Seine Geschöpfe schafften es ins Weltall und ins Wörterbuch, sie machten ihren Erfinder reich und berühmt. Doch über eines ärgerte sich der „Vater“ von Charlie Brown und Snoopy sein Leben lang: „Peanuts – das ist der schlimmste Titel, der je für einen Comicstrip benutzt wurde.“ So also schimpfte Charles M. Schulz über den Namen, den der Verlag erfunden hatte. Denn: Er wollte keine Peanuts, Englisch für Kleinigkeiten, erzählen. Seine Helden waren zwar Kinder, doch seine Geschichten behandelten existenzielle Probleme aus der Erwachsenenwelt. Vor 70 Jahren erschien der erste Comicstrip unter dem Titel „Peanuts“ in mehreren US-Zeitungen.
Die amerikanische Kleinstadtwelt der Peanuts, wo die Kinder nach der Schule Football spielen oder Drachen steigen lassen, hatte von Anfang an ihre Abgründe. Charlie Brown, der Pechvogel mit dem Kugelkopf, läuft im ersten Peanuts-Strip arglos an zwei Kindern vorbei. „Good ol’ Charlie Brown“, sagen sie mehrmals – und im letzten Bild dann einer: „How I Hate Him“. Vom guten alten Kumpel bis zur Hassfigur in wenigen Strichen.
Am 2. Oktober 1950 erschien der erste Comicstrip unter dem Namen „Peanuts“
Der melancholische Charlie Brown war das Alter Ego von Charles Monroe Schulz, der 1922 in Minnesota zur Welt kam. Sein Vater, ein Friseur wie später auch der von Charlie Brown, war Nachfahre deutscher Einwanderer. Charles wuchs in den schwierigen Jahren der „Großen Depression“ auf, der Wirtschaftskrise. 1943 musste er später für drei Jahre als Soldat nach Europa. „Ich lernte in dieser Zeit, was Einsamkeit ist“, schrieb er.
Noch als Schüler hatte Schulz einen Fernkurs „Komisches Zeichnen“ absolviert und 1937 in einer Comicbeilage die erste Zeichnung veröffentlicht, eine Anekdote über seinen Hund Spike – ein früher Vorbote von Snoopy. Nach dem Krieg suchte er Abnehmer für seine Comics über Kinder, die er „Li’l Folks“ (Kleine Leute) nannte. 1950 gab ihm schließlich die New Yorker Agentur „United Feature Syndicate“ einen Vertrag, der erste Peanuts-Strip erschien in neun Zeitungen. Dann ging alles ganz schnell.
1952 folgte das erste Buch mit den philosophischen Comics, 1965 kam der erste Peanuts-Film ins Fernsehen. 1969 nannten die Astronauten von Apollo 10, der Vorgängermission der berühmten Apollo 11, ihre Kommandokapsel Charlie Brown und ihre Mondlandefähre Snoopy. Der kleine Linus schaffte es mit seiner Schmusedecke („Security Blanket“) 1970 ins US-Wörterbuch.
Und die Popularität wuchs rasant weiter. 1984 kamen die Peanuts ins Guinnessbuch der Rekorde, weil sie weltweit in 2000 Zeitungen abgedruckt wurden. 1990 widmete der Louvre in Paris ihnen eine Ausstellung. Das Merchandising explodierte, Schulz wurde reich. Mit seiner ersten Ehefrau Joyce (1972 heiratete er ein zweites Mal), mit der er fünf Kinder hatte, zog er auf ein großes Anwesen in Kalifornien, seinem Wohnort Santa Rosa spendierte er eine Eissporthalle.
Der Pechvogel Charlie Brown wurde zum Gegenentwurf des amerikanischen Traums
Der Kosmos der Peanuts, in dem nie Erwachsene zu sehen waren, wuchs und wandelte sich. Snoopy, der sein Debüt am 4. Oktober 1950 hatte, war anfangs ein leidlich normaler Hund. Ab 1960 begann er auf den Hinterbeinen zu laufen und zu denken – allzu Menschliches wie: „Ich habe Angst davor, alt zu werden und graue Ohren zu kriegen.“ Auf dem Dach seiner Hundehütte malte er sich aus, ein Flieger-As im Ersten Weltkrieg oder ein Star-Anwalt zu sein. Kleine Fluchten vor den Zumutungen des Alltags, zu denen ein leerer Futternapf zählte. Sein bester Freund: Vogel Woodstock, benannt nach dem legendären Hippie-Festival.
Der weite Bogen zwischen Poesie (verkörpert durch den weltabgewandten Klavierspieler Schroeder) und Zynismus (verkörpert durch die fiese Lucy, die Charlie Brown immer den Football wegzieht) hat viele Interpreten auf den Plan gerufen. Der Schriftsteller Umberto Eco sah in den Comics die Neurosen der Industriegesellschaft kondensiert. Der Literaturkritiker Denis Scheck nahm die Peanuts sogar in seinen Kanon der 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur auf. Und, welch Ironie der Geschichte: Der ewig scheiternde Pechvogel Charlie Brown, ein Gegenentwurf zum amerikanischen Traum, wurde zur weltweiten Ikone.
Einen Tag nach dem Tod von Charles M. Schulz am 12. Februar 2000 wurde der letzte seiner etwa 17.800 Zeitungs-Comicstrips veröffentlicht. Seine Figuren aber leben weiter.
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