Die einen schimpfen, die anderen atmen erleichtert auf: Auch künftig wird es in Deutschland keinen freien Verkauf von Joints oder Hanfschokolade in speziellen Fachgeschäften geben. Stattdessen strebt die Ampel-Regierung eine Teil-Legalisierung von Cannabis an.
Dass es am Ende nur zu dieser Kompromisslösung reicht, liegt vor allem an der Europäischen Union. Internationale Abkommen und EU-Verträge standen weiterreichenden Plänen von Anfang an im Weg. Für den SPD-Europaabgeordneten René Repasi war immer klar, dass unter geltendem Recht eine umfassende Legalisierung nicht möglich ist. „Es würde nur mit einer Vertragsänderung gehen“, sagt Repasi. „Aber niemand will die EU-Verträge ändern, nur damit Deutschland auf seinem Hoheitsgebiet Cannabis legalisiert kriegt.“
Cannabis-Legalisierung: In der EU sind Verkauf und Anbau von Drogen verboten
In einem EU-Rahmenbeschluss von 2004 ist festgeschrieben, dass der Verkauf von Drogen verboten ist, ebenso der Anbau und die Herstellung. Einige Jahre später hatten die Schengen-Staaten die Regelung noch einmal verschärft. Demnach muss auch der grenzüberschreitende Handel mit Cannabis strafrechtlich verfolgt werden. Um trotzdem ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzuhalten, lotete die Ampel deshalb die Grauzonen aus – und landete bei der Teillegalisierung mit vielen Einschränkungen.
Tatsächlich ist Europa gespalten bei dem Thema. Auch wenn der Konsum in den Niederlanden, in Spanien, Luxemburg oder auch in Tschechien zumindest vom Gesetzgeber geduldet wird, sieht es bei der Mehrheit der Mitgliedstaaten anders aus. In Frankreich, Osteuropa oder in Skandinavien ist der Widerstand gegenüber einer Tolerierung oder gar Legalisierung massiv. „Cannabiskonsum ist besonders für Jugendliche und für junge Erwachsene unter 25 Jahre ein großes gesundheitliches Problem“, sagt der CDU-Europaparlamentarier und Arzt Peter Liese. Deswegen müsse man hier „sehr vorsichtig sein“. Unter anderem die Grünen und Linken argumentieren dagegen, dass Cannabis mit anderen erlaubten Rauschmitteln wie Zigaretten oder Alkohol zu vergleichen wäre. Regelmäßig betonen sie, dass eine Legalisierung den Schwarzmarkt eindämmen würde.
Das Problem für Brüssel: Aufgrund des gemeinsamen Binnenmarkts muss ein Produkt überall freizügig sein. Nationale Alleingänge sind wegen der offenen Grenzen unmöglich. Theoretisch. Praktisch wird in den Niederlanden der Verkauf von sogenannten weichen Drogen toleriert. Allerdings bleibt der Anbau verboten, sodass die Behörden die Kontrolle über die Lieferketten verloren haben. Die Niederlande kämpfen in der Folge mit einem massiven Drogenkriminalitätsproblem. In Dänemark ist deshalb die Sorge groß, dass Cannabis aus Deutschland, wo es dann legal konsumiert werden dürfte, in mehr oder weniger großen Mengen über die Grenze transportiert würde, wo der Gebrauch eben nicht erlaubt ist.
Vonseiten der EU heißt es, man werde sich Deutschlands Cannabis-Legalisierung sehr genau ansehen
Liese bat in einem Brief an die zuständige Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides um eine Einschätzung der Brüsseler Behörde bezüglich der Vereinbarkeit mit EU-Recht. Das war im November 2022, auf eine Antwort wartet der CDU-Politiker bis heute. Die EU-Kommission hält sich seit Jahrzehnten mit Vorstößen, aber auch Rügen auf Regelbrüche zurück. Vielmehr ignoriert sie die nationalen Alleingänge. Wird die Behörde als Hüterin der Verträge auch weiterhin nicht einschreiten, wenn der größte Mitgliedstaat vorprescht? Man werde sich die Pläne genau anschauen, hieß es.
Cyrus Engerer hofft, dass das Gesetz in Deutschland einen Effekt auf andere Länder haben sowie Druck auf die Kommission ausüben wird, damit diese einen Vorschlag zur Harmonisierung unterbreitet. Der maltesische EU-Abgeordnete gehört zu den Gründern einer fraktionsübergreifenden Interessengruppe im EU-Parlament, die sich für die Legalisierung von Cannabis zum persönlichen Gebrauch einsetzt. „Bis vergangenes Jahr wagte es niemand, das Thema zu erwähnen, darüber zu diskutieren oder gar einen Vorschlag zu machen“, so Engerer.
Nur eine Gruppe habe über Cannabis für den medizinischen Gebrauch gesprochen – „immerhin ein Weg nach vorn“, den er nun mit seinen Mitstreitern weiter verfolgen will. Seine Heimat war das erste EU-Land, das Cannabis für Freizeitzwecke legalisierte. Dementsprechend wandten sich viele deutsche Politiker an Engerer, um mehr über das „Malta-Modell“, nach dem der Anbau von bis zu vier Pflanzen erlaubt ist, zu erfahren. „Es funktioniert ganz gut, auch wenn es noch angepasst werden muss“, sagt er und verweist auf Touristen, die weiterhin Cannabis im Untergrund kaufen müssten, was wiederum kriminelle Organisationen am Leben hält. „Auch wenn ich die Überlegungen nachvollziehen kann, moderaten Cannabiskonsum für Menschen über 25 Jahre in geordnete Bahnen zu lenken, so ist der Versuch doch aus praktischen Gründen und aus europarechtlichen Gründen untauglich“, sagt dagegen Peter Liese. Das Gesetz werde nicht wie behauptet den illegalen Gebrauch zurückdrängen, „weil der legale Konsum zu Recht mit Auflagen und Hürden verbunden ist, die die Befürworter versuchen werden zu umgehen“.
Der Christdemokrat schließt denn auch nicht aus, dass das deutsche Gesetz letztendlich vor dem Europäischen Gerichtshof scheitert. Es sei „äußerst problematisch, dass sich die Bundesregierung hier am Rande des Europarechts bewegt oder es sogar bricht“.