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Brauchtum: "Endlich wieder richtig Karneval": Köln schunkelt Sorgen weg

Brauchtum

"Endlich wieder richtig Karneval": Köln schunkelt Sorgen weg

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    Menschenmassen auf der Zülpicher Straße.
    Menschenmassen auf der Zülpicher Straße. Foto: Thomas Banneyer, dpa

    Leon hat sich aufmunitioniert. Zwei Patronengürtel kreuzen sich auf seiner Brust, dazu trägt er Flecktarn-Klamotten - in dem braun-beige-grünen Muster, in das sich Soldaten hüllen. Wenn man genauer hinschaut, sieht man allerdings, dass in den Gürteln keine Munition steckt, die man verschießen kann - sondern nur in sich reinschütten. Es sind viele kleine Schnaps-Flaschen.

    Leon sagt, dass sein Plan für heute "Alkohol trinken und Spaß haben" sei. Es ist Donnerstag, kurz vor 10 Uhr in Köln. Dass sein Soldatenkostüm in diesen Zeiten auffällt, hat er bemerkt. Aber: "Es hat eigentlich gar keinen Hintergrund", sagte er. "Ich habe nichts Besseres gefunden."

    Friedensdemo statt Rosenmontagszug 2022

    Der junge Mann steht damit als braun-beiger Farbtupfer ein wenig sinnbildlich für das bunte Gesamtgemälde, das man Weiberfastnacht nennt und den Beginn des Straßenkarnevals markiert. Vor fast genau einem Jahr hatte es an gleicher Stelle noch Feierlichkeiten mit einem mitunter melancholischen Unterton gegeben. Putin hatte damals gerade die Ukraine angegriffen. Radio-Sender stellten das Spielen von Stimmungsmusik ein. Statt des geplanten Rosenmontagszuges gab es in Köln eine große Friedensdemo.

    2023 dagegen ist nun offenkundig wieder "jeck as usual" angesagt. Obwohl sich an der Weltlage gar nicht viel verändert hat. Der organisierte Karneval ist wieder ganz bei sich angekommen. Der Schwerpunkt liegt in Köln auf der Feier zu 200 Jahre Karneval. Die örtliche Politik beschäftigte sich im Vorlauf mit der Sicherheit - mit der innerhalb der Grenzen Kölns, weniger mit der von Europa.

    Oberbürgermeisterin verschafft sich einen Überblick

    Ein großes Thema war, wie der riesige Andrang im Zülpicher Viertel - dem Party-Hotspot der Jüngeren - bewältigt werden kann. Es gibt daher umfangreiche Sperrmaßnahmen. Am Mittag kraxelt die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker - verkleidet - auf eine Art Wachturm, um sich einen Überblick über das wilde Treiben zu verschaffen. Ihre Analyse legt danach einen Schwerpunkt auf folkloristische Aspekte. "Das sind die gleichen Lieder, die wir auch im Sitzungskarneval und auf privaten Karnevalsfeiern singen, die auch von den jungen Leuten angenommen werden", befindet sie.

    Wenige Stunden zuvor hatte Reker bei einem Empfang gesagt, dass sie der Meinung sei, "dass wir feiern dürfen und feiern sollten" - auch wenn ihr "schwer" sei angesichts des Erdbebens in Syrien und der Türkei und angesichts des Kriegs in der Ukraine. Auch das Kölner Dreigestirn - Prinz, Bauer und Jungfrau - verwischt den Eindruck, es sei den Kölnern egal, was woanders passiere. Die Gedanken seien auch bei den Menschen in der Ukraine, betont André Fahnenbruck, der als Mann die Jungfrau mimt. Am Vortag habe man eine Hilfsorganisation für die Ukraine besucht. "Das hat uns sehr geerdet."

    Warteschlangen vor Karnevalskneipen schon am frühen Morgen

    Vor den einschlägigen Karnevalskneipen bilden sich schon gegen 8.00 Uhr die ersten Warteschlangen. Auch die Kölner Altstadt füllt sich langsam. Etwa zehn Frauen haben sich dort in pinken Flamingo-Fell-Kostümen um einen gut gefüllten Bollerwagen mit montierter Theke positioniert. Sie sind aus Rüdesheim angereist - wie schon seit 20 Jahren, erzählen sie.

    "Wir freuen uns total, dass wir endlich wieder richtig Karneval feiern können", sagt Susanne, eine von ihnen. Während der Corona-Jahre habe sie an Weiberfastnacht "auf dem Sofa geflennt" und alte Karnevalssendungen in der Mediathek geguckt. Corona-Auflagen gibt es 2023 keine mehr.

    Auch Stefan und seine Freunde wollen an Weiberfastnacht richtig einen draufmachen - obwohl die allgemeine Weltlage zurzeit schon eher deprimierend sei, wie er sagt. "Aber es nutzt doch niemandem, wenn wir deswegen nicht feiern. Davon hört der Krieg ja nicht auf."

    (Von Petra Albers und Jonas-Erik Schmidt, dpa)

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