Nach einem Zwischenfall mit Daten aus der Luca-App in Mainz wird auch die Kritik an der Software für die Kontaktdatenverfolgung in Baden-Württemberg wieder laut. Während die Landesregierung noch daran festhält, rufen Politiker von Grünen und FDP dazu auf, das digitale Tool von den mobilen Telefonen zu löschen und den auslaufenden Vertrag mit dem Anbieter nicht zu verlängern.
"Was die Warnung und die Nachverfolgung angeht, ist die Luca-App mausetot", sagte der netzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, Alexander Salomon, der dpa. Zuvor war bekannt geworden, dass die Mainzer Polizei bei Ermittlungen zu einem Todesfall unrechtmäßig auf Daten von Besuchern einer Gaststätte aus der Luca-App zugegriffen hatte.
Die App habe ein Datenschutz- und Sicherheitsproblem, kritisierte auch der digitalpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Daniel Karrais, am Samstag. Außerdem nutzten die baden-württembergischen Gesundheitsämter die Daten kaum noch zur Kontaktverfolgung, auch die Gastronomie verzichte weitgehend. Für die einjährige Nutzung der Software bis März zahle das Land zudem einen Betrag von 3,7 Millionen Euro. Eine gute Alternative sei die offizielle und kostenfreie Corona-Warn-App, die ebenfalls eine Check-In-Funktion habe, sagte Karrais der dpa. "Man fährt besser damit."
Nach Sturz mit tödlichen Folgen: Polizei suchte nach Zeugen
Die Mainzer Ermittlungen folgten auf den Sturz eines Mannes am 29. November vergangenen Jahres nach dem Verlassen einer Gaststätte, wie der SWR berichtete. Der Mann starb demnach einige Tage später an den Folgen. Mit der Datenabfrage seien Besucher der Gaststätte ausfindig gemacht worden, um sie als mögliche Zeugen zu gewinnen. Daten aus der Luca-App dürfen nicht für die Strafverfolgung verwendet werden.
Die Luca-App soll Restaurantbesitzern und Event-Veranstaltern helfen, die gesetzlich vorgeschriebene Erfassung der Kontakte der Besucher ohne Zettelwirtschaft zu erledigen. Allerdings sei die Software zu langsam und werde nicht mehr von Seiten der Gesundheitsämter genutzt, kritisierte Grünen-Politiker Salomon. "Deinstalliert die #LucaApp. Sofort. Und dann umgehend die #coronawarnapp nutzen", twitterte er zudem am Samstag. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) rief er über Twitter auf, sich ebenfalls von der Luca-App zu verabschieden.
Gesundheitsamt hat Infektionsfall vorgetäuscht
Die Culture4Life GmbH, zu der Luca gehört, teilte mit: "Wir verurteilen diesen Missbrauch der für den Infektionsschutz erhobenen Daten der Luca-App." Fast täglich erreichten das Unternehmen Anfragen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu Daten von Nutzern der App. Sie würden immer gleich beantwortet - nämlich "dass wir keine Daten liefern können, weil wir aufgrund des Verschlüsselungskonzepts technisch keinen Zugriff darauf haben".
Die Daten könnten nur bereitgestellt werden, wenn das jeweilige Gesundheitsamt und der jeweilige Betrieb in einem Infektionsfall gleichzeitig ihr Einverständnis erteilten und ihre individuellen Schlüssel anwendeten, um die Daten zu entschlüsseln, erklärte das Unternehmen. "Die Daten sind dann nur für das jeweilige Gesundheitsamt einsehbar." Im vorliegenden Fall habe wohl das Gesundheitsamt auf Druck beziehungsweise Bitten der Polizei einen Infektionsfall simuliert und das Einverständnis des Betriebs auf Bereitstellung der Daten eingeholt.
Die Daten der lucaApp dürften laut Paragraf 28a Absatz 4 Infektionsschutzgesetz nicht zum Zwecke der Zeugensuche oder Strafverfolgung abgerufen werden. Das Handeln von Polizei sowie von Gesundheitsamt sei nicht durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt gewesen, was die Behörden auch eingeräumt hätten.
Bayerischer Grünen-Politiker fordert Ende der Lizenz für Luca-App
Hinter der Luca-App stehen die neXenio GmbH, einer Ausgründung des Hasso-Plattner-Instituts, und einige Kulturschaffende, wie die Band „Die Fantastischen Vier“.
Benjamin Adjei von den Grünen, Sprecher für Digitalisierung im bayerischen Landtag, soll auf eine Anfrage an die Staatsregierung hin erfahren haben, dass die Luca-App über einen Zeitraum von 14 Tagen keinen einzigen Risikohinweis mit Risikostufe zwei (erhöhtes Infektionsrisiko) und 1274 Risikohinweise mit Stufe eins (mögliches Infektionsrisiko) von den bayerischen Gesundheitsämtern verschickt wurden. Er fordert deshalb, die 2022 auslaufende Lizenz der App nicht zu verlängern.
(mit dpa)