In Deutschland findet die Corona-Pandemie kaum noch statt. Doch Nachrichten aus Indien lassen aufhorchen. Wie die Deutsche Apothekerzeitung berichtet, breitet sich dort aktuell eine neue Corona-Variante aus, die auch Experten besorgt. Die Omikron-Untervariante XBB.1.16 trägt den Beinamen "Arcturus" und ist nach dem hellsten Stern des Nordhimmels benannt.
Den Angaben zufolge hat die Variante in Indien für "einen drastischen Anstieg der Neuinfektionen um rund 281 Prozent innerhalb von 14 Tagen" gesorgt und auch die Todeszahlen seien um 17 Prozent gestiegen. Indische Experten würden bereits weltweit vor der neuen Variante warnen. Doch warum ist das so?
Arcturus: Welche Symptome löst die neue Corona-Variante aus?
Der indische Arzt Rajas Walinjkar, der im Seven Hills Hospital in Mumbai arbeitet, sagte der The Times of India, dass folgende Symptome bei der neuen Corona-Variante Arcturus auftreten:
- Halsentzündung
- Fieber, aber nicht länger als 48 Stunden
- Gliederschmerzen
Damit sind die Symptome ähnlich zur bereits weit verbreiteten Omikron-Variante. Jetzt hat ein Kinderarzt aus Indien allerdings ein neues Symptom festgestellt, das es zuvor bei Corona-Infektionen nicht gab.
Vipin Vashishta zufolge hat XBB.1.16 zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder für zunehmende pädiatrische Covid-Fälle in Indien gesorgt. Auf Twitter postete der Experte Anfang April zudem, dass Arcturus bei Kindern neben Symptomen wie hohem Fieber, Husten und Erkältungsanzeichen auch vermehrt eine nicht eitrige juckende Konjunktivitis mit verklebten Augen auslöst, also eine Bindehautentzündung.
Corona-Variante Arcturus: Warum warnen Experten vor XBB.1.16?
In ihrem Bericht bezieht sich die Deutsche Apothekerzeitung ebenfalls auf den Experten Vipin Vashishta. Der Kinderarzt, Forscher am Mangla Hospital and Research Center im indischen Bijnor und Mitglied der WHO-Vakzin-Gruppe hatte auf Twitter vor der neuen Virusvariante gewarnt. "Alle Augen sollten auf Indien gerichtet sein! Wenn es XBB.1.16 alias #Arcturus gelingen könnte, die 'robuste' Bevölkerungsimmunität von Indern zu durchbrechen, die dem Ansturm von Varianten wie BA.2.75, BA.5, BQs, XBB.1.5 erfolgreich widerstanden haben, dann muss sich die ganze Welt ernsthaft Sorgen machen!"
In Indien waren die Covid-19-Fallzahlen Mitte März 2023 innerhalb von zwei Wochen von nur rund 300 neuen Fällen täglich erstmals wieder auf über 1000 Neuinfektionen pro Tag gestiegen. Ein Beispiel: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in Indien am 1. Februar 2023 111 neue Fälle verzeichnet, am 1. März waren es 240 Fälle und am 19. März mit einem deutlichen Sprung nach oben 1071 neue Fälle. So schlimm wie noch im Januar 2022 ist die Lage aber nicht. Damals hatte die WHO teilweise über 330.000 neue Fälle pro Tag gemeldet.
Gefährlich könnte die neue Variante trotzdem sein. Weil sie der Deutschen Apothekerzeitung zufolge eine Rekombinante zweier Untervariaten der Omikron-Variante sein könnte, ist XBB.1.16 beziehungsweise Arcturus "durchaus besorgniserregend".
Neue Corona-Variante: Was macht Arcturus so gefährlich?
Die Arcturus-Variante gehört laut der Deutschen Apothekerzeitung zur XBB-Familie, die von den Omikron-Untervarianten BA.2.10 und BA.2.75 abstammt und sich bereits vielfach weiterentwickelt hat. Die verschiedenen XBB-Varianten haben die beiden Omikron-Untervarianten zudem mittlerweile weltweit größtenteils verdrängt und dürften sich der WHO zufolge noch weiter ausbreiten.
XBB.1.16 ist dem Bericht zufolge eine Weiterentwicklung der Hyppogryph-Variante (XBB.1) und bringt neue besorgniserregende Mutationen mit. Laut der Deutschen Apothekerzeitung verfügt Arcturus gegenüber der zuletzt weit verbreiteten XBB.1.5-Untervariante (Kraken) über drei weitere Mutationen am Spike-Protein, die womöglich das Immunsystem unterdrücken könnten. Insbesondere die Ausschüttung von Interferon könnte gehemmt werden. "Insofern wird diesen Mutationen das Potenzial zugerechnet, die Immunabwehr auch von Geimpften und Genesenen zu unterlaufen", heißt es in dem Bericht weiter. Zudem könnte eine Mutation dazu führen, dass das Virus besser in menschliche Zellen gelangt und sich festsetzen kann. Damit wäre diese Variante noch ansteckender als ihre Vorgänger.
Lage in Deutschland: Wie weit ist die neue Arcturus-Variante schon verbreitet?
Die neue Corona-Variante XBB.1.16 ist mittlerweile nicht mehr nur in Indien zu finden. Dem Bericht der Deutschen Apothekerzeitung zufolge konnten weitere Fälle bereits in den USA - hier wurden die zweitmeisten Fälle verzeichnet -, in Brunei, Singapur, Österreich, dem Vereinigten Königreich, Australien, Japan, Südkorea, Dänemark, Italien, Irland, Kanada und Deutschland nachgewiesen werden. In der Bundesrepublik wurde dem Bericht von Mitte März zufolge jeweils ein Fall in Bayern sowie in Baden-Württemberg verzeichnet.
Inzwischen hat das Robert-Koch-Institut (RKI) weitere Fälle gemeldet. Von 30. Januar bis 9. April 2023 hat das RKI insgesamt 24 Fälle in Deutschland festgestellt. Das berichtet das Institut in seinen regelmäßigen Wochenberichten. In Indien habe sich zuletzt ein wachsender Anteil dieser Omikron-Sublinie gezeigt, parallel zu einem Anstieg der dortigen Covid-19-Inzidenzen. In Deutschland sind mittlerweile alle Corona-Regeln gefallen, demnach hat auch die Testkultur nachgelassen. Weitere Fälle der Arcturus-Variante sind also möglich. Das RKI geht davon aus, dass sich die XBB.1-Sublinien, zu denen die neue Corona-Variante zählt, in Deutschland in den kommenden Wochen weiter ausbreiten werden.
Insgesamt bewegen sich die Arcturus-Fallzahlen in fast allen weiteren Ländern bis auf Indien im niedrigen, ein- bis zweistelligen Bereich. Meist waren die Infektionen auf Reisende aus Indien zurückzuführen. Mehr Hospitalisierungen oder schwere Verläufe durch die neue Variante konnten bisher nicht festgestellt werden. Besorgt seien Experten dennoch, schreibt die Deutsche Apothekerzeitung.
Die WHO beobachtet die neue Variante seit 22. März 2023. Festgestellt wurde sie dem aktuellen WHO-Bericht vom 27. April zufolge inzwischen 3519 Mal in 37 Ländern. Im Bericht vom 30. März waren nur 712 XBB.1.16-Sequenzen in 21 Ländern festgestellt worden.
Neue Corona-Variante Arcturus: Kommt eine neue Infektionswelle?
In Deutschland gibt es aktuell in keinem Bundesland mehr Einschränkungen und das Robert-Koch-Institut (RKI) verzeichnet eine 7-Tages-Inzidenz von nur noch 7 (Stand: 2. Mai 2023, 8.50 Uhr). Könnte es hier zu einer neuen Infektionswelle kommen, wenn sich die XBB.1.16-Variante stärker ausbreitet?
Der Epidemiologe Timo Ulrichs hat Focus Online dazu erklärt, dass das Auftreten immer wieder neuer Varianten grundsätzlich normal sein. Wichtig sei nun die Frage nach der Antigenstruktur der Arcturus-Variante. Kann sich diese trotz durch Impfung und bisherige Durchseuchung erlernte Immunität stark verbreiten und wieder zu schweren Verläufen sowie mehr Hospitalisierungen führen, könnte das ein Problem sein. Aktuell fehlen für eine Einschätzung aber noch verlässliche Daten aus Indien.
Arcturus in Deutschland auf dem Vormarsch: Sind Auffrischimpfungen nötig?
Dem aktuellen Wochenbericht des RKI zufolge ist der Anteil der XBB.1-Sublinien in Deutschland in den letzten Wochen angestiegen. Mit 67 Prozent haben die Varianten, zu denen auch Arcturus zählt, die zuvor vorherrschenden Varianten BA.5 und BA.2 weiter verdrängt. Doch was bedeutet das für den Schutz vor einer möglichen Infektion? Sollten Menschen in Deutschland weitere Auffrischimpfungen in Erwägung ziehen?
Die WHO empfiehlt Booster-Impfungen aktuell nur noch für Personen mit einem hohen Risiko, schwer an Corona zu erkranken oder sogar zu sterben. Virologe Martin Stürmer sagte dem Focus, grundsätzlich solle sich jeder gemäß der aktuellen Stiko-Empfehlungen gegen Covid-19 geimpft haben. Ist das Schema noch unvollständig, empfiehlt Stürmer Nachimpfungen - unabhängig von den zurzeit vorherrschenden Varianten. Aber: "Inwieweit eine weitere Boosterung die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion mit Arcturus reduziert, lässt sich aber aktuell nicht abschätzen."
Dem Virologen zufolge habe die Arcturus-Variante das Potential, das Immunsystem zu unterwandern. Stürmer gibt dem Focus gegenüber aber zu bedenken, dass dann auch ein Booster mit den aktuellen Impfstoffen vermutlich nicht viel helfen würde. Aus diesem Grund sei es jetzt wichtig, den Status der Grundimmunität weiter zu überwachen und Zielgruppen und Abstände für eine mögliche weitere Auffrischung zu definieren - gegebenenfalls sogar mit erneut angepassten Impfstoffen.
Risikobericht der WHO: Wie gefährlich ist Arcturus aktuell?
In einem Risikobericht vom 17. April hat sie die WHO mit den möglichen Gefahren der neuen Virusvariante auseinandergesetzt. Demnach war XBB.1.16 zum Zeitpunkt des Berichts ins 33 Ländern festgestellt worden. Die Mehrheit der Arcturus-Fälle (63,4 Prozent) kommt mit 2314 Sequenzen aus Indien. Aber auch in anderen Ländern wurde die Variante der WHO zufolge bereits über 50 Mal festgestellt. Dazu gehören mit Stand vom 17. April:
- USA mit 10,9 Prozent der XBB.1.16-Fälle (396 Sequenzen)
- Singapur mit 6,9 Prozent der XBB.1.16-Fälle (250 Sequenzen)
- Australien mit 3,9 Prozent der XBB.1.16-Fälle (143 Sequenzen)
- Kanada mit 2,6 Prozent der XBB.1.16-Fälle (94 Sequenzen)
- Brunei mit 2,4 Prozent der XBB.1.16-Fälle (89 Sequenzen)
- Großbritannien mit 2,1 Prozent der XBB.1.16-Fälle (75 Sequenzen)
- Japan mit 2 Prozent der XBB.1.16-Fälle (73 Sequenzen)
Wie focus.de berichtet, diente Großbritannien in der Pandemie-Entwicklung in der Vergangenheit oft wie eine Art Vorschau für Deutschland. In dem Land hatte sich die Arcturus-Variante im April stark ausgebreitet. Die Fallzahlen hatten sich dem Bericht nach innerhalb von ein paar Wochen verdreifacht. Insgesamt ist das Infektionsgeschehen - wie auch in Deutschland - aber weiterhin auf einen niedrigen Niveau.
In ihrem Bericht zu XBB.1.16 schätzt die WHO das Risiko, das von der Corona-Variante ausgeht, insbesondere im Vergleich zu anderen Varianten, wie XBB.1.5, niedrig ein. Weil Arcturus aber ansteckender ist als andere Varianten, geht die WHO davon aus, dass die Corona-Variante in einigen Ländern dominant werden und für steigende Fallzahlen sorgen könnte. Von XBB.1.16 geht dem Bericht zufolge aber im Vergleich zu aktuell dominanten Varianten kein erhöhtes Risiko aus.