Für die Bild, die lange gut von Dieter Bohlen gelebt hat, ist es natürlich ein Kracher. In Bild-Worten eine „TV-Sensation“, ein „Mega-TV-Comeback“ und eine: „Irre Kehrtwende!“ Und das stimmt. Denn nach Berichten des Boulevardblattes und des Branchendienstes DWDL.de vom Montagabend holt der Kölner Privatsender RTL den polarisierenden Musikproduzenten und selbst ernannten Pop-Titanen zurück in die Jury der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS), die nächstes Jahr in die 20. Staffel geht. Bohlen war schon in der ersten Staffel 2002 zu dem Format gekommen – und wurde zum Inbegriff des pöbelnden Castingshow-Zampanos.
Laut Bild-Informationen aus Senderkreisen sei der Vertrag mit ihm bereits unterschrieben. Bohlens Jury-Nachfolger, Schlager-Star Florian Silbereisen, soll zu jenem Zeitpunkt noch von nichts gewusst haben. RTL hatte im März 2021 bekannt gegeben, sich von Bohlen zu trennen: „Nach fast zwei Jahrzehnten gemeinsamer Erfolge ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Veränderung und Weiterentwicklung.“ Europas erfolgreichste Talent-Show „Deutschland sucht den Superstar“ erfinde sich neu, und auch „die große Familienshow ,Das Supertalent’“ werde ihr Publikum im Herbst 2021 mit neuen Juroren vor die Bildschirme locken. „Darüber wurden alle Beteiligten im Vorfeld informiert.“
Bohlen kritisierte RTL-Chefs nach seinem "DSDS"-Ende 2021
Bohlen war darüber nicht amüsiert. In einem bis heute knapp 700.000 Mal aufgerufenen Instagram-Video sagte er im Herbst 2021, in seinem Team habe man „eine Meinung, wie man Erfolg macht“, gehabt. Dann seien neue Geschäftsführer, „neue Leute da oben“ gekommen, die eine andere Meinung gehabt hätten. Doch RTL habe ihn nicht rausgeschmissen, er habe einen Vertrag, der „weit über dieses Jahr“ hinauslaufe.
In dem Video kritisierte Bohlen auch, dass Schlagersänger Michael Wendler in die DSDS-Jury geholt worden sei. Er hätte ihn nie da reingesetzt, sagte Bohlen. RTL musste sich von Wendler trennen, nachdem dieser im Herbst 2020 Verschwörungsmythen verbreitet, selbst seinen DSDS-Ausstieg verkündet und dem Sender vorgeworfen hatte, „gleichgeschaltet“ und „politisch gesteuert“ zu sein. Später schrieb Wendler: „KZ Deutschland??? Es ist einfach nur noch dreist, was sich diese Regierung erlaubt!“
Dass sich RTL von Bohlen als Gesicht der Erfolgsformate DSDS und „Das Supertalent“ verabschiedete, markierte einen Strategiewechsel. Henning Tewes, seit März 2021 Geschäftsführer von RTL Television, sprach im Februar 2022 in einem DWDL.de-Interview über diese Neupositionierung. RTL soll im Unterhaltungsbereich und im Fiktionalen familienfreundlicher und durch den Ausbau seines Nachrichtenbereichs relevanter werden.
Dafür holte man zum Beispiel Entertainer Hape Kerkeling und setzte auf den Retro-Trend mit der Neuauflage einstiger Show-Erfolge wie „Der Preis ist heiß“. Für Seriosität sollen, neben anderen, die frühere ARD-„Tagesthemen“-Moderatorin Pinar Atalay und der ehemalige „Tagesschau“-Chefsprecher Jan Hofer sorgen. Bernd Reichart betonte, als er noch Geschäftsführer der Mediengruppe RTL Deutschland war, „die Entwicklung neuer, positiver Familien-Formate in der Unterhaltung“. Nicht nur Bohlen passte nicht mehr zu dieser langfristig angelegten Strategie, auch Oliver Pochers Show „Pocher – gefährlich ehrlich“ wurde eingestellt.
Kommt Bohlen wegen schlechter Einschaltquoten zurück zu "DSDS"?
Und nun also die Kehrtwende? Bild und DWDL.de erklärten die angebliche Rückkehr Bohlens mit einem Einsacken der DSDS-Einschaltquoten unter Florian Silbereisen. „Das Nett-Konzept wollten die Zuschauer nicht“, so das Blatt. Das Branchenmagazin wiederum will erfahren haben, dass die „Rolle rückwärts“ im eigenen Haus auf großes Unverständnis gestoßen sei und fragte: „Welche Haltung, die man im vergangenen Jahr bedeutungsschwanger vorgetragen hat, wird als nächstes kassiert?“ RTL ließ eine Anfrage unserer Redaktion am Dienstag unbeantwortet.
Bohlen, dem bereits das Karriere-Aus nachgesagt worden war, gehe es bei seiner Rückkehr „sicherlich nicht um Kohle“, spekulierte die Bild-Zeitung am Dienstag. Er solle sogar etwas weniger Gage bekommen als vor seinem Aus bei „Deutschland sucht den Superstar“, berichtete sie.