Nach Schüssen und mindestens 23 Verletzten in der New Yorker U-Bahn sucht die Polizei im Großeinsatz nach dem Täter. Es werde nach einem 62 Jahre alten Mann gefahndet, bei dem es sich um eine "Person von Interesse" in Zusammenhang mit dem Vorfall handele, teilten die Behörden bei einer Pressekonferenz mit. Der Mann habe in Philadelphia einen Kleinlaster gemietet. Der Schlüssel des Fahrzeugs sei in einer Tasche am Tatort gefunden worden, die möglicherweise dem Täter zuzuordnen sei.
Der Kleinlaster war nach dem Vorfall abgestellt in einem anderen Teil von Brooklyn gefunden worden. Ob es sich bei dem 62 Jahre alten Mann, der Wohnsitze in Philadelphia und Wisconsin habe, auch um den Täter handeln könne, sei aber noch völlig unklar.
Schießerei in New York: Täter ist auf der Flucht
Es werde zudem vermutet, dass es sich bei dem Mann um den Autor mehrerer Veröffentlichungen in sozialen Medien handele. Darin beschwere sich der Autor unter anderem über New York, Bürgermeister Eric Adams und Obdachlosigkeit. Nähere Details wollten die Behörden nicht mitteilen. Adams' Polizeischutz werde aber vorsichtshalber aufgestockt, hieß es. Der Bürgermeister hält sich wegen einer Infektion mit dem Coronavirus derzeit in Isolation in seiner Residenz auf der Upper East Side Manhattans auf.
Bei dem Vorfall während der Hauptverkehrszeit am Dienstagmorgen hatte ein Mann ersten Erkenntnissen zufolge in einer U-Bahn im New Yorker Stadtteil Brooklyn das Feuer eröffnet. Der Mann habe im zweiten Wagen eines Zugs der Linie N auf dem Weg nach Manhattan zwischen der Station 59 St und 36 St in einer hinteren Ecke gesessen. Er habe eine orange-grüne Bauarbeiter-Weste, eine Corona-Schutzmaske, einen grauen Kapuzen-Pullover und einen neon-grünen Bauarbeiter-Helm getragen.
Der Mann habe sich dann eine Art Gasmaske übergezogen, zwei Kanister geöffnet, aus denen Rauch oder Nebel strömte, und dann das Feuer eröffnet. Insgesamt habe er 33 Mal geschossen. Der Mann konnte fliehen - wie ihm das gelang und auch sein Motiv waren nach Polizeiangaben zunächst noch völlig unklar. Als terroristischer Akt werde der Vorfall derzeit nicht untersucht.
Mindestens 23 Verletzte bei Schüssen in New Yorker U-Bahn
In der Station 36 St im Viertel Sunset Park hielt der Zug. Auf Videos war zu sehen, wie Menschen aus dem U-Bahn-Wagen strömten, umgeben von Nebel- oder Rauchschwaden, einige blieben am Boden liegen, Blut war zu sehen, andere kümmerten sich um Verletzte.
Mindestens 23 Menschen wurden verletzt. "10 Menschen wurden durch Schüsse verletzt und weitere 13 wurden entweder verletzt, als sie aus dem Bahnhof eilten, oder sie erlitten eine Rauchvergiftung", sagte Polizeichefin Keechant Sewell bei der Pressekonferenz. Keiner von ihnen befinde sich aber in Lebensgefahr. Zuvor hatte die Polizei von mindestens 16 Verletzten gesprochen. "Wir haben wirklich Glück, dass das nicht noch deutlich schlimmer war als es ist." Die New Yorker Polizei erhöhte ihre Präsenz in der U-Bahn.
Am Tatort wurden Sewell zufolge unter anderem eine halb automatische Handfeuerwaffe, mehrere Magazine und eine kleine Axt gefunden. Außerdem sei eine Flüssigkeit sichergestellt worden, bei der es sich mutmaßlich um Benzin handele sowie ein Beutel mit Feuerwerkskörpern. Der Schütze sei "gefährlich", sagte New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul. Die Behörden forderten alle Bürger auf, "sehr vorsichtig und wachsam" zu sein, sagte sie. Wer Hinweise habe, solle die Polizei verständigen.
Polizei fahndet mit Hochdruck nach Schützen
Es kam zu zahlreichen Verspätungen und Ausfällen im U-Bahn-System. Die Schulen in der Umgebung der Station schlossen vorübergehend, wie US-Medien einen Sprecher des New Yorker Schulsystems zitierten. Es durften nur noch Schulkinder hinein, niemand durfte mehr hinaus.
Das Viertel Sunset Park war früher vor allem industriell geprägt, heute leben und arbeiten dort auch viele junge Menschen und Familien. Um die Ecke liegt eine Trainingshalle des Basketball-Teams Brooklyn Nets, die sich zum Zeitpunkt der Schüsse dort auf ein Spiel vorbereiteten und sich bestürzt zeigten. Zahlreiche U-Bahn-Linien führen durch die Gegend, die unter anderem Menschen von Brooklyn nach Manhattan bringen, etwa zur Arbeit und zurück nach Hause.
US-Präsident Joe Biden wurde umgehend über den Vorfall informiert. Führende Mitarbeiter des Weißen Hauses stünden in Kontakt mit dem New Yorker Bürgermeister und der Polizeiführung, erklärte Bidens Sprecherin Jen Psaki über Twitter. Die Regierung stehe bereit, den New Yorker Behörden im Bedarfsfall jegliche benötigte Hilfe zukommen zu lassen. "Meine Frau Jill und ich beten für die Verletzten und alle, die von diesem Trauma betroffen sind", sagte Biden bei einem Termin in Iowa.
In New York hatten in den vergangenen Monaten zahlreiche Schießereien und andere Kriminalfälle für Schlagzeilen gesorgt - auch in der U-Bahn. 2017 hatte es einen versuchten Terroranschlag in einem unterirdischen Verbindungstunnel zwischen dem Busbahnhof Port Authority und der U-Bahn-Station Times Square gegeben. Der damals 27 Jahre alte Täter war im vergangenen Jahr zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte zur Hauptverkehrszeit versucht, sich mit einer selbstgebauten Rohrbombe in die Luft zu sprengen.
New Yorks Bürgermeister Adams will gegen Kriminalität vorgehen
Bürgermeister Adams, ein früherer Polizist, der erst Anfang des Jahres seinen Job angetreten hatte, hatte angekündigt, scharf gegen Kriminalität vorgehen zu wollen. Er sprach am Dienstag von einem "schwierigen Tag für New York". Der Täter werde gefunden und zur Rechenschaft gezogen, versprach Adams.
"Normale New Yorker sind heute Morgen aufgewacht und haben einen relativ normalen Tag erwartet", sagte Gouverneurin Hochul. Dieses "Gefühl von Ruhe und Normalität" sei dann von einem "kaltherzigen" Menschen brutal zerstört worden. "Heute ist der Tag, an dem wir New Yorker zusammenkommen mit dem gemeinsamen Ziel zu sagen: Es reicht!" (dpa)