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Boykott: Aktivisten in Frankreich schalten per Fernbedienung WM-Spiele aus

Boykott

Aktivisten in Frankreich schalten per Fernbedienung WM-Spiele aus

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    Aus bis zu 45 Metern Entfernung können die französischen Aktivisten die Fernseher der Bars ausschalten.
    Aus bis zu 45 Metern Entfernung können die französischen Aktivisten die Fernseher der Bars ausschalten. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild)

    In der Bar gibt es einen kollektiven Aufschrei. Ein paar Fußballfans vor dem Fernsehbildschirm, die ein WM-Spiel ihrer Nationalmannschaft verfolgen, springen empört auf. Ein Tor ist nicht gefallen, es gab auch keine umstrittene Schiedsrichter-Entscheidung. Doch der Bildschirm ist plötzlich schwarz. „Das kann doch nicht wahr sein“, ruft ein Mann mit einem Glas Bier vor sich. Was, wenn gerade jetzt einer der „Bleus“ ein Tor schießt?

    Es handelt sich nicht um einen technischen Defekt – sondern eine Sabotage-Aktion von Dan Geiselhart, Klima-Aktivist in Paris und Gründer des Magazins Climax. „Man fühlt sich total stark, man kann plötzlich alles ausschalten“, sagt er einer Video-Journalistin, die ihn für eine Reportage auf der Internetseite der Zeitung Le Parisien in die Bar im 18. Bezirk von Paris begleitet hat, in der Geiselhart kurzzeitig die Stimmung in den Keller fallen lässt. In der Hand hat der junge Mann einen kleinen Schalter mit etlichen Ösen.

    US-Hacker hat das Instrument zum WM-Boykott entwickelt

    Es handelt sich um ein sogenanntes TV-B-Gone, das der US-amerikanische Hacker Mitch Altman in den 2000er Jahren erfunden hat. Es erkennt die Signale von bis zu 160 verschiedenen Fernsehanbietern und kann die Geräte über eine Entfernung von bis zu 45 Metern ausschalten. Für Geiselhart handelt es sich um „friedlichen Widerstand“ gegen die Weltmeisterschaft in Katar, die in seinen Augen mit etlichen Grundsätzen bricht – ob hinsichtlich von Menschenrechten oder des Klimaschutzes. Damit seine Idee weitere Kreise zieht, hat der Aktivist einen Workshop organisiert, bei dem Interessierte ebenfalls ihre eigenen Ausschalter herstellen konnten. „Es geht nicht darum, den Leuten den Spaß zu nehmen.“

    Er sei einfach eine Art männliche Amélie Poulain aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“, die sich in einer Szene an ihrem Nachbarn rächt, indem sie mitten in einem Fußball-Match an seiner Antenne zieht und es unterbricht. Kabarettfans hierzulande fühlen sich wohl eher an ein Stück namens „Toleranz“ von Gerhard Polt erinnert, in dem der durchtriebene Sohn eines Nachbarn den TV-Moderator Karl Moik mit einem Knopfdruck ins Spiel des FC Bayern befördert: „Vor mein Haus hat er sich hingestellt (...), sieht, dass ich das Fußballspiel sehe – und jed’s Mal, wenn eine Torchance war, hat der mir von außerhalb mit einer Fernbedienung in den Strafraum reingemoikt!“ 

    In Frankreich ist die Aktion mehr als ein Streich. Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops sagten, sie wollten gegen die Bedingungen dieser WM in Katar protestieren – ohne anderen zu schaden. „Ich werde es vielleicht einmal ausprobieren, um zu sehen, ob es funktioniert, aber es ist nicht sehr cool für den Barbesitzer, der nicht für all das verantwortlich ist“, sagte einer der Journalistin.

    Es gebe auch die Möglichkeit, sich bei den Fußballfans erkennen zu geben und die Diskussion mit ihnen zu suchen, sagt Dan Geiselhart. „Und wer das Gerät ausschalten kann, kann es auch wieder einschalten. Das ist alles nicht dramatisch.“ Wer wolle, könne auch erst einmal in der Werbung anfangen. Die wolle eh keiner sehen.

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