Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine geht immer wieder die Angst um, dass dieser eine neue Dimension erreichen könnte. Eine brisante Entwicklung: Das ukrainische Asow-Regiment berichtete von einem Einsatz von Giftgas der russischen Truppen in Mariupol. Giftgas gehört zu den sogenannten Chemiewaffen, welche gefürchtet sind und auch als Kriegsverbrechen geächtet werden. Das hat gute Gründe.
Erklärung: Was sind Chemiewaffen?
Die Chemiewaffen, die auch als chemische Waffen bezeichnet werden, werden zu den Massenvernichtungswaffen gezählt, was auch auf nukleare, biologische und radiologische Kampfmittel zutrifft. Grund für die Namensgebung ist es, dass die Waffen viele Tote und Verwundete zur Folge haben können. In der Geschichte wurden sie oftmals als "Atombombe des kleinen Mannes" bezeichnet, da sie in der Herstellung vergleichsweise günstig sind.
Die Chemiewaffen bestehen allesamt aus chemischen Kampfstoffen. Diese werden durch ein Trägersystem in das Ziel befördert, in welchem der Kampfstoff eingesetzt werden soll. Es gibt viele verschiedene chemische Kampfstoffe, welche unterschiedliche Wirkungen haben können. Häufig wirken Chemiewaffen giftig, lähmend und erstickend. Es gibt Gifte, welche Lungen, Haut, Nerven und das Blut schädigen können. Zunächst wurden chemische Waffen vor allem mit Stoffen produziert, welche aus der chemischen Industrie bekannt waren. Dazu zählen Chlor und Phosgen.
Warum sind Chemiewaffen so gefährlich?
Mit der Zeit wurden neue Kampfstoffe entwickelt, die bei der militärischen Kriegsführung eingesetzt werden können. Als Trägermittel können dabei beispielsweise Handgranaten und Granaten eingesetzt werden, aber auch Minen, Bomben, Sprühtanks und Raketensprengköpfe.
Die chemischen Waffen können ganze Gebiete mit ihren giftigen Dämpfen einhüllen, was diese oftmals für viele Menschen in einem Gebiet und vor allem auch Zivilisten gefährlich macht. Jeder Mensch reagiert dabei anders auf die Giftstoffe. Entscheidend ist, wie lange eine Person dem Gift ausgesetzt ist. Die Giftstoffe gelangen über die Haut oder den Mund in den Körper. In der Praxis werden die Kampfstoffe oftmals vom Wind verweht, was sie unberechenbar macht. Sogar für die eigenen Truppen kann der Einsatz von Chemiewaffen gefährlich sein – beispielsweise, wenn der Wind dreht.
Geschichte von chemischen Waffen: Sind Chemiewaffen verboten?
Die ersten Chemiewaffen wurden während des Ersten Weltkriegs entwickelt. Im Zweiten Weltkrieg kamen chemische Waffen wohl nicht im großen Stil zum Einsatz, was befürchtet wurde. Das hatte wohl vor allem den Grund, dass sich die Kriegsparteien vor Vergeltungsschlägen fürchteten. Seit dem Jahr 1971 sind der Einsatz, die Entwicklung und die Herstellung von Chemiewaffen verboten. Das geht aus der internationalen Biowaffenkonvention hervor.
Im Jahr 1997 wurde außerdem ein Chemiewaffenübereinkommen verabschiedet. Laut diesem ist die Entwicklung, Herstellung, Lagerung und der Einsatz von chemischen Waffen verboten. Seitdem wird der Einsatz auch als Kriegsverbrechen angesehen. Auch Russland hat die Vereinbarung ratifiziert.
Hat Russland Chemiewaffen eingesetzt?
Es ist kein Geheimnis, dass Russland über Chemiewaffen verfügt. Mit der Arms Control Association behauptet eine unabhängige Organisation zur Rüstungskontrolle, dass Russland das weltweit größte Arsenal an chemischen Waffen besitzt. Laut der Organisation aus Washington sollen die Russen rund 40.000 Tonnen an chemischen Kampfstoffen zum Einsatz nutzen können. Darunter seien folgende Kampfstoffe: Senfgas, Sarin, Soman, VX, Phosgen und Senfgas-Lewisit-Gemische.
Die Russen haben wohl auch bereits Erfahrung beim Einsatz von Chemiewaffen. Das glauben zumindest mehrere Expertinnen und Experten wie Charles Lister vom Middle East Institute in Washington. Laut ihm habe Russland-Präsident Wladimir Putin gelernt, chemische Waffen so einzusetzen, dass man den Einsatz kaum nachweisen könne und er nicht dafür belangt werde. Das sagte Lister dem Guardian. Erfahrung sollen Putins Truppen in Syrien gesammelt haben.
UN beklagen schwere Kriegsverbrechen im Syrien-Konflikt: Mindestens 25 der 30 Chemiewaffenangriffe, welche es zwischen 2013 und 2017 auf der Welt gegeben hat, sind auf Syriens Armee zurückzuführen. Zu diesem Schluss kommt eine unabhängige internationale Untersuchungskommission vom UN-Menschenrechtsrat. Russland unterstützte die syrische Armee und war womöglich an den Einsätzen der Chemiewaffen beteiligt. Russland habe eine "lange und gut dokumentierte Erfolgsbilanz beim Einsatz chemischer Waffen", schrieb Jen Psaki, Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, auf Twitter.
Was ist der Unterschied zwischen Chemiewaffen und Biowaffen?
Biologische Waffen und chemische Waffen werden oftmals in einem Atemzug genannt. Es gibt aber einige Unterschiede. Laut UN gelten Biowaffen als "alle gezielt eingesetzten, (…) infektiösen Stoffe, die Krankheiten oder Tod bei Mensch, Tier oder Pflanzen verursachen". Es werden Bakterien und Viren als Waffen benutzt, was sich von Chemiewaffen unterscheidet. Es soll ungefähr 200 verschiedene dieser Viren und Bakterien geben. Dazu gehören Pest, Pocken und Milzbrand.