infektionsschutzgesetzes.
Am Montag, den 28. März, wurde von Karl Lauterbach allerdings nachgelegt: Konkret benannte der Sozialdemokrat auf der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) am Montag (28. März) vier Kriterien, die er für die Festlegung einer Hotspot-Regelung maßgeblich hält:
- Wenn in Krankenhäusern aufgrund von Corona keine planbaren Eingriffe stattfinden können.
- Die Notfallversorgung insgesamt gefährdet sei.
- In der Pflege bestimmte Untergrenzen unterschritten werden.
- Patienten in andere Krankenhäuser verlegt werden müssen.
Der SPD-Politiker erklärte mit Nachdruck: "Ich appelliere an die Länder, das jetzt zu machen." Außerdem rief der Gesundheitsminister die Deutschen auf, angesichts der Infektionslage auch weiterhin Maske zu tragen - denn die Corona-Pandemie könne sich "noch lange hinziehen", führte er aus.
Neue Corona-Maßnahmen: Kritik wegen Inzidenz und zu wenig Instrumenten für Landesparlamente
Kritik auf diese Äußerungen ließ nicht lange auf sich warten: Kaum waren die offiziell seit 20. März geltenden Regeln offiziell, äußerten Experten sowie Landespolitiker bereits ihren Unmut. Und auch nach Lauterbachs neu kommunizierten Faktoren äußern teilnehmende Länder Zweifel: Sie beklagen, dass für die Maßnahmen rechtssichere Kriterien fehlten. Der SPD-Politiker selbst hatte am Montag klargemacht, dass die neue Rechtsgrundlage nicht nochmal geändert werde.
Gerade die Länderparlamente monieren, ihnen würden zu viele Instrumente aus der Hand genommen werden, um dem Corona-Geschehen sinnnvoll begegnen zu können. Immerhin ein weiteres Werkzeug gewährt ihnen der Bund. Für Hotspots können auch nach dem 2. April - also nach Ende der Übergangsfrist - schärfere Maßnahmen getroffen werden. Doch was genau verbirgt sich dahinter?
Hotspot-Regelung: Länder können bei konkreter Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage reagieren
Laut Infektionsschutzgesetz zielt diese Sonderregelung auf eine „konkret zu benennende Gebietskörperschaft, in der durch eine epidemische Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit 19 (Covid-19) die Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage besteht“. Dem jeweiligen Landesparlament stehe es dann frei, weitere Maßnahmen zu verhängen.
Konkret geht es um folgende möglichen Zusatzregeln:
- die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz)
- die Anordnung eines Abstandsgebots mit einem Abstand von 1,5 Metern (Mindestabstand) im öffentlichen Raum, insbesondere in öffentlich zugänglichen Innenräumen
- die Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises (…) einschließlich der Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises sowie an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs in Einrichtungen und Unternehmen (…) sowie in Betrieben, in Einrichtungen oder Angeboten mit Publikumsverkehr
- die Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten, die die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln, die Vermeidung unnötiger Kontakte und Lüftungskonzepte vorsehen können, für (…) Betriebe, Gewerbe, Einrichtungen, Angebote, Veranstaltungen, Reisen und Ausübungen
Also kurz zusammengefasst: eine weitergehende Maskenpflicht, Abstandsregeln, Zugangsbeschränkungen und zusätzliche Hygienekonzepte.
Die beiden letzten Regelungen können etwa auch für Krankenhäuser, Arztpraxen und Rehaeinrichtungen gelten. Im vierten Punkt werden darüberhinaus etwa Freizeit- und Kultureinrichtungen, Sportstätten, Hotels, Einzelhandel und Gastrobetriebe angesprochen.
Maßnahmen in Hotspots: Blick auf Virusvarianten und Krankenhausbelegung
Laut dem Gesetzgeber kann die „konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage“ an zwei Entwicklungen festgemacht werden:
- der Ausbreitung einer Virusvariante von Sars-CoV-2, die „eine signifikant höhere Pathogenität“ aufweist - also die Fähigkeit, krankhafte Veränderungen im Organismus hervorzurufen
- der drohenden Überlastung der Krankenhauskapazitäten aufgrund einer besonders hohen Zahl von Neuinfektionen oder eines besonders starken Anstiegs an Neuinfektionen
Konkrete Schwellenwerte werden jedoch nicht genannt. Es soll also wirklich im Einzelfall entschieden werden, ob die Regelverschärfungen gerechtfertigt wären. Festgelegt wurde, dass auch diese getroffenen Maßnahmen „insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten“ seien. Sie enden, wenn das Landesparlament sie nicht spätestens nach drei Monaten verlängert.
Zumindest klingt die angedachte Lösung nach massivem Interpretationsspielraum auf Länderebene. Die Union unterstrich ihre scharfe Kritik an der neuen bundesweiten Rechtsgrundlage für Schutzmaßnahmen. Zu der Forderung des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek (CSU) nach einer bundesweiten Verlängerung der Maskenpflicht ließ Karl Lauterbach jedoch wissen: "Ob er das vorschlägt oder nicht, ist vollkommen unerheblich. Es geht rechtlich nicht", erklärte der Bundesgesundheitsminister. Er fügte allerdings hinzu, dass er sie selbst gerne verlängert hätte.