Es gibt wohl kein innenpolitisches Thema, über das sich die Parteien der Union öffentlich mehr Gedanken machen, als über das Bürgergeld. Seit dessen Einführung im Jahr 2023 wird es von der langjährigen Regierungspartei scharf kritisiert. Vor allem die im Vergleich zum Vorgänger Arbeitslosengeld II höheren Regelsätze schmecken CDU-Chef Friedrich Merz & Co. nicht.
Die Union argumentiert, dass das Bürgergeld die Menschen eher vom Arbeiten abhalte, weil sie im Niedriglohnsektor kaum mehr Geld zur Verfügung hätten als die Empfänger der Sozialleistung, die zudem bei Wohn- und Heizkosten unterstützt werden. Zudem würden die Sanktionen nicht genug abschrecken.
Bereits häufiger war aus Reihen der CDU und der CSU zu hören, das Bürgergeld in seiner aktuellen Form habe keine Zukunft. Unterstützt werden die Oppositionsparteien dabei auch von der regierenden FDP.
CDU macht neue Vorschläge zum Bürgergeld: Sanktionen und neuer Name
Doch nicht nur in aller Öffentlichkeit macht sich die CDU ihre Gedanken über das Bürgergeld. Die Neue Zürcher Zeitung verweist auf einen Entwurf für eine Bürgergeld-Reform, der der Redaktion vorliege. Die entsprechende Beschlussvorlage umfasst dem Bericht zufolge vier Seiten und wurde am 18. März vom Präsidium und vom Bundesvorstand angenommen.
Demnach sollen Sanktionen schneller verhängt werden können und die "Karenzzeit" für die Vermögensprüfung gestrichen werden. Außerdem soll der Name Bürgergeld abgeschafft werden. Als neue Bezeichnung schwebt den Christdemokraten "neue Grundsicherung" vor.
Das Blatt aus der Schweiz zitiert aus dem CDU-Papier: "Lehnt ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger ohne sachlichen Grund eine ihm zumutbare Arbeit ab ("Totalverweigerer"), soll zukünftig davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig ist." In diesem Fall bestünde dann kein Anspruch mehr auf Grundsicherung. Allerdings soll demnach darauf geachtet werden, dass Kinder und Partner nicht unter dem Verhalten solcher "Totalverweigerer" leiden.
CDU und Bürgergeld: Partei fordert umgehende Vermögensprüfung
Mit einer direkten Vermögensprüfung soll bei Beziehern von Sozialleistungen etwa Bargeld, Erspartes, Wertpapiere oder Wohneigentum schnell zutage gefördert werden. Mit diesem Vorgehen soll sichergestellt werden, dass die "Solidarität der Steuerzahlergemeinschaft" nicht missbraucht wird.
Die CDU findet demnach zudem, dass das Bürgergeld Anreize gegen Mehrarbeit setzt. Die größte Oppositionspartei plädiert deswegen für eine Reform der Hinzuverdienstgrenzen, Überstunden sollen steuerfrei werden. Außerdem sind Sanktionen als Mittel für gesellschaftliche Akzeptanz angedacht.
Laut Augsburger Allgemeine hat sich die CDU für ihren Vorstoß Rat beim ehemaligen Präsidenten des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, geholt. Der seit Februar im Ruhestand befindliche Jurist hält eine Kürzung der Sozialleistungen auf Null für vereinbar mit geltendem Recht.
Laumann über Bürgergeld: "Falsche Anreize - allein schon durch seinen Namen"
Karl-Josef Laumann (CDU) erhofft sich, dass auch die übrigen Ampel-Parteien mit ins Boot springen werden. "Es ist meine Überzeugung, dass auch SPD und Grüne einsehen müssen, dass das aktuelle Bürgergeld falsche Anreize setzt, allein schon durch seinen Namen", sagte der nordrhein-westfälische Arbeits- und Sozialminister, der auch Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) ist.
Der Staat bekomme beim Bürgergeld "die Integration in den Arbeitsmarkt nicht gut genug" hin, ergänzte er laut Augsburger Allgemeine. Es müsse für die Menschen wieder "einen guten Grund geben, morgens aufzustehen, dass man irgendwo erwartet wird". In seinen Augen geht es in einer guten Sozialstaatspolitik darum, "wieder zu einem Leben zu kommen, wo sie eine Aufgabe haben".
Grünen-Kritik an CDU-Plan für Bürgergeld: "Völlig das Maß verloren"
Während Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger die CDU-Pläne begrüßte und eine "Grundsanierung des Bürgergeld-Systems" forderte, äußerte sich der CDA-Vizevorsitzende Christian Bäumler differenzierter. Laumanns Stellvertreter stellte im SWR fest: "Wir dürfen in einem Land wie Deutschland niemanden verhungern oder obdachlos werden lassen." Für ihn gehen die Vorschläge zu weit: "Eine vollständige und dauerhafte Streichung der Grundsicherung ist jedoch mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar."
Deutliche Kritik übt Andreas Audretsch. Der Fraktions-Vize der Grünen moniert im Spiegel: "Der Plan von Friedrich Merz und Carsten Linnemann ist eine Bedrohung für die Ersparnisse von Familien aus der Mittelschicht." Und konkreter: "Eltern dauerhaft 100 Prozent des Lebensnotwendigen zu streichen, bedeutet für Familien kein Geld für Essen und Kleidung.“ Für ihn ist deshalb klar: "Friedrich Merz und Carsten Linnemann haben völlig das Maß verloren."
FDP-Politiker zum CDU-Plan für Bürgergeld: Kritik am allgemeinen Vorgehen
Etwas wohlwollender äußerte sich Konstantin Pott, sozialpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der FDP Sachsen-Anhalt. Mit dem Vorgehen ist er allerdings nicht einverstanden. "Es gab ja Verhandlungen im Vermittlungsausschuss, wo die CDU gerne solche Vorschläge hätte vorbringen und einbringen können. Da hätte sie uns mit Sicherheit auch als Verbündeten gehabt, das Ganze umzusetzen", betonte der Liberale im MDR.
Und weiter: "Jetzt nach der ganzen Einführung zu kommen, dem Bürgergeld erst zuzustimmen – das kommt dann noch mal dazu – und dann zu sagen 'wir haben jetzt hier aber noch mal ganz andere Vorschläge und uns reicht das alles vorn und hinten nicht aus', dann finde ich auch die Zustimmung ein bisschen inkonsequent."
Bürgergeld-Reform: SPD-Politikerin wirft CDU "eine Form des Populismus" vor
Deutliche Ablehnung äußert im MDR Kathrin Michel. Die SPD-Co-Chefin in Sachsen gibt Merz & Co. auch kontra: "Sie operieren komplett ohne Zahlen. Es enthält viele Generalverdächtigungen, Generalannahmen. Es wird nicht unterlegt. Und ja, das ist nun mal eine Form des Populismus. Und das tut uns allen nicht gut. Auch unserer Gesellschaft nicht."
Ähnlich sieht es auch die Diakonie Deutschland. In der Augsburger Allgemeinen stellt Sozialvorständin Maria Loheide klar: "Es ist gefährlich. Sozialstaatliche Hilfen mit Drohungen zu versehen und dabei die Schwächsten in unserer Gesellschaft, wie zum Beispiel chronisch Kranke, Menschen mit Lese- und Schreibproblemen und Menschen, die im Bildungssystem durchgefallen sind, zu bestrafen."