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Brüssel: Insekten in Lebensmittel: Was das neue EU-Gesetz bedeutet

Brüssel

Insekten in Lebensmittel: Was das neue EU-Gesetz bedeutet

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    Die getrockneten Larven des Getreideschimmelkäfers sind künftig in der EU als Lebensmittel zugelassen. Die Bandnudel im Bild wurde unter anderem aus den Larven hergestellt.
    Die getrockneten Larven des Getreideschimmelkäfers sind künftig in der EU als Lebensmittel zugelassen. Die Bandnudel im Bild wurde unter anderem aus den Larven hergestellt. Foto: Marijan Murat, dpa

    Glaubt man Käferfeinschmeckern, ist die Revolution längst da. Zwieback aus Büffelwurmmehl, Cracker aus gemahlenen Grillen, knusprige Heuschrecken als Snack – Insekten schaffen es seit Jahren immer häufiger auf den Speiseplan der europäischen Bürger. Nun stehen den Menschen sogar weitere Winzig-Tierchen zur Verköstigung zur Verfügung, nachdem diese Woche ein neues EU-Gesetz in Kraft getreten ist. Von Donnerstag an wird die Larve des Getreideschimmelkäfers als Lebensmittel zugelassen – ob gefroren, getrocknet, pulverisiert oder als Paste. Seit Dienstag ist es erlaubt, die zu Pulver verarbeitete Hausgrille zu verwenden. Andere Insekten, wie der getrocknete gelbe Mehlwurm, dürfen schon seit mehr als eineinhalb Jahren verarbeitet werden, beispielsweise gemahlen in Keksen oder Brot.

    Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Europa-Grünen, sieht insbesondere für Futtermittel großes Potenzial. „Insekten enthalten jede Menge Protein, Omega 3- und 6-Fettsäuren sowie Spurenelemente und Mineralstoffe wie Magnesium und Phosphor.“ Gleichwohl können sie nach Expertenmeinung eine klimafreundliche Bilanz vorweisen: Sie produzieren wenig Treibhausgase, brauchen kaum Wasser sowie weniger Fläche. Anders sieht es bei den herkömmlichen Produkten aus. „Bislang werden Haus- und Nutztiere vor allem mit Fischmehl und Sojaschrot gefüttert – mit den bekannten Begleiterscheinungen“, sagt

    Brüsseler Behörde stuft manche Insekten als wichtige alternative Eiweißquelle ein

    In der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, einer der wichtigsten Maßnahmen im Rahmen des europäischen Grünen Deals, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will, stufte die Brüsseler Behörde die zugelassenen Insektenarten als immer wichtigere alternative Eiweißquelle ein. Diese würden in den kommenden Jahren zu den Zielen für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem in der Union wie auch weltweit beitragen, hieß es. Auch Studien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen kamen zu dem Schluss, dass Insekten „eine sehr nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit einem hohen Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien sind“.

    Während Insekten in einigen Teilen der Welt schon immer zur gewöhnlichen Küche gehören, stehen in Europa viele Menschen den „neuartigen Lebensmitteln“, wie Insekten in der EU-Bestimmung bezeichnet werden, skeptisch gegenüber. Eklig? Oder gar unverträglich? Die Behörde versuchte zu beruhigen: Die europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit habe den Verzehr wissenschaftlich untersucht und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft.

    Hinzu kommen strenge Vorschriften. Die Kennzeichnung der Lebensmittel, die teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus, wie der Fachbegriff für die Hausgrille lautet, enthielten, müsse mit dem Hinweis versehen sein, „dass diese Zutat bei Verbrauchern, die bekanntermaßen gegen Krebs- und Weichtiere und Erzeugnisse daraus sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen auslösen kann“, wie es in der Verordnung steht. „Dieser Hinweis muss in unmittelbarer Nähe der Zutatenliste angebracht werden.“

    EU-Behörde: Verbraucher entscheiden, ob sie Lebensmittel aus Insekten essen – oder eben nicht

    Kritik, dass solche Zulassungen zu weit führen, will die Kommission nicht gelten lassen. Es sei Entscheidung der Verbraucher, ob sie Lebensmittel aus oder mit Insekten kaufen und konsumieren – oder eben nicht. „Niemand wird gezwungen, Insekten zu essen“, betonte die Behörde auf Twitter und appellierte: „Bitte tief durchatmen.“

    Das sehen nicht alle so. In den sozialen Medien ist die Empörung über verarbeitete Insekten in Lebensmitteln zu spüren. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger schimpft auf Twitter: „Ich bin nicht dafür, dass wir die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland reduzieren und gleichzeitig mehr Insekten und Mehlwürmer essen sollen.“

    Ein Ende der Revolution ist jedoch nicht in Sicht. Derzeit liegen in Brüssel acht weitere Anträge auf die Zulassung von Insekten als Lebensmittel vor.

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