Beim Warntag 2023 in Bayern kommt auch Cell Broadcast (CB) zum Einsatz. Das Warnsystem wurde am 23. Februar 2023 eingeführt. Die Technologie, Textnachrichten großflächig an Mobilfunkgeräte auszusenden, ist aber gar nicht so neu. Die EU hatte sie als Zivilschutz-Maßnahme vor Naturkatastrophen bereits 2018 auf den Weg gebracht.
Nach der verheerenden Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit über hundert Toten wurden auch in Deutschland die gesetzlichen Grundlagen für Cell Broadcast geschaffen. Jetzt geht das System an den Start. Alles zum Cell Broadcast-Warnsystem, wie und auf welchen Geräten es funktioniert und wann es zum Einsatz kommen soll, erfahren Sie hier im Überblick.
Was ist Cell Broadcast?
Cell Broadcast ist eine Technologie, bei der Nachrichten über das Mobilfunknetz versendet werden. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) kann damit Warnmeldungen an alle Mobilfunkgeräte, also Handys und Smartphones, schicken, die dafür eingerichtet und empfangsbereit sind. Die Meldung wird über die Mobilfunkmasten versendet. Denn jedes Mobiltelefon befindet sich in einer sogenannten Funkzelle: dem Bereich, den ein Mast mit seinem Netz abdeckt. Dort registriert sich das Gerät. Das BBK erklärt: "Der zentrale Verteiler einer Funkzelle kann dann in umgekehrter Richtung Warnmeldungen an alle Mobilfunkendgeräte versenden." Während der Mobilfunkmast eine SMS nur an ein bestimmtes Gerät sendet, schickt er die CB-Meldung an alle Geräte, die sich innerhalb seiner Funkzelle befinden.
Für die Bevölkerung sieht die CB-Warnung dennoch wie eine gewöhnliche SMS aus. Allerdings erklärt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), dass die Warnung zum Lesen nicht erst geöffnet werden muss: "Die Nachricht wird direkt auf den Startbildschirm gepusht und kann sogar mit einem Alarmton verbunden werden, auch wenn das Handy im Lautlos-Modus ist."
"DE Alert": Warum wurde Cell Broadcast auch in Deutschland eingeführt?
In Notfallsituationen setzt der Bund bereits ein sogenanntes modulares Warnsystem ein, also ein Mix aus unterschiedlichen Übertragungswegen: etwa Radioansagen, Laufbänder im Fernsehen, Sirenen oder Push-Mitteilungen über die Warn-Apps Nina oder Katwarn. Experten fordern dennoch schon lange ein CB-System für Deutschland. Ein gescheiterter Warntag vor zwei Jahren zeigte, dass etwa viele Sirenen nicht funktionieren oder technische Warnsysteme nicht ausreichend sind. Nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Juli 2021, bei der es über hundert Tote gab, entschied die Bundesregierung, die gesetzlichen Grundlagen für Cell Broadcast in Deutschland zu schaffen.
Deutschland hinkt damit allerdings etwas hinterher: Bereits 2018 verabschiedete der Rat der Europäischen Union die neue Richtlinie zum europäischen Kodex für elektronische Kommunikation (European Electronic Communications Code). Demnach mussten alle EU-Mitgliedsstaaten bis zum 21. Juni 2022 ein solches Mobilfunk-basiertes Warnsystem für den Zivilschutz einrichten, das sogenannten “EU-Alert”-System. Allerdings hatte der Gesetzgeber den beteiligten Providern und Smartphone-Herstellern eine Frist bis zum Februar 2023 eingeräumt, um das Warnsystem technisch umzusetzen. Ende Februar 2022 hat die Bundesnetzagentur die technische Richtlinie "DE-Alert" erlassen, die die technischen Anforderungen für die Einführung von Cell Broadcast konkretisiert, so das BBK. Gemäß der Frist wurde Cell Broadcast in Deutschland zum 23. Februar 2023 eingeführt.
In welchen EU-Ländern gibt es überall Cell Broadcast?
Die EU-Richtlinie haben bereits einige europäische Länder eingeführt:
- Niederlande
- Litauen
- Rumänien
- Griechenland
- Italien
- Frankreich
- Spanien
Deutschland hat das System Ende Februar 2023 eingeführt. Auch in anderen Ländern gibt es bereits CB-Systeme, etwa in Portugal, wo häufig vor lokaler Waldbrandgefahr über entsprechende Meldungen gewarnt wird.
Welche Vorteile hat Cell Broadcast?
Wer an Silvester einmal versucht hat, eine SMS pünktlich zum Jahreswechsel zu versenden, weiß, dass das Mobilfunknetz durch zu viele SMS auch überlastet sein kann. Die Kurznachricht kommt dann entweder gar nicht oder mit einigen Stunden Verzögerung beim Empfänger an. Bei CB gibt es diese Gefahr nicht, erklärt das BMDV: "Die Versendung von CB-Nachrichten ist auch bei Überlastung der Mobilfunknetze möglich, da sie nur eine geringe Netzkapazität benötigt."
Außerdem muss für den Empfang der Warnung keine App heruntergeladen werden. Das erleichtert die Anwendung extrem. Ein weiterer Vorteil liegt im Datenschutz, erklärt die Verbraucherzentrale. Die Technologie kann nämlich komplett anonym betrieben werden. Die Empfänger müssen sich nirgendwo dafür anmelden oder persönliche Daten angeben. "Die Warnnachrichten werden so ausgestrahlt, wie zum Beispiel das Programm eines Radiosenders", erklärt die Verbraucherzentrale. Auch der Mobilfunkanbieter Vodafone versichert: "Bei der Aussendung werden keine personenbezogenen Daten erhoben oder verarbeitet." Anders ist es zum Beispiel bei Benachrichtigungen per SMS. Dafür muss der Absender die Handynummer kennen.
Welche Nachteile hat Cell Broadcast?
Ein Nachteil der Technologie ist, dass über CB ausschließlich Textnachrichten versendet werden können. Wetterdarstellungen oder Karten von gefährdeten Gebieten - etwa Überflutungszonen - lassen sich damit nicht übertragen. Doch auch die technischen Grundlagen sind Nachteile. "Cell Broadcast ist ein technisch sehr komplexes Warnmittel", schreibt das BBK. Soll heißen: Es gibt zahlreiche Stellen, an denen es zu Problemen kommen kann.
Ein Hindernis stellen die Betriebssysteme der Mobiltelefone dar. Diese müssen aktuell genug sein, um die Kommunikation über CB zu ermöglichen. Schätzungsweise ein Drittel aller Android-Smartphones läuft allerdings mit einer älteren Version. Sie können CB nicht empfangen. Als weitere Faktoren, die für den Empfang eine Rolle spielen, nennt das BBK außerdem die SIM-Karte und die Firmenhardware des Telefons. Außerdem müssen die Mobilfunkanbieter den Dienst ermöglichen.
Wie viele CB-geeignete Geräte es momentan in Deutschland gibt, kann das BBK nicht sagen. Allerdings wurde im Sommer der bundesweite Warntag 2022 um drei Monate auf Dezember verschoben, weil bekannt wurde, dass aufgrund des kurzen Vorlaufs nur jedes fünfte Mobiltelefon die Nachrichten empfangen kann.
Welche Geräte können Cell Broadcast empfangen?
Laut dem BMDV können auch ältere Mobiltelefone CB empfangen. Smartphones seien dafür nicht erforderlich. Allerdings muss ein Gerät angeschaltet und empfangsbereit sowie mit Cell Broadcast kompatibel sein. Vodafone empfiehlt seinen Kunden etwa, rechtzeitig vor dem 8. Dezember zu überprüfen, ob das eigene Endgerät die Funktion Cell Broadcast unterstützt. Hierfür müssen CB-kompatiblen Betriebssysteme auf dem Smartphone installiert sein. Folgende Geräte sind dann empfangsbereit:
- Alle iPhones (Apple) der Generation 6s oder aufwärts mit dem Betriebssystem iOS 16.1 oder 15.7.1 und 15.6.1
- Geräte mit dem Betriebssystem Android von der Version 11 an aufwärts
Sofern diese Versionen noch nicht auf dem Endgerät vorhanden sind, empfehlen Mobilfunkanbieter ihren Kunden, ein entsprechendes Update zu installieren.
Bei einigen Mobiltelefonen muss der CB-Empfang außerdem noch manuell aktiviert werden. Beim iPhone gelingt dies in den Einstellungen über den Menüpunkt "Mitteilungen". Dort findet sich ganz unten die Rubrik "Cell Broadcast Alerts" mit den drei Auswahlfeldern "extreme Gefahr", "Gefahreninformation" sowie "Testwarnungen", die sich einzeln aktivieren lassen.
Android-Nutzer finden die Einstellung in der Regel im Einstellungen-Menü im Untermenü wie "Sicherheit und Notfall". Die Rubrik zum Ein- und Ausschalten der Nachricht heißt dann je nach Hersteller "Drahtlose Notfallwarnungen" oder "Notfallbenachrichtigungen für Mobilgeräte".